Esther Kinsky

Schiefern

Gedichte
Cover: Schiefern
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518429211
Gebunden, 103 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Schiefer, dem vielgestaltigen, wandlungsfähigen Sedimentgestein, und den Slate Islands, einem kleinen Archipel vor der Westküste Schottlands, ist Esther Kinskys neues Buch gewidmet. Jahrhundertelang wurde auf jenen zu den Inneren Hebriden gehörenden Inseln Schiefer abgebaut, und tief geprägt sind sie von der vor vielen Jahrzehnten schon aufgegebenen Intensivindustrie, die eine bizarre Landschaft der Trümmer und gefluteten Steinbrüche hinterlassen hat.Die Gedichte und kurzen Prosatexte dieses dreiteiligen Bandes erkunden Fragen der geologischen Frühgeschichte und der Definitionen des metamorphischen Gesteins der Inseln, widmen sich der Flora und den Vögeln in einer Gegend der Unwirtlichkeit und streifen, ausgehend von einem alten Schulfoto, die Geschichte der in die harte Arbeit des Schieferabbaus eingebundenen Menschen. Parallel zu den Natur- und Geschichtserkundungen setzen sich die Texte mit der menschlichen Erinnerung auseinander, die ein ähnlicher "Metamorphit" ist wie der Schiefer, ein Schichtwerk in Bewegung, unvorhersehbaren und schwer nachvollziehbaren Wandlungen unterworfen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 29.06.2020

Rezensentin Marie Luise Knott würdigt diesen Gedichtband von Esther Kinsky mit einem großen Aufsatz über Lyrik, Sprache und Natur. Sie schlägt weite Bögen und geht dabei vom "Tryptichon" der Schiefern-Gedichte aus - der Ankunft auf der Insel, einer Kinderfotografie aus industrieller Zeit und der Abfahrt. Knott zitiert in ihrer Besprechung auch Dichter wie Thomas Kling oder Künstler wie William Kentridge. Schlüsselwörter der Kritikerin sind dabei "Forschung und Expedition". Dies nämlich sei Kinskys Schreiben, das Schreiben in lyrischer Form ohnehin, ein Erforschen nicht nur eines Gegenstandes - wie hier etwa des Schiefergesteins und Schieferabbaus auf den Slate Islands -, sondern auch von Sprache und ihrer Geschichte. Beides sei der Nutzung durch den Menschen ausgesetzt, beides bilde Schichten, die unter industriellen und anderen Umständen durch Sprengung gebraucht, erforscht und neu gebraucht werden, so Knott. Ein anderes Schlüsselwort ist für die Kritikerin deshalb auch "Erinnerung" -  die Erinnerung der Nutzung von Landschaft und Sprache, daher also Kindheit und tiefe und individuelle Bedeutung. Vielleicht sei das Schreiben Esther Kinskys tatsächlich Naturlyrik in einem neuen Sinne, findet die hoch beeindruckte Kritikerin. In jedem Fall aber, schließt sie, sei es "große Kunst".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.06.2020

Angelika Overath entdeckt vielerlei dichterische Ansätze und Ausformungen um das Motiv des Schiefers in Esther Kinskys Gedichtband. Von Overath verstanden als "Benennungsarbeit am Rand des Verschweigens" in der Tradition der Naturdichtung bietet ihr der Band Szenisches und Sachkundliches über die Schieferinseln, das Schiefergestein, das die Autorin mit dem Gehirn "engführt", aber auch sich erinnernde Kinderstimmen als "Stein-Elegien" sowie eine Auseinandersetzung mit Schiefertafeln und dem Wesen des "dichterischen Ich-Kristalls". Nicht zuletzt begreift die Rezensentin die Texte als Klagelieder um eine "versehrte Landschaft" und ein "verschwundenes Du".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.04.2020

Sehr beeindruckt von der Sprache der Autorin ist Rezensent Wolfgang Hottner in seiner ausführlichen Besprechung. Mit großer Bereitschaft, es auch mit diesem so steinigen Boden, dem Anorganischen im Bereich des deutschen "Nature Writing", wie er sagt, aufzunehmen, betritt er die schottischen Schieferinseln, aus deren Erleben sich dieser Band ergeben hat. Am wenigsten scheint ihm dabei der zweite Teil überzeugt zu haben, in dem die Autorin den Geistern von Kindern eine Stimme gibt, denn wo einmal Schiefer abgebaut wurde, gab es auch Arbeiter und ihre Familien. Hottner assoziiert mit diesem Chor aus der Zeit der Industrialisierung eher "Untote" - und man versteht nicht recht, ob er hier das Mitgehen verweigert oder diesen Teil einfach nicht überzeugend findet. Sprachlich allerdings, so der Kritiker, ist der Band "bisweilen grandios".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 28.03.2020

Dem hier rezensierenden Dichter Nico Bleutge gefallen Esther Kinskys neue Gedichte über die Schieferinseln vor Schottland am besten, wenn die Autorin sich metaphorisch-spielerisch mit Pflanzen- und Gesteinsnamen befasst oder die Sprache schichtet wie Stein. Die postindustrielle Landschaft um die Schiefergruben und auch die "Leitfossilien" der Schrifttierchen kann Kinsky laut Rezensent sprachlich fruchtbar machen. Dass die Autorin allzu oft die "Lesbarkeit der Landschaft" bemüht, fällt ihm ebenso auf wie der Umgang mit großen Begriffen, wo es eigentlich "nichts zu deuten" gibt.