Lojze Kovacic

Die Zugereisten. Eine Chronik

Erstes Buch. Roman
Cover: Die Zugereisten. Eine Chronik
Drava Verlag, Klagenfurt 2004
ISBN 9783854353881
Gebunden, 320 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Aus dem Slowenischen von Klaus D. Olof. Mit seinem von der Literaturkritik zum 'slowenischen Jahrhundertroman' gekürten Opus magnum kehrt Lojze Kovaeie zurück ins Jahr 1938, als er im Kindesalter mit seiner Familie aus der Schweiz nach Slowenien ausgewiesen wird - 'ein Heimattausch, vom Mutterland in den Vaterstaat'. Aus der subjektiven Optik des Heranwachsenden und zugleich aus der Distanz eines halben Jahrhunderts protokolliert er in beinahe atemlosem Stakkato die dramatischen Jahre unmittelbar vor und während des Krieges, in deren Malstrom die Familie gerät.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.09.2004

"'Die Zugereisten' ist ein Jahrhundertbuch, wovon sich nun auch die deutschen Leser überzeugen können", jubelt Jörg Plath. Im ersten Band der Trilogie, in dem sich der Autor selber traumatische Erfahrungen vom Leib schreibt, wird der zehnjährige Erzähler mit seiner Familie 1938 aus der Schweiz ausgewiesen und emigriert in die Heimat des Vaters nach Slowenien. Was zuerst nach einem Abenteuer im "Indianer- und Märchenland" aussieht, wird schnell zum schmerzvollen "Verlust der Heimat und der Sprache". Diese Vertreibung, so Platz, werde auf so eindringliche Weise geschildert, dass das Buch, obwohl mühelos lesbar, doch eine Strapaze sondergleichen für den Leser darstellt, denn diese in Bruch gegangene Welt werde mit ungeheurer und niemals nachlassender Anspannung beschrieben. Dabei gefallen dem Rezensenten besonders die "janusköpfigen" Beschreibungen des Erzählers, die die Szenen metaphorisch aufladen und chronologischen, plastischen Wahrnehmungen in ein kunstvolles Gewebe verwandeln. Das Buch, so der Rezensent abschließend, gehöre auf jeden Fall zu der großen europäischen Literatur.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.09.2004

"Endlich", so seufzt Rezensent Karl-Markus Gauß, ist dieses "opus magnum", zumindest der erste Teil davon, nun auch ins Deutsche übertragen. Die Trilogie "Die Zugereisten" wurde von der slowenischen Literaturkritik 2000 zum "Roman des 20. Jahrhundert" gekürt, so Gauß. Erzählt wird in der "Saga" der Niedergang einer Familie vor dem "düsteren Horizont der Epoche". Hauptfigur ist der Ich-Erzähler Samson, ein 10-jähriger Junge", dessen slowenischstämmige Familie 1938 aus der Schweiz nach Slowenien ausgewiesen wird. Mit dieser Abschiebung nimmt der soziale Abstieg der Familie seinen Lauf, der bis in die "anrüchigen Viertel" Ljubljanas führt, wo sich die älteste Schwester prostituieren muss, "um die Familie vor der Obdachlosigkeit zu retten". Parallel dazu verläuft Samsons Entwicklung vom Wohlstandskind zum "wilden Jugendlichen". Mit Emphase gibt Gauß in seiner Rezension die dramatische Geschichte wieder, die recht "drastisch von Elend, Entwurzelung und Niedergang" künde, gleichzeitig aber das Leid durch die "Abenteuer der Pubertät" des Ich-Erzählers reizvoll kontrastiere. Dazu gesellen sich die historischen Umbrüche der Epoche - so der Einmarsch der Nazis in Slowenien -, die Gauß ebenfalls trefflich geschildert findet. Zwar sei der Leser auf die Perspektive des "halbwüchsigen Erzählers" angewiesen, aber dennoch - und das nahezu "en passant", wie Gauß begeistert hervorhebt - seien hier die "großen sozialen und politischen Veränderungen Europas" skizziert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.08.2004

"Erfreulich" fände es Rolf Wörsdorfer, wenn auch die anderen Bände der Romantrilogie übersetzt werden würden. Mit dem ersten Teil, in dem "einer der bedeutendsten Romanciers Sloweniens" seine eigenen Erfahrungen von der "Heimatlosigkeit" verarbeitet, ist der Rezensent sichtlich zufrieden. In dem Buch muss der zehnjährigen Samson 1938 mit seiner Familie von Basel in die Heimat seines Vaters nach Slowenien ausreisen. Dort angekommen wird die Familie mit der "Entwurzelung" aus ihrer Heimat und dem sozialen Abstieg konfrontiert. Dabei lebe das Buch erst, so der Rezensent, von dem Spannungsverhältnis zwischen den kindlichen Fantasien und der Realität. Dann gehe das Buch schnell zu dem Leitmotiv "Geht doch dorthin zurück, wo ihr hergekommen seid" über. Am Ende werde "sehr plastisch" gezeigt, lobt der Rezensent, wie soziale und private Dimension des Unglücks zusammenhängen und begrüßt den eigentlichen politischen Diskurs über den deutschen und italienischen Expansionsdrang in den slowenischsprachigen Raum.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.05.2004

Das Erscheinen der deutschen Übersetzung des ersten Bandes seiner Romantrilogie hat Lojze Kovacic gerade noch erlebt, bevor er am 1. Mai diesen Jahres verstorben ist, stellt Andreas Breitenstein mit einiger Befriedigung fest. In Slowenien gilt Kovacic als einer der ganz Großen - zu Recht, findet auch Breitenstein, der "Die Zugereisten" mit Imre Kertesz' "Roman eines Schicksalslosen" in Zusammenhang bringt. Auch Kovacic schildere mit einer "Unerbittlichkeit des Erkennens" das - autobiografisch erfahrene - Drama von Entwurzelung, Heimatlosigkeit, Exil, Knechtschaft: 1938 wurde Kovacic mit seiner Familie aus der Schweiz nach Slowenien ausgewiesen, später wiederum die Mutter aus Jugoslawien verbannt. Die slowenische Vorkriegsgesellschaft entpuppt sich als "mythisches Reich des Schreckens", schreibt Breitenstein, das jedoch immer auch Freiräume berge. Am meisten reizt wie irritiert den Rezensenten jene Nähe von Glück und Verzweifelung, die ihn so sehr an Kertesz erinnert; einerseits präsentiere sich der Ich-Erzähler als mitleidender, mitfühlender Akteur, andererseits wirke er stets wie ein Gast, der mitleidslos die Zusammenhänge durchschaue und analysiere. Für Breitenstein: "ein Ich im Ausnahmezustand" und ein grandioser und im Übrigen hervorragend übersetzter Epochenroman.
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