Hedwig Richter

Moderne Wahlen

Eine Geschichte der Demokratie in Preußen und den USA im 19. Jahrhundert
Cover: Moderne Wahlen
Hamburger Edition, Hamburg 2017
ISBN 9783868543131
Gebunden, 700 Seiten, 42,00 EUR

Klappentext

Freie Wahlen sind ein essenzielles Element jeder Demokratie. Doch wie ein Blick auf die Geschichte der Wahlen zeigt, ist das Verhältnis beider zueinander - und zum Volk als Hauptakteur - überaus zwiespältig und keineswegs selbstverständlich. Warum wählen wir? Warum haben sich politische Wahlen als das große Legitimationsmittel für Herrschaft durchgesetzt? Die Antwort scheint schnell gegeben: Wahlen ermöglichen den Menschen Freiheit und Gleichheit, und gegen alle Widrigkeiten haben Frauen und Männer sich immer wieder dieses Recht erkämpft und Demokratien errichtet. Hedwig Richters umfassend angelegte Historiografie des Wahlrechts und der Wahlpraxis rekonstruiert über den Vergleich von Preußen und den USA im 19. Jahrhundert die Geschichte der Demokratie anhand der Wahlen. Mit ihrem innovativen Ansatz, der nicht nur auf Ideen und Gesetzestexte schaut, sondern auch die Wahlpraxis in den Blick nimmt, hinterfragt sie die Erzählung vom großen Freiheitskampf des Volkes um die Einführung allgemeiner Wahlen. Die Autorin widerlegt die These vom anthropologischen Bedürfnis des Menschen nach Partizipation und politischer Verantwortung. Stattdessen verweist sie darauf, dass das Wahlrecht häufig von oben eingeführt und als Disziplinierungsinstrument der Herrschenden genutzt wurde. Der Fokus auf den konkreten Akt des Wählens erlaubt zudem einen neuen Blick auf die alte Frage, warum im Laufe des 19. Jahrhunderts zwar immer mehr Männer als "gleich" anerkannt wurden und sukzessive das Wahlrecht erhielten, die Gleichheit der Frau jedoch erst Jahrzehnte später gedacht werden konnte. Denn der Einsatz des Körpers und Vorstellungen vom (männlichen) Körper gestalteten wesentlich die Stimmabgabe mit. Was bedeuten diese Erkenntnisse für unsere Zeit? Demokratie ist kompliziert und alles andere als selbstverständlich. Wie historische und aktuelle Beispiele zeigen - so gegenwärtig im Irak und in Afghanistan - lässt sie sich nicht einfach modellhaft von außen installieren.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.09.2017

Florian Meinel staunt über den Detailreichtum und die Unterhaltsamkeit der Studie aus der Hand der Historikerin Hedwig Richter. Die Autorin zeigt ihm "radikal antinormativ" die andere Seite der Geschichte des Wahlrechts, in der sich laut Meinel das konkrete Legitimationsbedürfnis spezifischer Macht- und Herrschaftskonstellationen ausdrückt. Wie die Politik selbst, nicht so sehr Emanzipationsprozesse von unten das Wahlrecht formten, macht ihm Richter mit ihrer Schilderung von Praktiken des Wählens in den USA und in Preußen plausibel. Auch wenn sich Meinel mitunter einen genaueren Blick auf die Zusammenhänge zwischen Wahlkultur und Geschichte gewünscht hätte, überzeugt ihn der Band mit seinen umfangreichen Quellenstudien zu den Begleitumständen des Wählens: Betrug, Bestechung, Mord, Rassismus und Ausgrenzung.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.09.2017

Kurz vorm Wahlsonntag empfiehlt Andreas Zielcke Hedwig Richters Studie zur Einführung des Wahlrechts in Preußen und den USA. Dass Demokratie nicht so sehr von unten kommt, sondern ein Elitenprojekt war, vermag ihm die Autorin mit ihrem "kuriosen" historischen Exkurs zu erläutern. Indem er über den Atlantik und nach Preußen schaut, erkennt Zielcke den Wandel der Wahlpraktiken und mit ihm das sich verändernde Selbstbild von Staat und Nation. Das Interesse der Eliten an Wahlen wird dabei für ihn ebenso deutlich wie die Ungnädigkeit der Berliner dem Wahlrecht gegenüber. Die präzise Empirie und das quellensatte Material, mit denen Richter zudem das staatstragende "Volk" historisch und demokratietheoretisch fasst, scheint Zielcke höchst lobens- wie lesenswert.
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