Leda Forgo

Der Körper meines Bruders

Roman
Cover: Der Körper meines Bruders
Atrium Verlag, Zürich 2007
ISBN 9783855351329
Gebunden, 336 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Eine Novembernacht im Jahre 1953 in einem Budapester Krankenhaus. Eine Frau liegt bewusstlos im Kreißsaal. Beim ersten Erwachen erfährt sie, dass sie Zwillinge geboren hat. Beim zweiten Erwachen stellt sie fest: Sie will keine Mutter sein. Fortan sorgt der Vater liebevoll für die Kinder. Den Volksaufstand 1956 erleben die dreijährige Borka und ihr Zwillingsbruder Palko als ein Fest: Ihr Vater wirft sie freudig in die Luft, die Erwachsenen um sie herum lachen und feiern, es ist eine hoffnungsvolle Zeit. Doch in den Straßen herrscht Krieg. Ein Querschläger trifft Palko und tötet ihn. Der Vater kann den Verlust nicht verwinden. Die Mutter bleibt mit der Tochter allein. Borka bleibt allein mit der Sehnsucht nach dem Vater und dem Bruder, von dem sie seit ihrer Geburt noch keine Minute getrennt gewesen war. Die Mutter tut alles, um die Toten zu vergessen, und bemüht sich, ihren Diensteifer dem Staat gegenüber zu beweisen. Borka jedoch versucht verzweifelt, auch die Rolle ihres Bruders einzunehmen, damit die Erinnerung an ihn nicht verblasst. Mit 15 Jahren schließlich muss sie erfahren, dass sich alles im Leben wiederholt, wenn auch auf andere Weise ...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.04.2008

Alexandra Kedves fühlt sich mit Leda Forgos Debütroman abwechselnd in eine antike Tragödie und in eine moderne Vorabendserie versetzt, wobei sie sich in letzterer offenbar wohler fühlt. Die 1973 in Ungarn geborene und 21-jährig nach Deutschland ausgewanderte Autorin beschreibt in ihrem Roman das Leben in Ungarn zwischen 1953 und 1968 vornehmlich aus der Sicht der kindlichen, später jugendlichen Protagonistin Borka. Ihr dreijähriger Zwillingsbruder ist beim Aufstand von 1956 umgekommen, der Vater hat sich kurz darauf das Leben genommen, und so schlagen sich Mutter Mo und Tochter Borka allein durchs sozialistische Alltagsleben, erklärt die Rezensentin. Während ihr der Anfang allzu mythisch aufgeladen daherkommt - Kedves kommen Äneas, Medea und andere antike Mythengestalten in den Sinn - genießt sie in der Folge durchaus den lebendig geschilderten Blick eines Teenagers auf den schwierigen Alltag dieser Schrumpffamilie. Sie ist nicht traurig darüber, dass das mythenbefrachtete Anfangstableau sich im Lauf des Romans immer mehr verliert und bedauert nur, dass Forgo am Ende wieder zum Medea-Ton zurückkehrt, den sie so gar nicht vermisst hatte.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.01.2008

Sehr eingenommen zeigt sich Rezensentin Verena Auffermann von Leda Forgos Roman über ein junges Mädchen, Borka, deren Bruder beim Ungarnaufstand 1956 ums Leben kommt. Sie bescheinigt der Autorin, schwungvoll vom Leben in Budapest während des Aufstands zu erzählen, von der kommunistischen Planwirtschaft, dem aufgeblasenen Machtapparat und von den Gefühlen Borkas. Sie liest das Buch auch als "anrührende Analyse" von Liebesverlust, Lebens- und Realitätsverweigerung und Erwachsenwerden. Zwar will sie nicht verschweigen, dass die 1973 geborene, in Berlin lebende, ungarische Autorin den Tücken der deutschen Sprache nicht immer gewachsen ist und hin und wieder "altertümliche" Formulierungen bemüht. Aber dafür lobt sie Forgo als glänzende Erzählerin mit einem echten Thema: "Die Folgen der Ideologien und der Kampf gegen die Illusion und um die Identität."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.10.2007

Mit tiefer Bewunderung hat Rezensentin Barbara von Becker diesen Roman gelesen, der vor der malerischen Kulisse der Stadt Budapest die düsteren Zeiten unter der Knute des Sozialismus und seine lähmende Hoffnungslosigkeit beschwört. Erzählt werde die Geschichte einer Mutter und ihrer Tochter, der titelgebende Bruder wurde als Kind während des Volksaufstandes von 1956 von einem Querschläger getötet, in dessen Verlauf sich auch der Vater das Lebben nimmt. Einen Teil seiner Suggestivkraft bezieht das Buch augenscheinlich durch seine Perspektive - die Geschichte ist aus dem Blick der Tochter erzählt, der Beschreibung der Rezensentin zufolge in einer eindringlich, altklugen Weise. Aber auch der wilde Lebensmut der beiden Protagonistinnen bewegt die Rezensentin sehr, die das Buch insgesamt für seine "kraftvoll leidenschaftliche Sprache" und als "eindrucksvolles bewegendes Panorama einer schwer lastenden Zeit" feiert.
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