Martin Mosebach

Eine lange Nacht

Roman
Cover: Eine lange Nacht
Aufbau Verlag, Berlin 2000
ISBN 9783351028954
Gebunden, 600 Seiten, 25,51 EUR

Klappentext

"Am Souterrainfenster stand jetzt Bella. Sie trug ein Handtuch um den Körper geschlungen, das ihre Schultern unbedeckt ließ. Auf diese nackten Schultern fiel das Licht. Dieses Bild senkte sich in Ludwigs Seele und traf auf eine Stelle, die dort vorbereitet war. Dies war etwas Endgültiges. Jetzt blickte Bella auf. Er winkte nicht, und auch sie hob keine Hand. Sie standen, ohne sich zu rühren. Es war, als wisse sie, was da geschah." Vielleicht weiß Bella, was mit ihnen geschieht. Ludwig weiß es nicht, und seit er erfolgreich Dinge vertreibt, die niemand braucht, eine Frau liebt, die nicht aus seinen Kreisen stammt, und zu Taten fähig ist, die er sich nie zugetraut hätte, kennt er sich selbst nicht mehr. In dieser einen langen Nacht irrt er wie in vielen Nächten durch seine Kindheit, seine Stadt, sein Büro, seine Liebe, seine Träume.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.02.2001

Einen "Stolperer" nennt Rezensent Martin Ebel den Helden des Buches - so eine Mischung aus Felix Krull und Hans Castorp. Und wenn wir Ebel richtig verstehen, hat der Autor den Bildungsroman neu erfunden: Der Held - Ludwig - "ist plötzlich jemand, auch wenn er nicht ganz begreift, wer". Auf die Perspektive dieser Figur nun möchte Ebel auf gar keinen Fall verzichten, "denn Ludwigs Erfinder Mosebach ist ein vorzüglicher Beobachter und ein noch besserer Erzähler ... kein Buchhalter, sondern ein Künstler" - der, so Ebel weiter, das Frankfurt der späten siebziger Jahre so schildere, "wie sein Held sich vorstellt, dass Canaletto es gemalt hätte" - "larger than life". - Ein kurzweiliger Roman, trotz seines Umfangs. Da strahlt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 23.01.2001

Unbeschreiblich wohl fühlt sich der Rezensent Werner Jung in der "wunderbar unterkomplexen und herrlich banalen" Romanwelt von Martin Mosebach. Die Handlung des "grandiosen" Werks erinnert ihn an die Romane der "großen Realisten des 19. Jahrhunderts". Doch wisse Mosebach zudem durch die "erzählerischen Errungenschaften der Moderne" zu überzeugen. Welche genau das sein mögen, wird leider nicht verraten. Der Einblick in das Liebesleben der "gnadenlos minderbemittelten" Figuren ist für den Rezensenten so überzeugend, dass er - wohl besorgt um die intellektuelle Reputation des Autors und natürlich auch die eigene - doch noch eine "listige" Umschreibung von Hegels Romandefinition im Text aufzuspüren weiß. Wenn schon der besprochene Text so lustvoll banal ist, dann kann der bildungsbeflissene Zeitungsleser zumindest etwas von der Rezension lernen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.12.2000

Irgendwas scheint den Romanen des Autors zu fehlen, meint Ulrich Greiner, der sich zunächst nicht erklären kann, warum sich nach einer gewissen Zeit beim Lesen dieser kultivierten, sprachlich anspruchsvollen Bücher Langeweile einstellt. So auch beim neuesten Roman, der Greiner das Gefühl vermittelt, in einen Bildungsroman des 19. Jahrhunderts geraten zu sein, auchwenn die Geschichte heute, in Frankfurt am Main, spielt. Pfiffig und belesen, wie er ist, unser Rezensent, ist er auf einen älteren Aufsatz Mosers gestoßen, worin sich dieser zu Heimito von Doderer bekennt - auch so einer, für den Schreiben eine besondere Form der Historiografie bedeutete."Ein historischer Roman der Gegenwart" - auf diese Formel bringt Greiner "Eine lange Nacht", deren sprachliche Geschmeidigkeit quasi durch erzähltechnische Sprödigkeit gebremst werde. Alles wirke vertraut und doch befremdlich wie "Hinterglasmalerei". Diese reflexiv gebrochene Erzählweise überzeugt den beruflichen Leser dann am Ende des Buchs doch, wenn ihm auch die völlige Abgeklärtheit des Protagonisten auf den Nerv geht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.10.2000

Um es gleich vorwegzunehmen: Lutz Hagestedt findet den neuen Roman von Martin Mosebach gut. Warum dann, so fragt man sich, dieser weitschweifige, philosophisch-literaturwissenschaftlich angehauchte Begründungszwang, der den potentiellen Leser doch eher abschrecken könnte, sich diesem `einzigartigen` Buch mit Lust zu nähern? Weil, so muss man aus den Reflexionen des Kritikers über das Stoffliche und das Banale schlussfolgern, die Fabel dieses Buches vielleicht als banal abgetan werden könnte, zu Unrecht natürlich, da sich doch `alle große Literatur auf eine ganz banale Fabel reduzieren` lässt. Wo liegt dann aber das Problem? Über den Inhalt erfahren wir wenig, was als Pluspunkt zu verbuchen ist, so wird die Neugier auf die Geschichte nicht zerstört. Über die sprachliche Gestaltung gibt es nur lobende Worte. Also: selber lesen, wer sich ein eigenes Urteil bilden will!
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