Christina von Hodenberg

Das andere Achtundsechzig

Gesellschaftsgeschichte einer Revolte
Cover: Das andere Achtundsechzig
C.H. Beck Verlag, München 2018
ISBN 9783406719714
Gebunden, 250 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Mit zwanzig Abbildungen. 50 Jahre nach "1968" ist es Zeit für einen frischen Blick auf die Ereignisse, die bis heute die Republik spalten. Anhand von erstmals ausgewerteten neuen Quellen erschüttert Christina von Hodenberg die alten Gewissheiten und zeigt das andere Achtundsechzig jenseits der immer wieder erzählten Legenden. In unserer Erinnerung ist Achtundsechzig eine Angelegenheit junger männlicher Studenten in Großstädten wie Berlin und Frankfurt. Im Hintergrund wirkt ein Generationenkonflikt, der sich aus dem Streit um die NS-Vergangenheit speist. Rudi Dutschke, der SDS und die Berliner Kommune I stehen im Mittelpunkt der Darstellung. Doch war das wirklich alles? In ihrem Buch zeigt Christina von Hodenberg, was an diesem Bild nicht stimmt und was es auslässt. Achtundsechzig war auch weiblich, es spielte ebenso abseits der großen Metropolen, die NS-Vergangenheit war nicht die zentrale Antriebskraft und die Eltern hatten viel mehr Verständnis für die Anliegen ihrer Kinder, als es im Rückblick scheint. Indem es das in den Blick nimmt, was sonst meist ausgeblendet wird, liefert dieses Buch die erste wahre Gesellschaftsgeschichte der Revolte von 1968.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.06.2018

Originell und erhellend findet die Historikerin Isabell Trommer Christina von Hodenbergs Buch zu 1968, denn Hodenberg begreift die Revolte nicht als bloßen Studentenprotest oder Generationenkonflikt, sondern als eine gesamtgesellschaftliche Bewegung, deren zentrale und nachhaltigste Errungenschaft die Politisierung der Geschlechterverhältnisse war. Bemerkenswert findet die Rezensentin auch das Vorgehen der Autorin, die anhand von archivierten Interviews drei Generationen in den Blick nehme: die Revoltierenden selbst, ihre Eltern und ihre Großeltern. Dabei kommt keine affirmative Heldengeschichte heraus, versichert die Rezensentin. Hodenberg betone vielmehr, dass viele gesellschaftliche Wandlungen schon zuvor eingesetzt hatten, dass 1968 auch provinziell und heterogen war und auch der Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Geschichte begrenzt: Die politischen Gegner wurde zwar gern als Nazis und Faschisten attackiert, aber die eigenen Eltern selten mit der Vergangenheit konfrontiert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2018

Rezensent Christoph Möllers respektiert an Christina von Hodenbergs Buch vor allem, dass die Autorin keine offenen Rechnungen mit '68 verhandelt. Bestechend laut Möllers durch die lebendige Darstellung und den entschlossenen Deutungswillen, hat das Buch aber auch seine Mängel, wie der Rezensent erklärt. Diese liegen für Möllers in der methodischen Ungenauigkeit betreffend die Auswertungskriterien, mit denen Hodenberg ihre Quellen behandelt, sowie in der stilistischen Uneinheitlichkeit. Dass der Text mal quellennah das Bonner Universitätsmilieu darstellt, um dann im Ton eines kritischen Literaturberichts Einseitigkeiten der historischen Debatte aufzuarbeiten, findet er gewagt. Die These vom Generationenkonflikt um den Nationalsozialismus vermag ihm Hodenberg allerdings ebenso glaubhaft zu widerlegen wie die Vorstellung, '68 sei allein Sache der Männer gewesen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.03.2018

Christina von Hodenbergs Buch stellt für Wolfgang Hellmich eine Sensation dar. Die 68er Revolte als Gesellschaftsgeschichte der Mikroprozesse zu schreiben, erscheint ihm mutig, die von der Autorin herangezogenen Quellenfunde indes schlagend: 3600 Stunden Gespräche mit "einfachen" nicht-akademischen Menschen verschiedenen Geschlechts und Alters. Hodenbergs Befunde: Frauen haben 68 wesentlich getragen, einen Generationenkonflikt gab es nicht, die Elterngeneration trug viele Anliegen der Kinder mit, die sexuelle Liberalisierung begann schon Anfang der 60er! Dass die Autorin zugleich die Wahrnehmungsweisen infragestellt, den Tunnelblick der Medien und der Wissenschaft, mag laut Hellmich als übertrieben empfunden werden, doch als Beitrag zur Methodenethik taugt es allemal, meint er, und es sensibilisiert den Leser.