Daniel Jonah Goldhagen

Die katholische Kirche und der Holocaust

Eine Untersuchung über Schuld und Sühne
Cover: Die katholische Kirche und der Holocaust
Siedler Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783886807703
Gebunden, 356 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Friedrich Griese. Daniel Jonah Goldhagen nimmt die Auseinandersetzungen um Pius XII. zum Anlass, die Haltung der gesamten katholischen Kirche zur Zeit des Holocaust einer längst überfälligen, kritischen Untersuchung zu unterziehen: Er zeigt, dass die Kirche und der Papst tiefer in den Verfolgungsprozess verstrickt waren, als man bisher angenommen hat. Die Kirchenführer waren über die Verfolgung der europäischen Juden genau informiert. Doch anstatt öffentlich dagegen Stellung zu beziehen und zum Widerstand aufzurufen, unterstützten sie die Verfolgung in vielerlei Hinsicht. Einige Kleriker beteiligten sich sogar am Massenmord. Ausgehend von der historischen Untersuchung, wendet sich der Autor der zentralen Frage von Schuld und Sühne zu: Wie verhält sich die katholische Kirche, die moralische Instanz schlechthin, zu ihrer Verstrickung in den Holocaust?

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2002

Matthias Drobinskis Ärger scheint mit jeder Seite des Buchs gewachsen zu sein. Goldhagen biege sich für seine These - dass nämlich die katholische Kirche konsequent und von Anfang an antisemitisch eingestellt gewesen sei - sämtliche Fakten zurecht. Zwar gibt der Rezensent dem amerikanischen Autor in der Einschätzung, die Geschichte der katholischen Kirche im Nationalsozialismus sei eine "Geschichte der Schuld", durchaus recht. Doch das hat man schon aus anderen Büchern erfahren, die mit ihrem Gegenstand differenzierter umgegangen sind, moniert Drobinski. Er zählt Beispiele für die vielen "Halbwahrheiten" des Buchs auf, die am Ende immer nur den "mörderischen Antisemitismus" der katholischen Kirche belegen sollen. Mit diesem Buch, schreibt Drinski, nun sichtlich in Rage, schadet der Autor nicht nur allen, die seriös gegen alle "Schönfärbereien" der katholischen Kirche arbeiten, sondern auch der "Aufklärung" schlechthin.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2002

Daniel Jonah Goldhagen "unterzieht den Katholizismus einer 'moralischen Prüfung'", und der Rezensent Hanno Helbling fragt sich, inwiefern das "bahnbrechend" sein soll. Im Gegenteil. Goldhagen stehe in einer Tradition, die von Gunther Lewy bis zu John Cornwell reiche. Davon abgesehen vermisst Helbling ein "systematisches Quellenstudium": Die Zitate aus der "Primärliteratur" seien der "Sekundärliteratur" entnommen, und es fehlten größtenteils "direkte Zeugnisse". Auch dass Goldhagen in seiner Schuldzuweisung ausschließlich die Versäumnisse der Amtskirche im Blick hat, als wären die Katholiken deren ethische Mündel, findet Helbling seltsam. Als "Sühneleistung", so der Rezensent, fordert Goldhagen von der Kirche eine "Absage" an die "christliche Bibel", aufgrund antisemitischer Passagen in den Evangelien, doch "ignoriere" er damit einerseits die "geschichtlichen Umstände" und lasse andererseits die neuesten Textauslegungen völlig außer Acht. Goldhagens absoluten, über jegliche Kontingenz erhabenen Moralanspruch hält Helbling für äußerst fragwürdig. Aus Goldhagens Haltung, ein Abtun aller bereits geleisteten - und ihm bekannten - Analysebeiträge, kann der Rezensent eigentlich nur das Bestreben herauslesen, aus einer "Anklage" ein "Urteil" zu machen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

Eine etwas grämliche Besprechung des neuen Goldhagen-Buches hat Jan Ross hier vorgelegt. Es sind die üblichen Vorwürfe, die schon gegen "Hitlers willige Vollstrecker" angeführt wurden: kein eigenes Quellenstudium, nichts Neues, Originelles habe der Autor geleistet. Über die Verfehlung, oder "Feigheit" von Papst Pius XII scheint Ross schon alles zu wissen und wehrt sich gegen Goldhagens These, sie sei auf den Jahrthunderte währenden Antisemitismus der Kirche zurückzuführen gewesen. Auch empfindet er die Vorschläge des Autors für eine "Bibelrevision", also "Säuberung des Neues Testaments von anstößigen Stellen" eher als kurios und belegt so den Eindruck, Goldhagen sei eigentlich nicht recht ernst zu nehmen. "Im Buch herrscht ein ausgeprägtes Klima der Rechthaberei", urteilt er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.09.2002

Daniel Jonah Goldhagen hat mit diesem Buch eine Fortsetzung über den "eliminatorischen Antisemitismus" geschrieben, findet Dagmar Pöpping. Nur, diesmal geht es nicht mehr um die Deutschen, sondern um die Verantwortung der katholischen Kirche für den Holocaust. Dass die Kirche in die Verfolgung und Vernichtung der Juden verstrickt gewesen ist, hält die Rezensentin für alles andere als neu. Neues Material wolle der Autor aber auch gar nicht unbedingt präsentieren, berichtet Pöpping, vielmehr wolle er eine "Moraldebatte" anstoßen. Seine Argumentationen seien entsprechend "emotional", aber auch durchaus "einleuchtend", meint die Rezensentin, ärgert sich aber über Stil und moralischen Unterton. Keine Suggestivfrage werde hier ausgelassen, der Text sei redundant, polemisch und an manchen Stellen "unerträglich pädagogisch" - wenn nicht gar selbst "quasi-religiös", so Pöpping - zumindest da, wo Goldhagen ein Loblied auf die amerikanische Demokratie anstimme. Schön wäre aber trotzdem, hofft die Rezensentin, wenn dieses Buch neben einer "Vatikan-Debatte" noch eine viel grundsätzlichere anstoßen könnte, nämlich eine über die Verantwortung der Religion für "ideologisch motivierte" Verbrechen.