Daniel Kehlmann

Die Vermessung der Welt

Roman
Cover: Die Vermessung der Welt
Rowohlt Verlag, Reinbek 2005
ISBN 9783498035280
Gebunden, 304 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts machen sich zwei junge Deutsche an die Vermessung der Welt. Der eine, Alexander von Humboldt, kämpft sich durch Urwald und Steppe, befährt den Orinoko, kostet Gifte, zählt Kopfläuse, kriecht in Erdlöcher, besteigt Vulkane und begegnet Seeungeheuern und Menschenfressern. Der andere, der Mathematiker und Astronom Carl Friedrich Gauß, der sein Leben nicht ohne Frauen verbringen kann und doch in der Hochzeitsnacht aus dem Bett springt, um eine Formel zu notieren - er beweist auch im heimischen Göttingen, dass der Raum sich krümmt. Alt, berühmt und ein wenig sonderbar geworden, treffen sich die beiden 1828 in Berlin.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.10.2005

Glühende Begeisterung spricht aus den Anmerkungen des Rezensenten Martin Krumbholz zu Daniel Kehlmanns Roman um "Wissenschaft, Ruhm und seinen Preis". In zwei parallelen Erzählsträngen, die sich nur am Anfang und am Ende berühren, nähere sich Kehlmann zwei Größen der Wissenschaft, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten: Bei allen Unterschieden, so der Rezensent, haben die beiden Koryphäen Gauss und Humboldt jedoch eines gemeinsam, nämlich den zwanghaften und mitunter belastenden Drang zum Faktischen und die "Ablehnung des Fiktiven, des schönen Scheins". Bemerkenswert findet der Rezensent, wie angemessen die Erzählhaltung des gerade einmal 30-jährigen Autors ist: Er verstehe sich darauf, diesem "Duo der Weltkenntnis und der Weltfremdheit" den gebührenden Respekt zu erweisen, ohne gleich vor ihm in die Knie zu gehen. Kehlmanns "fast dokumentarische Akribie" und sein "Sinn für hübsche Erfindungen" wie seine zunächst unscheinbar wirkende "hochartifzielle Erzählkunst" machen diesen Roman in den Augen des Rezensenten zu einem "exquisiten Lesevergnügen".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.10.2005

Daniel Kehlmann hat zwar eine "lehrreiche Doppelbiografie", aber "für seine Fähigkeiten zu wenig" geschrieben, bedauert Rezensent Hubert Winkels. Der Autor verbindet in seinem aktuellen Roman die Lebenswege von Alexander von Humboldt und dem Mathematiker Carl Friedrich Gauß und stellt deren Versuche gegenüber, den Kosmos zu erkennen. Gerade Humboldt eigne sich "vorzüglich" als Romanfigur, findet der Rezensent. Schließlich sei er eine der im Hinblick auf "Stoff, Farbe und Exzentrik" am besten ausgestatteten historischen Figuren. Hier lobt der Kritiker des Autors Sinn für die richtigen Geschichten: Knappe Sätze, "präzise" Szenen und dennoch viel Information zeigten, dass ihm die "Reduktion" des Materials gelungen sei. Etwas "befremdlich" kommt dem Rezensenten dagegen der totale Verzicht aufs "Metaphysische" vor, dem sich Kehlmann in früheren Werken noch so gern gewidmet habe. Er bleibe immer "nah an den Lebensläufen" und damit "unterhaltsam und klug". Und doch: Ein wenig mehr Einblick in die Zusammenhänge der mathematischen wie kulturellen "Erkenntnisproduktion" wäre schön gewesen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.09.2005

Martin Lüdke haut auf die ganz große Pauke und beschreibt Daniel Kehlmanns Buch als einen perfekten Roman: thematisch von großem Interesse, klug, geistreich, sehr spannend, mit höchster Souveränität erzählt. Genial. Ein "Abenteuerroman", der "auf den Bergspitzen der Anden und den Höhen des Geistes" spielt, in dem zwei herausragende Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts - Gauß und Humboldt - als Protagonisten auftreten, ohne dass ein lediglich veranschaulichender historischer Roman oder ein Theoriestück daraus wird. Denken, schreibt Lüdke, "wird in Handlung übersetzt". Und die Genies sind nicht nur Abenteurer, sie sind zugleich "arme Schweine", weil sie die Aufklärung vorantreiben, aber auch erleben, wie ihre Hoffnung, damit automatisch für gesellschaftlichen Fortschritt zu sorgen, enttäuscht wird. Davon, so Lüdke, erzählt Kehlmann, ohne die Deutungskeule zu schwingen; der Roman bleibt geschmeidig, gemessen und humorvoll. Fazit: das "Alterswerk eines jungen Schriftstellers".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.09.2005

Ijoma Mangold gerät nach der Lektüre dieses seiner Beschreibung nach auf lakonische Art zutiefst unterhaltsamen Romans ins Schwärmen. Den Autor Daniel Kehlmann bezeichnet er als "die größte Begabung der jüngeren deutschen Literatur", sein Roman ist nach Meinung des Rezensenten "der komischste deutsche Roman dieses Jahres" - und das liegt nicht daran, dass es in dem Bereich kaum Konkurrenz gibt. Besonders gefällt dem Rezensenten, wie brillant Kehlmann mit guten Ideen umgeht, und er bewundert die virtuose Ökonomie seiner Pointensetzung. Wie auch in seinen früheren Roman geht es in dieser Geschichte über Humboldts Expeditionsfahrt im Amazonas um Wissenschaft. Die ist "immer an einer Grenze angesiedelt, wo sie vom Medium der Transparenz und Rationalität ins metaphysisch Irrsinnige umzukippen droht", und das sorgt nach Mangolds Meinung für große Momente.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.09.2005

Mit Begeisterung hat Rezensent Sebastian Domsch diesen "hervorragenden" Roman von David Kehlmann gelesen. Der Autor erzähle von einem Treffen zwischen Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß anlässlich des Deutschen Naturforscherkongresses in Berlin im Jahre 1828 und bette darin eine Schilderung ihres Lebens und ihrer Arbeit ein. Domsch hebt lobend hervor, dass Kehlmann keine Heldenverehrung betreibt, sondern vielmehr einen "ironisch-kritischen" Blick auf die diese beiden Glanzlichter deutschen Geisteslebens wirft, die bei ihm eher als unangenehme Typen erscheinen. Dabei geht es dem Autor nach Ansicht des Rezensenten um mehr, als seine berühmten Protagonisten der Lächerlichkeit preiszugeben. Wesentlicher erscheint ihm Kehlmanns spielerischer Umgang mit dem "Kontrast zwischen einem sich objektiv gebenden Weltbild historischer und wissenschaftlicher Fakten auf der einen Seite, und der subjektiven Perspektive des Romanciers auf der anderen". Die Einheit der beiden Romanbiografien sieht Domsch über das Zusammentreffen Humboldts und Gauß' hinaus durch die Frage nach dem Verhältnis von Geist und Raum gewährleistet. In diesem Zusammenhang erläutert er Gauß' und Humboldts unterschiedliche Positionen bei der Vermessung von Räumen, eine rationalistische auf der einen, eine empirische auf der anderen Seite, die sich auch in deren Lebensweise manifestiert habe. Eine Vereinigung der empirischen und der rationalen Vermessung der Welt könne indes nur die Einbildungskraft des Schriftstellers leisten, und dieses Verdienst schreibt der Rezensent dem Autor zu.