Carolin Emcke

Stumme Gewalt

Nachdenken über die RAF
Cover: Stumme Gewalt
S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2008
ISBN 9783100170170
Gebunden, 160 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Am 30. November 1989 wurde der Vorstandssprecher der Deutschen Bank Alfred Herrhausen in Bad Homburg mit einer Sprengladung getötet, einer der letzten Morde der Rote Armee Fraktion. Achtzehn Jahre lang hat die Journalistin und Autorin Carolin Emcke geschwiegen zu dem Terror der RAF und damit auch über das Attentat an ihrem Patenonkel Alfred Herrhausen. In diesem persönlichen und politischen Text plädiert die Autorin dafür, endlich das eisige Schweigen zwischen Tätern und Opfern des RAF-Terrors zu brechen. Sie plädiert jenseits von juristischer Sühne (oder Gnade) für einen gesellschaftlichen Dialog, für eine Aufklärung im emphatischen Sinne. Freiheit gegen Aufklärung - nur das könnte, Carolin Emcke zufolge, dabei helfen, die Epoche des deutschen Terrors wirklich zu begreifen. Der Text ist ein moralisches Plädoyer gegen Gewalt, aber auch gegen Rache und Verachtung als gesellschaftliche Antworten darauf.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.05.2008

Ein ungewöhnliches Buch, befindet Jens Bisky. Carolin Emckes Nachdenken über die RAF erscheint ihm in Form und Gehalt von üblicher Zeitgeschichte weit entfernt. Statt auf Quellenforschung und politisches Theoretisieren stößt Bisky auf Schmerzgegenwärtigung, auf cartesianische Meditationen und spekulative Prosaminiaturen. Dass Emcke keine neue Wahrheit, sondern Detailkenntnis anpeilt und das Schweigen im Gespräch aufzubrechen wünscht, kann Bisky deshalb nachvollziehen, weil der Text, wie er schreibt, die Skepsis dazu gleich mitliefert. Das "Pathos der Aufklärung" mit seiner utopischen Tendenz, das Bisky hier anweht, ist ihm jedoch auch Hinweis auf das, was fehlt: Wahrheit.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.05.2008

Stefan Reinecke kann sich derart mit den zentralen Aussagen dieses Buchs identifizieren, dass er  der Journalistin Carolin Emcke einige Seltsamkeiten nachsieht. Kern des Essays "Stumme Gewalt" ist die Forderung, RAF-Täter straffrei ausgehen zu lassen, wenn sie denn die Wahrheit darüber aussagen, wer wann an welchem Attentat beteiligt war. Für ihn hat diese Idee etwas "Öffnendes, Leuchtendes" gar. Ihre "Autorität" bezieht Emcke für Reinecke in ihrer Rolle als "kritische Zeitgenossin" und als "Angehörige", wie er sie bezeichnet. Sie war ein Patenkind des ermordeten Bankiers Alfred Herrhausen. Zu den irritierenden Punkte zählt Reinecke nichtsdestotrotz, dass Emcke recht "unbescheiden" auftritt, bisher nie zu der Frage Stellung bezogen hatte, wichtige Initiativen wie den Braunmühl-Brief nur am Rande erwähnt und schließlich den selbstverständlichen Gebrauch eines "Wir", das sich Reinecke einfach nicht erklären kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.05.2008

Die Geschichte der RAF noch einmal anders schreiben? Rezensent Christian Geyer hat Zweifel, ob das möglich ist. Nicht zuletzt, weil die Autorin diese Zweifel teilt, hält Geyer das Buch für intelligent und höchst lesenswert. Schnell erkennt er das Prinzip des Textes, seine Angreifbarkeit. Für Geyer tatsächlich eine Chance, ein "aufschließendes Verhältnis" zum Thema RAF zu gewinnen. Wenn eine Herrhausen-Angehörige derart ungeschützt nachdenkt und argumentiert, etwa, wenn es um mögliche Verstrickungen der Stasi in den RAF-Terror geht, fragt Geyer gebannt, ob nicht das alte Schweigen über Täterschaften so vielleicht gebrochen werden könnte. Die Vielfalt der Perspektiven, mit denen Carolin Emcke aufwartet und deren Vermittlung sie laut Geyer anstrebt, lassen den Rezensenten aufhorchen. Der Vorwurf der Einseitigkeit, meint er, trifft das Buch nicht. Ebenso wenig wie derjenige, der RAF durch ein Zuviel an Einfühlung auf den Leim zu gehen (Geyer empfiehlt die Ausführungen der Autorin dazu auf den Seiten 114-116 zuerst zu lesen). Politischer Anspruch und das Streben nach Wahrheit scheinen Geyer in diesem Buch vorbildlich vereint.
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