Gottfried Benn

Hernach

Gottfried Benns Briefe an Ursula Ziebarth
Cover: Hernach
Wallstein Verlag, Göttingen 2001
ISBN 9783892444886
Gebunden, 504 Seiten, 34,77 EUR

Klappentext

Mit 30 Abbildungen und mit Nachschriften zu diesen Briefen von Ursula Ziebarth und einem Kommentar von Jochen Meyer. Eine in Worpswede lebende junge Berlinerin übermittelte dem 68jährigen Gottfried Benn im Sommer 1954 am Telefon die Einladung, in Bremen aus seinem Werk vorzulesen. Benn antwortete mit einer Einladung zum Eisessen. Da war nicht abzusehen, dass er nur zehn Wochen später - in der Nummer 72 seiner hier erstmals veröffentlichten 252 Briefe an Ursula Ziebarth - der Adressatin zugeben würde, ihre Kollegen müssten denken: "die ist mit einem Irren verheiratet, der aus seiner Zelle immerzu schreibt." Der Leser wird Zeuge einer so heftigen wie zarten, immer spannungsvollen, oft tumultuarischen Liebe in Benns letzten beiden Lebensjahren.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.12.2001

Dieser Band von Briefen Gottfried Benns und besonders die "Nachschriften" von Ursula Ziebarth kommen bei Gerhard Schuster gar nicht gut weg: "Die vermeintliche Schatztruhe entpuppt sich bald als bloße Beziehungskiste." 252 Briefe hat Ziebarth zusammengetragen, aber sie habe kaum etwas Neues zu bieten, so der Rezensent. Dies liege daran, dass die Adressatin zwar den Mann, nicht aber den Schriftsteller verstanden habe, so dass dieser ihr wenig sein Werk Betreffendes geschrieben habe. Deutlich werde dies auch und vor allem in den "Nachschriften", die dem Autor in keinster Weise gerecht würden. Das vernichtende Fazit Schusters: Es handele sich hierbei um die "Egozentrik einer Gelegenheitsmuse, die ihre posthume Gleichstellung erzwingen" wolle.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.10.2001

Klaus Theweleit setzt sich sehr ausführlich mit der Frage auseinander, ob die posthume Veröffentlichung privater Briefe akzeptabel oder wünschenswert ist. Er findet die Herausgabe legitim, denn solche Briefe seien immer auch "unschätzbare Dokumente der Weltwahrnehmung und Selbstdarstellung" des Autors. Nach Ansicht des Rezensenten "wäre der Autor Benn ohne Briefe ein sehr halbierter". Die hier veröffentlichten Liebesbriefe von ihm und seiner über 30 Jahre jüngeren Freundin Ursula Ziebarth sind während seiner letzten beiden Lebensjahre Benns entstanden. Das Gros der Briefe beschäftige sich mit der Planung des nächsten (geheimen) Treffens und ähnlichem, und daran findet Theweleit überraschenderweise wenig Interessantes: "Sehr viel Bennsches Schlüsselloch, durch das ich nicht unbedingt hätte blicken wollen." Ein paar Hintergründe zu Benns literarischer Produktion, die er mit seiner Ziebarth besprochen hat, und Kommentare zu Schriftsteller-Kollegen seien zwar auch enthalten, aber eher am Rande. Zudem missfällt dem Autor die Art der Aufbereitung durch Ursula Ziebarth. Sie hat die Briefe - relativ unüblich für diese Art der Publikation - mit eigenen Kommentaren versehen, aber das anstrebenswerte Ziel "einer Kommentierung aus nächster Nähe und souveräner Distanz" ist ihr nach Theweleits Meinung nicht gelungen. Da ist für ihn zuviel verletzte Eitelkeit im Spiel: Ziebarth wolle mit den Briefen die Einzigartigkeit ihrer Beziehung dokumentieren: "Sichtlich leidet sie immer noch unter dem Status 'verheimlichte Frau', den er ihr aufzwang" glaubt Theweleit.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.10.2001

Kritisch widmet sich Hans Ulrich Treichel dieser Ausgabe des Briefwechsels zwischen Benn und seiner Geliebten, wobei sich die Kritik nicht nur auf den Gehalt, sondern auch auf die Form der Ausgabe bezieht. Der Briefwechsel ist mit Kommentaren von Ursula Ziebarth versehen, was Treichel für ein sehr fragwürdiges Verfahren hält, da der Briefwechsel somit nur einer Bewertung Ziebarths ausgesetzt sei, gegen die sich Benn in keiner Form mehr wehren könne. Zudem ist diese Problematik auch in den Herausgeberkommentaren nicht erwähnt, wie Treichel bemängelt. Ein weiteres Problem in diesem Briefwechsel sei, dass sich darin kaum etwas finde, "was das geistige Bild Benns signifikant erweitern würde". Dies liege allerdings auch in Benns Persönlichkeit begründet, von der einige Dimensionen seiner eigenen Aussage nach jedem, also auch Ziebarth, verborgen blieben, so dass sie dementsprechend auch in den Briefen an sie nicht auftauchen. Alles, was der Leser so aus dieser Ausgabe ziehen könne, seien einige weitere Details zum Menschen Benn, aber eben nicht mehr.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Die 252 bisher unveröffentlichten Briefe des 68-jährigen Dichters Gottfried Benn an seine 32-jährige Geliebte Ursula Ziebarth, aus der Zeit von 1954 bis kurz vor Benns Tod im Jahr 1956, sind für Rolf Michaelis eine große Entdeckung, denn sie zeigen Benn in "all seiner Liebesnot und Altersmüdigkeit", schreibt Rezensent Rolf Michaelis. Der Leser finde hier Vieles, was ihn Leben und Werk des Dichters besser verstehen lehre. Soweit das Gute. Doch dann ergeht sich Michaelis in Kritik: Die Edition, mit Nachschriften der heute 80-jährigen Ziebarth versehen, erscheint dem Rezensenten reichlich kurios: halb Erstveröffentlichung der Briefe, halb Autobiografie der letzten Geliebten, die sich damit selbst ein Denkmal setze. Aber wofür? fragt Michaelis. Die Nachschriften seien von einem eher geringen literaturhistorischen Wert, und Frau Ziebarths Schmähungen ob ihrer von Benn unverstandenen Liebe, Wiederholungen und zahlreiche Fehler haben den Rezensenten eher abgeschreckt. Präsentiert wird hier "ein aufgeschwemmt geschwätziges, teures Buch", das, so wird am Ende offenkundig, Michaelis eigentlich nicht empfehlen mag.