Christian Haller

Das schwarze Eisen

Roman
Cover: Das schwarze Eisen
Luchterhand Literaturverlag, München 2004
ISBN 9783630871844
Gebunden, 313 Seiten, 22,50 EUR

Klappentext

Als einen schweren und imposanten Mann hat der Enkel seinen Großvater kennengelernt, als eine beeindruckend schweigsame Person, die niemals das Haus verließ, ohne zuvor einen Filzhut aufzusetzen und einen Stock in die Hand zu nehmen. Schweigsam, das erfährt der Enkel später, war der Großvater immer gewesen, ein Mann, der ohne viele Worte zu verlieren seine Familie und am liebsten die ganze Schweiz wie geschmolzenes Eisen geformt hätte. Tatsächlich stammte dieser Mann aus ärmlichsten Verhältnissen. Mit nicht mehr als einem Glas eingeweckter Pflaumen als Proviant schickten ihn die Eltern in die Lehre. Unter dem Prägestock der Fremdenlegion schwor er sich dann, es den gelackten Herren zu zeigen. Als ein Niemand kehrt er zurück, aber mit dem festen Willen, aus Wasserkraft Strom zu gewinnen und mit dem Strom Eisen für Werkzeuge, Maschinen und Waffen zu erzeugen und die Schweiz in eine sauber arbeitende Maschine umzubauen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.03.2005

Wie in seinem vorigen Roman hat sich der Autor Christian Haller auf Spurensuche in die Geschichte der eigenen Familie begeben, und wie bereits bei "Die verschluckte Musik" ist Rezensent Alexander Kissler sehr angetan von dem jüngsten literarischen Wurf, bei dem es sich seines Erachtens um "ein Sprachkunstwerk ersten Ranges" handelt. Tief eingetaucht sei Haller in das Leben seines Großvaters, eines unangenehmen Zeitgenossen, der die Menschen in seiner Nähe stets frösteln ließ, seiner Familie und seiner Umwelt seine Leistungsanforderungen und seinen eisernen Willen aufdrückte. Der Autor habe über das familieninterne hinaus auch ein erinnerungspolitisches Anliegen, behauptet Kissler, das viel mit der Geschichte der Schweiz zu tun habe, wo der Großvater, ein Kriegsgewinnler und langjähriger Direktor eines Stahl- und Maschinenwerkes, der Natur einen Stausee zur Stromgewinnung abtrotzte. Haller nähere sich dieser Figur "in konzentrischen Kreisen", so Kissler, und mit jeder Kreisbewegung wachse die Intensität, mit der dieses Leben auf den Prüfstand gestellt würde. Für Hallers Roman spricht aber eben auch, meint Kissler, dass die einzelnen Passagen wie kleine Miniaturen gearbeitet sind, die über den konkreten Fall hinausweisen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.12.2004

"Eindrücklich" habe Christian Haller mit seiner "außergewöhnlichen" Familiengeschichte das Eindringen des Faschismus in die Schweiz nachgezeichnet, schreibt Gustav Mechlenburg. Hatte Haller sich im vorigen Buch der Mutter gewidmet, geht es nun um den väterlichen Zweig der Familie während der nationalsozialistischen Vorbeben. Obwohl die Sprache des Romans "detailverliebt und persönlich" gehalten sei, stelle das Porträt des Vaters und seiner Lebenswelt zugleich ein "Stück Schweizer Industrie-, Sozial- und Mentalitätsgeschichte" der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts dar. Mit "höchst unauffälligen" Metaphern führe der Autor nicht nur durch die Innenwelten seines Vaters, sondern und vor allem auch durch "Schweizer Wohnzimmer, Landschaften und Werkhallen".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.10.2004

Samuel Moser hat sich von Christian Hallers Buch zum bildreichen Raunen hinreißen lassen, erfasst das Erzählte in einer Art poetischer Paraphrase, aber vielleicht ist das die richtige Annäherung. Denn der Roman - die sprachliche Bebilderung von Erinnerungen - folgt keiner Linearität, sondern "weitet sich zum Strom, zum Meer und Gewoge". Eine verfremdete Realität, 1947, in der Vergangenheit ein "Hettler oder Heitler", ein Industriemagnat - das ist der Großvater des Erzählers, der nicht in dessen Fußstapfen treten will: "Er verweigert sich ihm durch das Erzählen." Der Großvater fertigte Stahl, der Enkel gibt der Imagination eine Form, aber keine feste - "er schmilzt das Harte wieder in Weiches". Der Großvater ist geschichtslos, und Haller, so der Rezensent, füllt diese Leere nicht mit etwas Eigentlichem, Verdrängten. Sondern viel besser: "Hallers größte Leistung ist es, die Geschichtslosigkeit seiner Figuren in ihrer Geschichtlichkeit zu begreifen." Ein Roman des Sehens durch Sprache, der Vorstellungskraft, der "Kunst selber".
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