Michael Lentz

Heimwärts

Roman
Cover: Heimwärts
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2024
ISBN 9783103975185
Gebunden, 304 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Michael Lentz erinnert sich in "Heimwärts" an die unheimlichen Jahre der alten Bundesrepublik. Zwischen Apfelkuchen und Zorn, zwischen Matchboxautos und Metaphysik spielt sich in seinem neuen Roman eine westdeutsche Kleinstadt-Kindheit ab. Regelmäßig rutscht dem Vater die Hand aus, oder man begegnet sich wortlos im Haus. Es gibt viel zu essen, und die Mutter sorgt für Ordnung und schlechtes Gewissen. Unterbrochen werden die Erinnerungen von der Stimme eines Kindes, das die alte Bundesrepublik nur noch vom Hörensagen kennt und mit all dem alten Kram heute nicht mehr viel anfangen kann. Seit "Muttersterben" erzählt Michael Lentz von Herkunft und Familie, von Kindheit, Liebe und Tod. "Heimwärts" geht einen entscheidenden Schritt weiter: Aus dem Sohn ist nun selbst ein Vater geworden. Die vergangene Kindheit ist zwar weiterhin mächtig und präsent. In der Gegenwart aber geht es um die Stimme der nächsten Generation. 

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.2024

Rezensentin Katharina Teutsch liest den neuen Roman von Michael Lentz in der Tradition literarischer Texte männlicher deutscher Schriftsteller, die sich mit ihrer Familiengeschichte beschäftigen, zuletzt etwa Wolf Haas oder Frank Witzel. Im Zentrum des Romans steht die Auseinandersetzung mit einem dominanten Vater und einer  passiven Mutter. Davon ausgehend begibt sich Lentz Teutsch zufolge in eine familiäre Vergangenheit, die von Projektionen und Unausgesprochenem bestimmt war. Ein zorniges Kind war der Erzähler und darin dem Vater ähnlich. Und auch heute ist der Erzähler noch voller Wut, erkennt die Rezensentin, die bald eine zweite Erzählstimme wahrnimmt: Jene des Kindes des erwachsenen Erzählers. Einmal mehr vermisst Lentz das eigene Leben in all seiner Ambivalenz - und zwar mit "universalpoetischem Eifer", wie Teutsch schließt.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.03.2024

Rezensentin Meike Feßmann gibt zu, dass nicht alles fraglos aufgeht im neuen Roman von Michael Lentz, in dem der Autor seine Kindheit und das Elternhaus nach dem "Matrjoschka-Prinzip" sehr detailreich "als Sehnsuchtsort" auferstehen lässt. Allerdings bietet der Text laut Feßmann genug Momente, da Lentz Bilder glücken, die in ihrer Verbindung aus Geist und Gefühl an Rilke erinnern, etwa wenn Lentz die Perspektive seines Erzählers und die von dessen Kind miteinander verschränkt. Eine spiegelreiche "Identitätskonstruktion" voller poetischer Träume, schwärmt Feßmann.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.03.2024

Ziemlich missgelaunt folgt Rezensent Rainer Moritz Michael Lentz auf einer weiteren Reise in die Nordeifel, in die Welt der Kindheit des Autors. Eine Truhe dient, lernen wir, als Anlass, darin findet der Erzähler diverse Objekte, die ihn an das Elternhaus erinnern, das ihm vor allem als ein Gefängnis erschien, mit einem brutalen Vater und einer depressiven Mutter. Einiges an Zeitkolorit steckt in Lentz' detaillierten Beschreibungen, gesteht Moritz ein, auch sprachlich hat manches seinen Reiz. Insgesamt gefällt dem Rezensenten das Buch freilich überhaupt nicht, es bleibt strukturlos, und man versteht nicht, warum man Lentz ein weiteres Mal in die Eifel folgen soll. Dass sich gelegentlich der Sohn des Erzählers als zweite Erzählstimme einmischt, macht die Sache nicht besser, sondern schlimmer, urteilt Moritz. Ein uninteressantes Durcheinander, so das Fazit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.03.2024

Rezensent Stefan Michalzik geht mit Michael Lentz und seinem autofiktionalen Kindheitsbuch an die Grenzen der Lesbarkeit. Wenn der Autor haarklein Räume und Erfahrungen seiner Kindheit und Jugend in den 60er und 70er Jahren in Nordrhein Westfalen beschreibt, geht Michalzik die Akribie mitunter zu weit. Allerdings erkennt der Rezensent auch die "poetologische Absicht" des Autors, bei der es nicht um Verklärung geht, sondern um ein Ausmessen der Erinnerung, über deren Fehleranfälligkeit sich Lentz keine Illusionen macht. Der Roman kommt ohne Spannungsbogen daher und auch aus, versichert Michalzik. Das Buch ist ein bemerkenswertes formales Wagnis, findet er.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 01.03.2024

Rezensent Jörg Plath muss ganz schön schlucken bei der Lektüre des neuen Romans des Essayisten, Lyrikers und Schriftstellers Michael Lentz, der ihm hier einmal mehr von den Schrecken einer Nachkriegskindheit erzählt. Zwar heißt Lentz' Held auch Michael, aber von einer Autobiografie kann hier keine Rede sein, erklärt der Kritiker, der hier in eine Gemengelage aus Ängsten, Halluzinationen, Einsamkeiten und Neurosen blickt: Der junge Erzähler fühlt sich in der Familie zwischen leidender Mutter und strafendem Vater so fremd, dass es sich komplett zurückzieht, seine Welten trennen sich auf in Fremdheit und Vertrautheit, resümiert Plath. Bald beginnt der junge Michael nicht nur Insekten und die Familie zu quälen, sondern auch deren Ermordung zu planen. Wenn der Autor schließlich dieses Verhalten in einer späteren Vater-Kind-Beziehung spiegelt, staunt Plath zudem, wie sich hier die Zeitebenen verwischen und Bezüge zu Block, Kafka oder Nietzsche auftauchen.