John Horne, Alan Kramer

Deutsche Kriegsgräuel 1914

Die umstrittene Wahrheit
Cover: Deutsche Kriegsgräuel 1914
Hamburger Edition, Hamburg 2004
ISBN 9783930908943
Gebunden, 741 Seiten, 40,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Udo Rennert. Haben deutsche Soldaten in den ersten Kriegsmonaten 1914 Tausende von unbewaffneten Zivilisten in Belgien und Nordfrankreich getötet und verstümmelt, ganze Dörfer in Brand gesetzt sowie bedeutende Kulturdenkmäler vorsätzlich zerstört? Oder waren Berichte über solche Greueltaten ein Produkt der alliierten Propaganda und der Versuch von heimtückischen Angriffen illegaler Kombattanten auf die deutschen Truppen abzulenken? Anhand der Auswertung umfangreicher Archivquellen aus acht Ländern beantworten die Dubliner Historiker John Horne und Alan Kramer diese Fragen. Sie stützen sich auf Militärakten, Tagebücher deutscher Soldaten und Aussagen alliierter Zivilisten, zeichnen den Ablauf der deutschen Invasion präzise nach und belegen die Tötung von mehr als 6000 belgischen und französischen Zivilisten durch die vorrückenden deutschen Truppen. Doch nicht nur die Ereignisse von 1914 selbst, sondern auch die Entstehung konträrer Darstellungen, Deutungen und Mythen der Kriegsgegner werden vergleichend rekonstruiert und analysiert.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.09.2004

Christoph Jahr zieht den Hut vor der neuen Studie der zwei Dubliner Historiker John Horne und Alan Kramer: In einer "meisterhaften Weise" werde dem Anspruch gerecht, eine transnationale Kulturgeschichte der deutschen Kriegsgräuel an der Westfront zu schreiben, so der Rezensent lobend, die auf umfangreichem Archivmaterial aus acht Ländern ruhe. Darin werde überzeugend nachgewiesen, dass es keinen Aufstand der Franctireurs gab, sondern die deutsche Armee auf Grund von Feindbildern - besonders aus Erzählungen von 1870/71 - hinter jedem Zivilisten einen Partisanen vermutete, so Jahr. Somit kamen zwischen August und Oktober 1914 fast 6500 Zivilisten ums Leben, davon 4500 in Belgien und 674 in der Stadt Dinant, was etwa zehn Prozent der Einwohner ausmacht. "Vorsichtig und differenziert" setzten die Historiker dieses Phänomen in die Vorgeschichte des Holocausts. Verblüfft stellt auch der Rezensent fest: "Immer wieder muss man sich dabei vergewärtigen, dass hier von 1914 und nicht von 1941 die Rede ist".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.06.2004

Des Historikers Pflicht ist es, "wenigstens im Nachhinein" der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen, findet Rezensent Volker Ullrich. Er freut sich, in John Horne und Alan Kramer zwei Autoren gefunden zu haben, die Ursache und Art der deutschen Kriegsverbrechen von 1914 in Belgien "vorbildlich" unter die Lupe genommen haben. Dabei ist mehr entstanden als eine "lückenlose Rekonstruktion" dessen, was beispielsweise beim Massaker von Dinant geschehen ist. Horne und Kramer schildern nicht nur, sie bieten auch "ebenso einfache wie einleuchtende" Erklärungen für die unverhältnismäßige Gewaltbereitschaft der Deutschen, lobt der Rezensent. So sei ein Buch entstanden, das im Ton eher nüchtern bleibt, aber durch die "sorgfältige" Quellenprüfung und -recherche den Leser besticht. Eine der "wichtigsten historischen Publikationen" der vergangenen Jahre.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.06.2004

Johannes Willms kann es nur gutheißen, dass sich die beiden englischen Historiker John Horne und Alan Kramer mit ihrem Buch eines Themas annehmen, das eine "vernachlässigte ", dunkle, gleichwohl wichtige Seite des Ersten Weltkriegs beleuchtet. Die Kriegsgräuel, die insbesondere in Belgien durch deutschen Soldaten auf dem Vormarsch nach Frankreich an der Zivilbevölkerung begangen wurden, werden nämlich heute noch gern geleugnet, weiß der Rezensent. Die Autoren können nachweisen, dass die Gräuel fast ausschließlich auf "psychotischen Projektionen" der deutschen Soldaten zurückgehen, die sich durch die Zivilbevölkerung bedroht fühlten, so Willms zusammenfassend. Umso wichtiger ist diese "peinlich genaue" und "umfassend dokumentierte" Studie, die die Gründe für die "erschütternden" Grausamkeiten untersucht, findet Willms. Er lobt die Monographie als "gut lesbar" und rühmt sie als "mentalitätsgeschichtliches Standardwerk", das einen heute noch häufig totgeschwiegenen Aspekt des Ersten Weltkriegs genau in den Blick nimmt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.06.2004

Die hier von den beiden Dubliner Historikern John Horne und Alan Kramer geleistete "akribische Darstellung" sei wohl "mit Abstand das beste Kompendium", lobt Rezensent Christian Hartmann, das bislang zu dem komplexen und unübersichtlichen Thema der deutschen Kriegsgräuel in Frankreich und Belgien zu Beginn des ersten Weltkriegs vorgelegt worden ist. Horne und Kramer schildern, so Hartmann weiter, nicht nur "umfassend und meist auch abgewogen" sowohl die Wirkungen als auch die Erforschung dieser Kriegsverbrechen - denen nach Berechnungen der Autoren bis Oktober 1914 etwa 6.500 Zivilisten zum Opfer fielen. Die Autoren versuchen auch, berichtet Hartmann, deren Ablauf selbst soweit wie möglich zu klären. Dennoch sollte man das Buch, meint der Rezensent, "weniger als definitives Ergebnis" verstehen, sondern "eher als Diskussionsgrundlage" - und eine solche geschaffen zu haben, sei "die eigentliche Leistung" der Autoren. Jedenfalls hat Hartmann auch einige Schwachpunkte in der vorgelegten Deutung entdeckt - so beruhe die Darstellung zu einem großen Teil auf den Ergebnissen der amtlichen belgischen und französischen Kommissionen, ohne dass diese "einer wirklichen und vor allem detaillierten" Quellenkritik unterzogen würden.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.05.2004

Ausnehmend beeindruckt zeigt sich Malte Oberschelp von John Hornes und Alan Kramers Buch "Deutsche Kriegsgräuel 1914", in dem die Autoren den Mythos eines blutigen Partisanenkrieges in Belgien, gegen den sich das deutsche Heer habe verteidigen müssen, genau unter die Lupe nehmen. Wie Oberschelp berichtet, zeigen die Autoren in minutiöser Rekonstruktion zunächst, was im August 1914 wirklich geschah. Er führt aus, dass die Autoren nicht nur Deportationen, Geiselnahmen, Vergewaltigungen, und die Verwendung von Bürgermeistern und Geistlichen als menschliche Schutzschilde schildern, sondern auch untersuchen, wie die deutschen Gräuel im Kampf um die öffentliche Meinung neutraler Staaten zum Leitthema wurden und schließlich beleuchten, wie in der in der Nachkriegszeit mit den Gräuel Politik gemacht wurde. Überzeugend findet Oberschelp auch den intelligenten Aufbau sowie die schnörkellose Erzählweise des Buches, das er, obwohl ziemlich dick, nie langweilig sei. Den Autoren gelinge es, einen Krieg in Erinnerung zu rufen, resümiert Oberschelp, "der schon vergessen ist und von dem doch Symptome bis in die Gegenwart abstrahlen."