Jean-Michel Chaumont

Die Konkurrenz der Opfer

Genozid, Identität und Anerkennung
Cover: Die Konkurrenz der Opfer
zu Klampen Verlag, Lüneburg 2001
ISBN 9783934920057
Gebunden, 359 Seiten, 34,77 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen und Amerikanischen von Thomas Laugstien. Zwischen den Opfern der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie scheint keine Verständigung mehr möglich. Hinter einer Fassade demonstrativer Einigkeit darüber, dass "es nie wieder geschehen darf", ist ein Kampf um Anerkennung ausgebrochen, in dem sich jüdische Überlebende und ehemalige Widerstandskämpfer, Juden und Sinti und Roma gegenübertreten. Geht der Blick über die Opfer des Nationalsozialismus hinaus, findet man Armenier, schwarze Amerikaner, indianische Ureinwohner, Aborigines in ähnlichen Konflikten befangen. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die moralisch aufgeladene Behauptung einer absoluten Einzigartigkeit der Vernichtung der europäischen Juden.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.02.2002

Früh hat Jean-Michel Chaumont den "Zusammenhang von Globalisierung und wachsender Opferrivalität" angesprochen, meint Rezensent Willi Jasper, und bedauert, dass die deutsche Übersetzung vier Jahre auf sich hat warten lassen. Für sinnvoll hält Jasper das besondere 'Nachwort zur deutschen Ausgabe', in dem Chaumont klar macht, dass die konstatierte Konkurrenz der Opfer ein amerikanisches Thema ist, das die Opfer unter sich diskutieren sollten - vielleicht besser ohne deutsche Beteiligung. Jedoch die Schwierigkeiten, die sich aus der Debatte um die Einzigartigkeit des Holocaust ergeben, nämlich die "Mechanismen der Nichtanerkennung" der nicht-jüdischen Opfer, gehen die Deutschen genauso an wie alle anderen, betont Chaumont. Auch hier stimmt Jasper anscheinend mit dem Autor überein. Indirekt wünscht der Rezensent diesem Buch eines "seriösen Forschers" mehr Aufmerksamkeit als der von "Reizworten" und "Emotionen" bestimmten Finkelstein-Debatte.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.01.2002

Dass Jean-Michel Chaumonts Studie "Die Konkurrenz der Opfer" aus dem Jahr 1997 erst jetzt auf deutsch erscheint, findet Christian Semler höchst bedauerlich, auch wenn sich ihr spätes Erscheinen überhaupt nur der Finkelstein-Debatte um die "Holocaust-Industrie" verdankt, wie Semler vermutet. Aber gerade zu diesem Thema, so der taz-Rezensent begeistert, habe Chaumont sehr viel beizutragen. Chaumont war Aktivist der belgischen Auschwitz-Stiftung, führt Semler aus, das heißt er kennt sich mit den verschiedenen Opfergruppen und ihren gegenseitigen Abgrenzungen aus. Die These von der "Einzigartigkeit" - der "uniqueness" - des Massenmords an den Juden weise Chaumont konsequent zurück: Sie führe zur Herabsetzung anderer Ethnien und Opfer des Holocausts. Das allein sei noch keine neue Erkenntnis, so Semler, aber wie Chaumont diesen an sich sinnlosen Streit um Opfer-Privilegien interpretiere, sei höchst spannend. Im weiteren plädiere Chaumont überzeugend für eine ausgeglichene Politik der Anerkennung gegenüber den verschiedenen Opfergruppen, berichtet Semler. Und anders als man meinen könnte, habe das Gedenken und die Ehrung der Opfer für den Historiker tatsächlich einen "einzigartigen Charakter".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.11.2001

Jean-Michel Chaumont setzt sich in seinem Buch "Die Konkurrenz der Opfer" mit der viel diskutierten These von der absoluten Singularität des Holocaust auseinander. Chaumont wird dabei, wie Ulrich Speck in seiner Rezension lobend urteilt, im Unterschied zu Kritikern wie Norman Finkelstein (welcher hinter der Singularitätsthese eine auf die Mehrung des eigenen Wohlstands und die Immunisierung Israels gegen Kritik gerichtete Verschwörung des jüdisch-amerikanischen Establishments wittert), nie polemisch, sondern bleibt immer "analytisch klar und moralisch engagiert". Die Kritik des belgischen Philosophen und Soziologen an der Singularitätsthese zielt nach Speck darauf ab, "die Erfahrung des Holocaust als moralisch-politisches Lehrstück für die Gegenwart verfügbar zu halten". Obwohl unser Rezensent einige kritische Einwände gegen dieses Projekt hat, begrüßt er Chaumonts Buch insgesamt als ebenso "irritierende wie faszinierende Studie", die zeige, dass "es im Streit um das Gedenken weder klare Frontstellungen noch einfache Antworten gibt". Die Diskussionen um die Frage nach der Einzigartigkeit bzw. Vergleichbarkeit des Holocaust werden mit diesem Buch wohl nicht beendet sein. Insofern sieht Speck das Verdienst von Chaumont vor allem darin, "die Gehalte und Kontexte dieser Debatte wie auch die daran geknüpften moralischen Probleme und Dilemmata schärfer als je zuvor herausgearbeitet zu haben".