Michael Stolberg

Homo patiens

Krankheits- und Körpererfahrung in der Frühen Neuzeit
Cover: Homo patiens
Böhlau Verlag, Köln 2003
ISBN 9783412162023
Gebunden, 303 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Krankheit und Krankheitsängste gehörten zum frühneuzeitlichen Alltag. Die Menschen sahen ihre Gesundheit allenthalben bedroht, und ihre Hoffnungen auf die Heilkünste der Medizin erwiesen sich oft als trügerisch. Michael Stolberg rekonstruiert aus zeitgenössischen Biografien und Briefen, die Kranke und ihre Angehörigen an Ärzte richteten, wie die Menschen im Alltag mit Krankheit und Schmerzen umgingen, wie sie sich bemühten, dem Leiden aus dem Glauben oder der eigenen Lebensgeschichte heraus einen persönlichen Sinn zu verleihen und wie sie Hilfe bei den verschiedensten Heilern suchten. Der Autor erläutert anschaulich die Vorstellungen der Menschen von den Ursachen und den körperlichen Abläufen, die sich mit Diagnosen wie Schwindsucht, Gicht oder Krebs verbanden. Ein uns fremd gewordenes Krankheits- und Körperverständnis tritt hier zu Tage, welches sich nicht nur auf die bloße Vorstellung eines Gleichgewichts der Säfte reduzieren lässt. Insbesondere die Vorstellungen von trüben Dünsten und Dämpfen im Körper prägten das Krankheitsverständnis, ja schon das Beschwerdebild.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.01.2004

"Endlich" hat die Medizingeschichte auch den "Patienten entdeckt", freut sich Robert Jütte, der dieses Buch über die Krankheits- und Körpererfahrung in der Frühen Neuzeit als "Meilenstein in der deutschsprachigen Medizingeschichtsschreibung feiert. Dem Münchner Medizinhistoriker sei damit eine "faszinierende Studie" gelungen, deren besonderer Wert für den Rezensenten in der Auswertung von Patientenbriefen liegt. Dem Autor ist es nämlich nicht nur um die wissenschaftlichen Erklärungsmuster bestimmter Krankheiten - wie dem in dieser Zeit weit verbreiteten "Nervenleiden" - zu tun, er interessiert sich auch besonders für die "narrativen Strategien" der Krankengeschichten, wie sie die Patienten selbst schildern. Der Rezensent lobt diese "dichten Informationen aus "erster Hand", die der Autor in europäischen Archiven "erstmals ausgewertet" hat. Auch wenn er nicht mit allen Deutungen Stolbergs einverstanden ist, wie beispielsweise mit der ihm zu "kurz greifenden" Erklärung der in der Frühen Neuzeit grassierenden Nervenkrankheiten als Ausdruck von "Langeweile", so tut das seiner Begeisterung für diese Studie keinen Abbruch.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.11.2003

Der Historiker Michael Stolberg betreibt Medizingeschichte von unten, erklärt der rox. zeichnende Rezensent. Ausgewertet hat Stolberg nämlich Dokumente - Briefe und Biografien - aus den Jahren 1550 bis 1850, in denen Leidende über ihr Leiden sprechen. Was sich dabei zeigt: Sie tun es keinesfalls unbeeinflusst von den kursierenden medizinischen Theorien ihrer Zeit. Die Blutfülle, eine Diagnose, die heute keiner mehr stellt, haben lange Zeit viele am eigenen Leib zu erfahren geglaubt. Daraus folgt: Auch das eigene Erleben kann nicht unabhängig bleiben vom "kulturellen Kontext". Dem hat der Rezensent nichts hinzuzufügen.