James H. Beck

Die drei Welten des Michelangelo

Cover: Die drei Welten des Michelangelo
C.H. Beck Verlag, München 2001
ISBN 9783406471933
Gebunden, 270 Seiten, 25,46 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Ulrich Enderwitz, Monika Noll und Rolf Schubert. Mit etwa 55 Abbildungen. In diesem Buch macht sich ein wissenschaftlicher Detektiv an die Arbeit. Er geht den Hunderten von Hinweisen in zeitgenössischen Dokumenten nach und entwirft ein neues Bild Michelangelos, das die Jahre der frühen Meisterschaft bis zur Vollendung der monumentalen Deckenmalerei in der Sixtinischen Kapelle (1512) umfasst. James Beck, ein Kenner der Renaissance-Kunst, eröffnet hier einen neuen Zugang zu Denken und Fühlen, zu Temperament und Sexualität dieses bereits zu Lebzeiten "göttlich" genannten Künstlers. Gestützt auf zahlreiche, weitgehend noch zu Lebzeiten des Künstlers entstandene Dokumente entwirft James Beck eine sehr dichte Biografie der frühen Jahre. Dabei benennt er neben den künstlerischen auch die prägenden persönlichen Einflüsse, Begegnungen, Gedanken und Empfindungen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.08.2001

Gustav Seibt lässt kaum ein gutes Haar an diesem Buch, auch wenn er einräumt, dass es außerordentlich problematisch ist, eine Biografie über den Renaissancekünstler zu verfassen. Doch Seibt findet, dass man als Biograf von Michelangelo doch zumindest ein wenig beeindruckt sein sollte von dessen Werk. Und dies scheint ihm bei Beck überhaupt nicht der Fall zu sein. Davon abgesehen hat der Autor, so Seibt, sich die wirklich schwierigen Fragen "erspart", nämlich die, wie Michelangelo zu Liebe und Glauben stand, Fragen, zu denen sich der Künstler selbst kaum geäußert hat. Seibt vermisst hier Fantasie, gleichzeitig bemängelt er Becks Tendenz zur Psychologisierung und zum Spekulieren: Dauernd sei von "müsste, dürfte, wird wohl" die Rede, Michelangelo habe "offenbar" dies und das gedacht und "muss" beeindruckt" hier- und davon gewesen sein... Das ist ein "Gutachter"-Stil, der Seibt ganz und gar nicht gefällt, zumal er nicht erkennen kann, dass sich Beck bei seinen Vermutungen über Michelangelos Sexualleben auch einmal mit dem Eros in dessen Werk befasst hätte. Nicht Psychologie sei hier entscheidend, sondern Ästhetik, findet Seibt. Über den "Charakter dieser Kunst" habe sich der Autor offenbar keine Gedanken gemacht. Darüber hinaus bemängelt der Rezensent die "öde" Wissenschaftsprosa" Becks.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.08.2001

Schade, meint Elke Schubert, die Biografie Michelangelos von James H. Beck könnte eine gelungene Einführung in das Leben des "göttlichen" Michelangelo sein. Ist sie aber so ganz und gar nicht. Warum? Der Rezensentin scheint bereits die ganze Anlage des Buches nicht zu passen. Der Autor gruppiere seine Arbeit vorwiegend um drei Männer, die den Werdegang des Künstlers entscheidend geprägt hätten, schränke aber dadurch seine Möglichkeiten so sehr ein, dass er andere Einflüsse nur gewaltsam in sein Schema pressen und überhaupt nur die Hälfte von Michelangelos Leben behandeln könne, kritisiert Schubert. Auch seine Absicht, Werk und Künstler strikt zu trennen und vor allem dem "Menschen" Michelangelo gerecht zu werden, könne er nicht konsequent einhalten. Schlimmer noch: Beck übertrage dann doch ungehemmt auf das Werk, könne dabei aber, z.B. was Michelangelos prekäres Vater-Sohn-Verhältnis betreffe, kaum etwas anderes bieten als "Küchenpsychologie". Außerdem, so Schuber, halten ihn überbewertete zeitgenössische Quellen zu allerlei haarigen Spekulationen ohne Erkenntnisgewinn an. Auch biete Beck soviel Material auf, dass Michelangelo dahinter wie in einem Nebel verschwinde. Insofern wundert es nicht, wenn Elke Schubert das Buch für misslungen hält. Dennoch, so möchte sie sich wohl kulant geben, gelingen dem Autor auch lebendige und aufschlussreiche Beschreibungen von Denken und Lebensumstände der Renaissance.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.03.2001

Heinz Schlaffer wird tüchtig ironisch. So erbost ist er über eine Biografie, der zu Michelangelo keine besseren Charakterisierungen einfallen als "großartig", "eindrucksvoll" und "meisterhaft". Gar nicht meisterhaft, findet Schlaffer, und fügt hinzu, so werde man die verschiedenen Werke bestimmt nie mehr miteinander verwechseln ... Was sich der Autor und besonders der Beck-Verlag, auf den der Rezensent eigentlich große Stücke hält, da geleistet haben, möchte er in keinem Stadtprospekt lesen. Richtig dankbar ist er darum, dass sich das Ganze auf die erste Lebenshälfte Michelangelos beschränkt - und kann sich eine kleine Boshaftigkeit zum Schluss doch nicht verkneifen: Vielleicht, denkt er sich, versteckt sich hinter dem Charakterbild eines netten Durchschnittsmenschen, als der uns der begnadete Künstler hier verkauft wird, ja das Selbstporträt seines bescheidenen Interpreten.