Christina von Braun, Bettina Mathes

Verschleierte Wirklichkeit

Die Frau, der Islam und der Westen
Cover: Verschleierte Wirklichkeit
Aufbau Verlag, Berlin 2007
ISBN 9783351026431
Gebunden, 476 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Die kontroverse Debatte um das Kopftuchverbot hat es gezeigt: Der "Kampf der Kulturen" findet nicht zuletzt auch in den Tabus seinen Ausdruck, die die Differenz der Geschlechter markieren. Dieses Standardwerk liefert das theoretische Fundament zum Thema: Mit Beispielen aus Kultur, Geschichte und Literatur beleuchten Christina von Braun und Bettina Mathes die Beziehung zwischen der Frau und dem Islam. Die Auseinandersetzung konzentriert sich dabei oft auf die vermeintlich dunklen Seiten der "anderen" Gesellschaft, ohne diese in ihrer Komplexität zu erfassen. Die Autorinnen gehen der Geschichte des Schleiers und anderer religiöser Sinnbilder nach, untersuchen die Geschlechterordnung in den drei Weltreligionen und verweisen auf aktuelle Tendenzen des Fundamentalismus in allen Glaubensrichtungen. In der Sichtweise auf die "andere" Welt offenbart sich mehr, als wir zugeben wollen, das Selbstverständnis des Westens.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.09.2007

Sehr interessiert verfolgt Sabine Fröhlich die verschlungenen Wege, auf denen Christina von Braun und Bettina Mathes dem Geschlechterkampf als Schlüssel zu den Differenzen zwischen dem Islam und der westlichen Welt nachspüren. Die Autorinnen gehen zunächst von der Freud'schen Vorstellung vom Fremden als verdrängtem Eigenem aus und sehen das Urproblem der Geschlechterdifferenzen in der Aufspaltung von männlich besetzter Schriftlichkeit und weiblich besetzter Oralität, erklärt die Rezensentin. Was Fröhlich eigentlich sehr spannend erscheint, führt bei den Autorinnen jedoch allzu gradlinig zu neuen Festschreibungen, etwa, dass die unterschiedlichen Geschlechterdifferenzierungen in Orient und Okzident auf die unterschiedlichen Alphabete zurückzuführen sei. Braun und Matthes haben einige sehr interessante Interpretationen zu bieten, findet die Rezensentin, aber es fehlt ihr in diesem Buch an überzeugenden Argumentationslinien und so fällt es ihr schwer, sich in den labyrinthischen Gedankengängen der Autorinnen zu orientieren, wie sie beklagt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.04.2007

Kritisch betrachtet Regina Mönch diese Kulturgeschichte der Verschleierung, die Christina von Braun und Bettina Mathes vorgelegt haben. Wenig anfangen kann sie schon mit der Hauptthese der Autorinnen, wonach die Geschichte des Schleiers keineswegs eine Geschichte der Unterdrückung der muslimischen Frau sei, sondern vielmehr der westlichen Frau, was allerdings verdrängt worden sei und nun auf die Muslima projiziert werde. Sie hält den Autorinnen vor, mit "psychoanalytisch aufgeladener" Sprache den Mangel an Theorie und Methode überdecken zu wollen. Grundsätzlich krankt die Untersuchung in ihren Augen an dem Unverständnis der Autorinnen, dass hinter den Kopftüchern deutscher, französischer oder niederländischer Musliminnen auch Unfreiheit herrscht. Die Anhäufung von vielen kulturgeschichtlichen Belegen für die Schönheit des Schleiers in Ost und West kann für Mönch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Autorinnen beredt am Thema vorbeischrieben. Schließlich gehe es bei den ernsthaften Debatten über den Islam nicht um Glaubensverbote für Minderheiten oder die Kleiderordnung, sondern um die Unteilbarkeit der Menschenrechte, die mit der islamischen Scharia und ihren Vorschriften unvereinbar seien. Die Argumentationen von Braun und Mathes wirken auf Mönch höchst einseitig, so würden etwa nur stolze Kopftuchträgerinnen als Zeuginnen zu Wort kommen. Insgesamt scheint ihr das Buch vor allem ein "Ausweis des verschleierten Weltbilds seiner Autorinnen".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.04.2007

Erfreut zeigt sich Gaby Mayr über dieses kenntnisreiche Buch von Christina von Braun und Bettina Mathes, das die Ansicht widerlegt, über das muslimischen Kopftuch sei alles gesagt. Den Fokus der Autorinnen sieht sie im Verhältnis von Mann und Frau in Islam, Christentum und Judentum. Sie attestiert ihnen, höchst instruktiv und materialreich zu zeigen, welche sich immer wieder ändernde Rolle die Bedeckung der Frau in den drei Religionen für Geschlechterbeziehung spielt. Besonders hebt sie hervor, dass meist Männer darüber befanden, wie Frauen ihren Körper, der Symbolfunktion hatte und in vielen Gesellschaften als "Gemeinschaftskörper" fungierte, in der Gemeinschaft zu repräsentieren hatten. Aufschlussreich findet sie in diesem Zusammenhang gerade die Ausführungen über Augustinus und Siegmund Freud. Mayrs Resümee: ein "leichtfertiges Aburteilen von Kopftuchträgerinnen" sollte nach der Lektüre des Bands endgültig "passe" sein.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.03.2007

Fasziniert berichtet Susanne Mayer von diesem Buch, dem sie einige heikle Gedanken, aber vor allem aufregende Aussichten entnommen. Mit dem Mitteln der feministischen Theorie untersuchen die Autorinnen Christina von Braun und Bettina Mathes darin die westlichen Debatten über den muslimischen Schleier. Zu Wort kommen dabei aber auch die ägyptische Religionswissenschaftlerin Leila Ahmed, die Pariser Soziologin Nilüfer Göle oder der Islamwissenschaftler Ludwig Amman. Wenn wir den Darstellungen der Rezensentin folgen, kommen die Autorinnen in ihren Ausführungen immer wieder darauf zurück, dass sich hinter der Schleier-Debatte zum einen die eigenen Probleme des Westens mit dem Kreuz und einer nicht vollendeten Säkularisierung verbergen. Zum anderen misstrauen sie aber vor allem der männlichen Empörung über die Unterdrückung westlicher Frauen. Schließlich kommen sie darauf, dass die  Konzentration auf die Rolle Frau eine Feminisierung des Orients mit sich bringe, eine Sexualisierung gar, die wiederum nicht frei von gewaltvoller Unterdrückung sei. Rezensentin Mayer  folgt diesen Erklärungen und verheißt sich von einigen verschleierten Feministinnen ein neues utopisches Potenzial.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.03.2007

Renate Wiggershaus gefällt der weite Rahmen, den Christina von Braun und Bettina Mathes ihrer Studie zur Verschleierung der Frau spendieren. So sei der Schleier bei Griechen, Juden, Germanen und korinthischen Christen jeweils zu bestimmten Zeiten gesellschaftlich erwünscht gewesen. Mit "weit ausholender" Geste erzählen die Autorinnen, wie der Schleier in Westeuropa immer negativer besetzt wurde, bis er schließlich zum Symbol des "Sleepers", des unsichtbaren islamistischen Terroristen wurde. Dass die Autorinnen derlei "reaktive Verkürzungen" und die pauschale Unterdrückung der Frau durch das Kopftuch anzweifeln und unter anderem an die hohe Studentinnenquote im Iran oder Jordanien erinnern, das kann die Rezensentin nur unterschreiben. Für "beeindruckend" und "produktiv" hält sie demzufolge auch die vorliegende Studie zur gesellschaftlichen Stellung der Frau in islamischer und westlicher Kultur.