Georges Lefebvre

Napoleon

Cover: Napoleon
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003
ISBN 9783608943412
Gebunden, 622 Seiten, 29,50 EUR

Klappentext

Autorisierte Übersetzung aus dem Französischen, bearbeitet und herausgegeben von Peter Schöttler, mit einem Nachwort von Daniel Schönpflug. Georges Lefebvres Darstellung Napoleons und seiner Zeit gilt als "klassische" und ausführlichste Biografie des großen Korsen. Der Autor erzählt nicht nur die militärischen und politischen Ereignisse, sondern beleuchet auch die sozialen und ökonomischen Aspekte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.06.2003

Normalerweise unterliegt die historiografische Aussage dem Fluch der Verzeitlichung, der Gebundenheit des eigenen historischen Standpunktes, meint Johannes Willms. Deshalb, frohlockt er weiter, komme die Historiografie auch nie an ihr so oft propagiertes Ende, da jede Zeit neue Fragen an die alte Zeit entwickle. Selten, langer Rede kurzer Sinn, seien darum die Werke, die wie Georges Lefebvres "Napoleon" die 70 Jahre seit Erscheinen einfach so ignorieren könnten. Das liegt unter anderem daran, meint Willms, dass es sich um mehr als eine "Napoleon"-Biografie handelt; es stelle vielmehr ein historisches Handbuch für die Epoche von 1799 bis 1815 dar, worin naturgemäß viel Napoleon vorkäme. Lefebvres distanzierte Haltung zu dem Nationalhelden erlaube ihm einerseits ein sehr prägnantes Porträt des Protagonisten zu zeichnen und andererseits seine politischen Errungenschaften zu relativieren. Gerade das Napoleon vorangegangene Direktorium in der Spätphase der Revolution habe Vorarbeiten für Reformen in der Verwaltung beispielsweise geleistet, stellt Willms fest, die Napoleon dann bald als eigene Leistungen ausgegeben habe. Lefebvre sei einem aufgeklärten Marxismus verpflichtet, der ihn dem typischen französischen Entweder-für-oder-gegen-Napoleon enthoben habe. Im übrigen würden seinen Aussagen von der heutigen Napoleon-Forschung nur bestätigt, schließt Willms.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.04.2003

Urs Hafner ist erstaunt, wie jung Lefebvres Studie auch heute noch wirkt; 1935 erstmals erschienen, habe sie "nichts von ihrer Gültigkeit verloren". Denn auch wenn die eine oder andere Erkenntnis mittlerweile überholt sei, so markiere das Buch doch den Beginn eines neuen Umgangs mit Napoleon: Er wurde nicht mehr dämonisiert oder in den Himmel gehoben, sondern in seinem Wirken im Kontext der politischen Strukturen seiner Zeit dargestellt, mit mehr als flüchtigen Seitenblicken auf Erkenntnisse der Soziologie, Psychologie und Geografie. So sei denn Lefebvres Klassiker auch eigentlich keine Biografie, sondern eine "politische Geschichte Europas, die im Spiegel von Napoleons Laufbahn und Herrschaft erzählt wird". Hafner gibt zu, dass das Buch aufgrund seiner Detailfülle manchmal schwer zu lesen ist, hält der Neuausgabe aber ihre "sprachliche Renovation" durch Peter Schöttler zugute, den er allerdings gelegentlich bei mangelhafter Sorgfalt ertappt haben will.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.03.2003

Volker Reinhardt hat einer "Text-Exhumierung" beigewohnt und fragt sich, ob die Leiche uns noch etwas zu sagen hat. Denn Lefebvres Napoleon-Biografie stammt aus dem Jahr 1935, und was damals revolutionär war - die Erkenntnis beispielsweise, dass Privates durchaus politisch ist - scheint ihm heute nicht mehr ganz taufrisch. Die heutige "Napoleonik" sei jedenfalls bei gänzlich anderen Interpretationen vom Leben des Korsen angelangt, darüber gebe der "lesenswerte" Essay Aufschluss, der die Wiederveröffentlichung kommentierend begleitet. Hielt nämlich Lefebvre Napoleon noch für einen gänzlich innovativen Diktator, der dem Bürgertum radikal den Weg ebnete, so erscheine er in der jüngeren Forschung als einer, der sich alten und neuen Eliten verpflichtet fühlte. "Daher", resümiert Reinhardt, "bleibt am Ende nur das melancholische Fazit, dass alle Geschichtswissenschaften nach einem Menschenalter wieder zur Quelle ihrer eigenen Zeit zerfällt" - und bedankt sich, vor Erschöpfung milde gestimmt, für diese bewährte Erkenntnis.