Francis Fukuyama

Identität

Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet
Cover: Identität
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2019
ISBN 9783455005288
Gebunden, 240 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Bernd Rullkötter. In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der demokratischen Staaten weltweit erschreckend schnell zurückgegangen. Erleben wir gerade das Ende der liberalen Demokratie? Der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama sucht in seinem neuen Buch nach den Gründen, warum sich immer mehr Menschen antidemokratischen Strömungen zuwenden und den Liberalismus ablehnen. Er zeigt, warum die Politik der Stunde geprägt ist von Nationalismus und Wut, welche Rolle linke und recht Parteien bei dieser Entwicklung spielen, und was wir tun können, um unsere gesellschaftliche Identität und damit die liberale Demokratie wieder zu beleben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.03.2019

Cornelia Koppetsch wird nicht froh mit Francis Fukuyamas Versuch, den Wechsel der Politik zu Identitätsfragen mit einem Würdedefizit bei prekären Teilen der Bevölkerung zu erklären. Wenig überzeugend findet sie bei genauerem Hinsehen, dass der Autor Klassenpolitik gegen Identitätspolitik ausspielt und die Unterschiede zwischen Rechts und Links kassiert, wenn er nach den Bedingungen sucht, unter denen Mangel an Würde durch nationalistische Bewegungen funktionalisiert wird. Auch Fukuyamas Idee, größere, einheitlichere nationale Identität zu schaffen, um partikuläre Identitäten zu ersetzen, scheint Koppetsch nicht praktikabel.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.03.2019

Thomas Ribi liest das neue Buch von Francis Fukuyama mit Erkenntnisgewinn. Wenn der Politikwissenschaftler nach Gründen für das Erstarken von Autokratien sucht, den Begriff der Würde ins Zentrum seiner Überlegungen stellt und mit Identitätspolitik von rechts und links abrechnet, findet Ribi das zwar nicht neu, er kann Fukuyamas Essay aber noch mehr abgewinnen. Den Vorschlag des Autors, Zivildienst für alle und eine staatliche "Bekenntnisidentität" jenseits von Identitäten zu schaffen und Migranten miteinzubinden, findet er nachvollziehbar als Teil einer Vision von einem liberalen Staat.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.02.2019

Es ist in Maria-Sibylla Lotters Kritik nicht immer ganz klar, was als eigenständiger Essay zu Fukuyamas Thematik und was als Aussage zu seinem Buch gelten soll. Klar ist aber, dass Lotter (ihres Zeichens Professorin für Ethik und Ästhetik in Bochum) Fukuyama in vielen Punkten zustimmt, wie sie vor allem gegen Ende ihrer ausführlichen Kritik darlegt: Fukuyamas Einlassungen zu "Identitätspolitik" seien zwar nicht immer ganz neu, aber er zeige sehr gut die internationale Dimension des Phänomens auf. Besonders gut beschreibt Fukuyama für Lotter, wie Opfernarrative vom Diskurs der politisch-kulturellen Linken auch nach rechts gewandert sind - Rechtspopulisten reklamieren für sich heute mit ähnlichen Argumenten Opferidentiäten und den damit verbundenen Anspruch auf eine höhere Moralität, wie es zuvor bestimmte gesellschaftliche Gruppen und sympathisierende Linke für sich entwickelt hätten, paraphrasiert Lotter. Daraus habe sich eine veritable "Opferolympiade" entwickelt, die die verbindenden Werte, ohne die Demokratien nicht existieren können, unterminierten. Insgesamt gibt Lotter eine eindeutige Leseempfehlung.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.02.2019

Auch Thomas Steinfeld betont zu Beginn seiner Rezension - wie es ja eigentlich jeder tut, der über Fukuyama schreibt -, wie sehr sich der Autor des Buchs mit seiner Rede vom "Ende der Geschichte" geirrt habe. Fukuyama, legt Steinfeld dar, habe in seiner berühmten Schrift nach dem Mauerfall auf eine verkürzende Hegel-Lektüre Alexandre Kojèves zurückgegriffen, besonders auf dessen Lektüre des Herr-und-Knecht-Abschnitte in Hegels "Phänomenologie". Mit seiner neuen Buch kann sich Fukuyama in den Augen Steinfelds ebenfalls nicht retten. Auch hier wieder ein verkürzender Rückgriff auf Hegel, dessen Ingredienzen Fukuyama zu einer "Schlacht der Phantome in spukhaftester Gestalt" antanzen lasse. Das Problem identitärer Diskurse, über die Fukuyama hier nachdenkt, erscheint Steinfeld dabei sekundär. Besonders Fukuyamas pragmatische Vorschläge, um die Identitätsdiskurse einzudämmen, ernten Steinfelds Spott.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.02.2019

Arno Widmann stellt erst einmal klar, dass Francis Fukuyama nie das Ende der Geschichte proklamiert hat, sondern höchstens das Ziel erreicht sah, demzufolge Konflikte um Anerkennung in Freiheit und Gleichheit ausgetragen werden können. Fukuyama sei ein Liberaler und Hegelianer, betont Widmann, kein auftrumpfender Chauvinist. Und deswegen liest der Rezensent auch zustimmend, dass Anerkennung Fukuyama zufolge bedeute, dass man anderen das Recht zubillige, an der Gestaltung der Gesellschaft mitzuwirken. Widmann verrät allerdings nicht, ob Fukuyama das auf Individuen oder Gruppen bezieht. Gefallen lässt sich der Rezensent jedenfalls auch den typischen Fukuyama-Sound, der große Schneisen durch die Geschichten schlägt, vom Englischen Bürgerkrieg im 17. Jahrhundert zum Polen des Jahres 2018 etwa. Das Staatsragende und das mitunter unfreiwillig Komische verzeiht er Fukuyama gern.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 05.02.2019

Jochen Trum sieht das Verdienst Francis Fukuyamas vor allem darin, in seinem Buch Theorien zu Anerkennung, Identität und Leitkultur von Platon über Hegel bis Bassam Tibi zusammenzudenken und verständlich und anschaulich zu vermitteln. Wie der Politikwissenschaftler hier Nationalismus, Brexit, Trump und autokratische Entwicklungen in Osteuropa analytisch auf individuelle und kollektive Identitätsbestrebungen zurückführt, findet Trum lehrreich. Besonders interessant scheinen ihm Fukuyamas Ausführungen zur neueren Politik der USA, zur Lage im Nahen Osten sowie zur Leitkultur-Debatte.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 05.02.2019

Arno Orzessek ist kein Freund von Francis Fukuyama. Schließlich habe dieser in seinem berühmten Werk "End of History" verkündet, es gebe für die liberale Demokratie keinen weiteren Forschritt in Entwicklung. Dabei gebe es Rückschritte! Aber auch dem neuen Buch kann der Rezensent nicht viel abgewinnen. Der Linke die Identätspolitik vorzuwerfen, findet Orzessek einen alten Hut. Andere machten das außerdem differenzierter. Und dass Fukuyama dann auch noch ein Loblied auf den Nationalstaat singt, kann der Rezensent gar nicht mehr ernst nehmen.ident

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 02.02.2019

Rezensent Marc Reichwein hält Francis Fukuyamas neues Buch für wichtig, auch wenn der Autor sich darin ausgiebig selbst zitiert. Wieso? Weil Fukuyama dem Begriff der "Leitkultur" neue Seiten abgewinnt, meint Reichwein. Wie der Autor das Problem der von den Rechtspopulisten gekaperten Identitätspolitik schildert und den Linken Versagen attestiert, findet er schon mal lesenswert. Wenn Fukuyama dann den westlichen Demokratien den Rat erteilt, mittels Leitkultur nationale Identitäten zu definieren, weiß Reichwein, wie weit solche Ideen vom Verfassungspatriotismus a la Habermas und von Friedrich Merz entfernt sind und wie nah sie der Leitkultur bei Bassam Tibi kommen. Nur: Wer erklärt das den Identitären?, fragt sich der Rezensent.