Martin Mulsow

Radikale Frühaufklärung in Deutschland 1680-1720

Band 1: Moderne aus dem Untergrund. Band 2: Clandestine Vernunft
Cover: Radikale Frühaufklärung in Deutschland 1680-1720
Wallstein Verlag, Göttingen 2018
ISBN 9783835319912
Gebunden, 1126 Seiten, 59,90 EUR

Klappentext

Zwei Bände im Schuber. Mit ca. 30 Abbildungen. Martin Mulsows Buch "Moderne aus dem Untergrund" wurde 2002 schnell zu einem Standardwerk der Aufklärungsforschung. Der Kulturwissenschaftler legt nun eine grundlegende Überarbeitung und Erweiterung vor: "Radikale Frühaufklärung in Deutschland 1680 - 1720" bietet in zwei Bänden eine umfassende Bestandsaufnahme des radikalen Denkens, das sich in Deutschland um 1700 entwickelt hat. Mulsow verfolgt die "clandestine" - nur in Handschriften oder anonymen Traktaten verbreitete - Wissensproduktion mit detektivischem Spürsinn in jüdischen Polemiken gegen das Christentum, medizinischen Dissertationen, naturrechtlichen Debatten, gelehrten Religionsgeschichten, atheistischen Pamphleten und politischen Traktaten. Er korrigiert das gängige Bild der Aufklärung, indem er zeigt, wie mit neuen Gedanken experimentiert und gespielt worden ist und kleine Gruppen den Mut besaßen, freiwillig oder unfreiwillig den Stein der Veränderung ins Rollen zu bringen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.02.2019

Caspar Hirschi bekommt Zweifel an Martin Mulsows These vom unterirdischen Ursprung der deutschen Aufklärung. Trotz aller Quellenkenntnis des Autors scheinen ihm dessen Assoziationen der vergessenen Aufklärer mit dem Untergrund in Mulsows nunmehr überarbeiteter und auf zwei Bände erweiterter Habilschrift keine neuen heuristischen Erkenntnisse zutage zu fördern. Von einer Reflexion des laut Hirschi möglicherweise nicht ganz unproblematischen konzeptionellen Ansatzes der Arbeit weiterhin leider keine Spur, meint er. Stattdessen kleinteilige Fallstudien über "kauzige Figuren" wie den Theologen Urban Gottfried Bucher. Die beiden neuen Bände generieren laut Rezensent mehr Fragen als Antworten.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.01.2019

Steffen Martus liest die zweibändige überarbeitet Version der lange vergriffenen Habilschrift des Ideenhistorikers Martin Mulsow aus dem Jahr 2002 mit Gewinn. Die über 900 Seiten Fallstudien zur Sterblichkeit der Seele, Aufwertung der Natur und den naturrechtlichen Wurzeln des Skeptizismus findet Martus allerdings überwältigend. Die fünf Seiten Zusammenfassung im Band stehen für ihn im krassen Missverhältnis zur Materialmenge. Der künftigen Forschung wünscht er viel Glück bei der Verarbeitung von Mulsows gelehrten, empirisch fundierten, bisweilen aber auch höchst spekulativen Erkenntnissen über die Spielarten, Zufälle, Abwege und Einzelkämpfer der Aufklärung.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.11.2018

Martin Mulsow hat hier einen wahren Schatz an großenteils bisher unbekannten Texten zusammengetragen, berichtet Rezensent Rudolf Walther. Manche dieser Texte waren zu ihrer Zeit so gefährlich, dass sie nicht mal als Druck, sondern nur im Manuskript zirkulierten. Für Walther zeigt sich, dass sich die frühe, protestantisch geprägte Aufklärung vor allem an Fragen zur Religion entzündete. Nach und nach radikalisierte sich "die Kritik am Götzendienst und Aberglauben zur Kritik an Religion überhaupt". Der Gedanke komme auf, dass Religion an sich lügen und betrügen könne, dass sie auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden müsse - so im dann doch berühmten Text über die "Drei Betrüger". Das Buch ist nicht gerade eine leichte Lektüre, gibt Walther zu, auch die Erläuterungen des Herausgebers erscheinen ihm zuweilen "barock-umständlich". Aber das Verdienst dieses monumentalen Bandes schmälert es für ihn nicht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.11.2018

Rezensent Urs Hafner lernt vom Ideenhistoriker Martin Mulsow, was Aufklärung ist, bzw. nicht ist, dass sie keine feste Wertetradition ist, sondern eher "Aktionsmodus", ein "Angriff auf ideologische Positionen", die von der Kritik ihrerseits angesteckt werden. Auch wenn ein Sozialhistoriker einiges auszusetzen hätte an Mulsows Trennung von Diskurs und Gesellschaft, meint Hafner, ist der detektivische Aufwand, den der Autor betreibt, um entlegene Namen von Sprachforschern, Naturwissenschaftlern und Theologen ins Spiel zu bringen, respektheischend. Wie der frühaufklärerische Kampf auf theologischem Terrain aussah, kann sich Hafner nach der Lektüre jedenfalls besser vorstellen, auch wenn er den von Mulsow dramaturgisch arrangierten Stoff en detail gar nicht immer versteht. Und die klare Trennung zwischen Aufklärung und Orthodoxie wird er ein für allemal vergessen.