Francois Emmanuel

Der Wert des Menschen

Roman
Cover: Der Wert des Menschen
Antje Kunstmann Verlag, München 2000
ISBN 9783888972447
Gebunden, 100 Seiten, 15,24 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Leopold Federmair. Simon, Betriebspsychologe in einem multinationalen Konzern, ist Fachmann für "menschliche Ressourcen". Sorgfältig erstellt er Personaldossiers, hält Führungsseminare ab, und die kürzlich abgeschlossene Umstruktierung der Firma wäre ohne seine "Evaluierungskriterien" nicht so reibungslos verlaufen. Doch dann wird ihm von dem deutschen Firmenchef Karl Rose ein delikater Auftrag anvertraut: diskret ein Dossier seines Direktors Mathias Just anzufertigen, dessen psychischer Gesundheitszustand offenbar zu wünschen übrig lässt. Gibt es Gründe für Justs sonderbares Benehmen, oder ist alles nur eine Intrige zwischen den Firmenleitern? Im Lauf von Simons Ermittlungen tauchen bald verwirrende Fährten auf ? Lebensspuren, die weit in die deutsche Vergangenheit zurückreichen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.12.2000

Hans-Peter Kunisch ist zunächst ziemlich begeistert von diesem Roman, der eine "klassische Angestelltengeschichte" erzählt, die, weil das Sujet so selten ist, eben "gar nicht so klassisch" ist. Enthusiastisch lobt er die Erzählweise des belgischen Autors, der - aus der Perspektive eines Psychologen - von einem leitenden Angestellten erzählt, dessen Rationalisierungsmaßnahmen ein Drittel der Arbeiter arbeitslos gemacht hat und dem es "schlecht geht". Im ersten Teil, so der Rezensent beeindruckt, hält Emmanuel strikt am "sachlichen Ton" fest und vermeidet es sowohl "aufzubauschen" wie "abzuwiegeln", wobei er lediglich mit subtilen Mitteln seine "Signale" setze. Auch der zweite Teil gefällt dem Rezensenten. Er findet die Parallelen, die der Autor in seiner Geschichte zum Faschismus zieht, plausibel und die Dramaturgie "geschickt". Allein im letzten Teil des Romans erkennt Kunisch "erzähltechnische Fehler", hier, bemängelt er, fängt der Autor an, mit dem Zaunpfahl zu winken, was aber seiner Ansicht nach dennoch das Verdienst des Buches nicht nachhaltig schmälern kann.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.12.2000

Nicht grundsätzlich verwerflich findet der Rezensent Michael Schmitt den Versuch Emmanuels, die Methoden des nationalsozialistischen Massenmords mit neuesten Vorschriften effizienter Betriebsführung in Verbindung zu bringen. Nur sei Emmanuel in seinem Roman an dieser heiklen Aufgabe kläglich gescheitert. Alle Abgründe, so Schmitt, meidet der Autor gerade, auch sprachlich scheint das ganze wenig erfreulich. Die Figuren kommen wie "abgedroschene Gothic-Novel-Figuren" daher und die eigentliche Probe aufs angezielte Exempel, die Vermischung "von Nazi-Duktus und Evaluationsjargon", verweigere der Roman. Hier, findet der Rezensent, "klafft also die größte Lücke". Letztlich fällt kein gutes Wort in dieser Rezension, zwei böse noch: der Roman sei so "substanzlos wie schlagzeilenträchtig" und der Vergleich mit Goldhagen ist auch nicht freundlich gemeint.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2000

Ziemlich misslungen und ohne "Esprit" findet Rezensentin Sacha Verna den Versuch François Emmanuels, sich an "Holocaust und Kapitalismuskritik" abzuarbeiten. Emmanuel, der die Geschichte des Betriebspsychologen Simon erzählt, der in ein moralisches Dilemma gerät und eine Läuterung durchläuft, winkt in dieser Geschichte nach Meinung von Verna ziemlich plump "mit dem Zaunpfahl". Die Keule, die der Erzähler schwingt, bleibt jedoch ohne Wirkung auf den Rezensenten, der behauptet, die Geschichte "gleicht einem Souflé, das durch die Ofentür hübsch aussieht, und, kaum ist es draußen, rettungslos in sich zusammenfällt". Verna kritisiert, dass der Autor die Wirkungsmechanismen der Sprache des Kapitalismus verkennt und deshalb falsch an die Thematik herangeht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.10.2000

Bewundernd spricht Christian Semler zunächst von der virtuosen Konstruktion dieses Romans, in dem ein Betriebspsychologe vom Vizechef eines internationalen Konglomerats aufgefordert wird, den deutschen Oberboss auszuforschen, der seit einiger Zeit einige Verhaltensmerkwürdigkeiten an den Tag legt. `Glänzend` findet Semler, wie Emmanuel die Suche des Psychologen schildert und wie er die tiefe Verunsicherung des großen Managers schildert, der von einem Erpresser mit der Nazi-Vergangenheit seines Vaters konfrontiert wird. Was Semler aber ganz und gar nicht gefällt, ist die Überblendung von Nazi-Dokumenten, die sich mit der technischen Seite des Mords an den Juden befassen, mit der modernen Manager-Prosa der Menschenführung. Selbst wenn es Parallelen in diesen verdinglichten Sprachen gebe, so Semler, sei es doch extrem problematisch, hier ein `semantisches Gleichheitszeichen` zu setzen. Nach Semler liegt dieser Gleichsetzung die falsche, aber nicht seltene Behauptung zugrunde, dass der Nazismus eine Perversion des Kapitalismus ist.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.09.2000

Herbert Marcuse, Gudrun Ensslin und Dolf Sternberger (Das Wörterbuch des Unmenschen) zitierend setzt sich Ulrich Greiner mit der "Provokation", wie er schreibt, dieses Buches auseinander. Für ihn hat der Autor "spannend und plastisch" dargestellt, wie der für den Kapitalismus zugerichtete Mensch - offenbar immer mehr die "Züchtungsfantasien des Nationalsozialismus" mit anderen Mitteln fortsetzend - ungerührt "über Leichen geht", die er gar nicht bemerkt. Chef, Vizechef und Betriebspsychologe eines Unternehmens finden sich in Rollen wieder, die jeweils auf ein Mitmachen hinauslaufen, das vollkommen harmlos nur der Effizienz und nicht etwa finsteren Mächten gehorcht. Aber wie finster gerade diese Macht ist, findet Greiner bei Marcuse vorgedacht, nämlich dass der "beunruhigendste Aspekt" der "fortgeschrittenen industriellen Zivilisation" gerade der vernünftige Charakter ihre Unvernunft ist. In Handlung und Darstellung findet Greiner dies in Emmanuels Roman, den er "mit wachsender Beklommenheit" gelesen hat, aufs Beunruhigendste ausgedrückt.