Neel Mukherjee

In anderen Herzen

Roman
Cover: In anderen Herzen
Antje Kunstmann Verlag, München 2016
ISBN 9783956140891
Gebunden, 640 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Giovanni und Ditte Bandini. Kalkutta, 1967 - die Stadt befindet sich im Aufruhr, Studenten liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei, Betriebe werden bestreikt. Angetrieben von dem Wunsch, sein eigenes Leben und die Welt zu verändern, hat sich Supratik, der älteste Enkel im Haus der Ghoshes, einer maoistischen Gruppierung angeschlossen. Während er versucht, die landlosen Tagelöhner für den bewaffneten Kampf zu gewinnen, und sich dabei in die Widersprüche zwischen politischem Idealismus und terroristischer Aktion verstrickt, bleiben die Zeichen der Zeit hinter den Mauern des Familiensitzes unerkannt. Noch herrschen der alternde Patriarch und seine Frau über die weitverzweigte Familie und ein Unternehmen, das diese in Wohlstand leben lässt. Aber so wenig sie die Brüchigkeit der alten Ordnung erkennen, so blind sind sie für die dunklen Geheimnisse der Kinder, die Intrigen der Schwiegertöchter und den schleichenden Kollaps des Familienunternehmens, der die Familie schließlich vor eine Zerreißprobe stellt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.05.2016

Der neue Roman von Neel Mukherjee erinnert den Rezensenten Hans-Peter Kunisch an die Buddenbrooks - aber dann auch wieder nicht: Schließlich gehe es in dem indischen Familien- und Politroman um den Abstieg von Neureichen. In jedem Fall war es für den Rezensenten eine eindringliche Leseerfahrung. Diese entstehe einerseits durch die Verquickung von zwei Erzählsträngen und miteinander verschränkten Geschichten, andererseits durch die bildhafte, präzise Sprache Mukherjees, der bei der Schilderung von Folterszenen auch seine "Begabung für Schwieriges" offenbare. Nicht ganz gelungen ist der Versuch, einem der Protagonisten einen maoistischen Jargon zu unterlegen, so Kunisch. Doch insgesamt empfiehlt er diesen Roman als wirklichkeitsnah, gut lesbar und psychologisch stimmig.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.04.2016

Dem irreführenden Titel zum Trotz hat Rezensentin Claudia Kramatschek mit Neel Mukherjees neuem Roman keine gefühlsträchtige indische Generationensaga gelesen, sondern vielmehr ein nachhallendes, schockierendes und erstaunlich aktuelles Porträt einer Gesellschaft, der Ansehen und Schein mehr gilt als Moral. Gebannt liest die Kritikerin vom Schicksal der Ghoshs, die in drei Generationen unter einem Dach lebt und trotz des drohenden Bankrotts ihrer Fabriken an überkommenen Traditionen festhält. Zugleich folgt Kramatschek dem Enkel der Familie, der sich den Naxaliten anschließt und in Briefen von den verheerenden Arbeitsbedingungen der Bauern und Tagelöhner, aber auch von den Machtkämpfen der Kommunistischen Partei berichtet. Mukherjee erzählt in "schonungslosem Realismus", der vor Schilderungen von Folter, Fäkalsex-Szenen und Vergewaltigungen nicht halt macht, schreibt die Kritikerin, die diesem elegant und eindringlich geschriebenen Roman über die bengalische Kultur gern gelegentliche melodramatische Abstecher verzeiht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.04.2016

Dieser Roman über drei Generationen einer bengalischen Mittelschichtsfamilie setzt 1967 ein. Er blendet vor und zurück, erzählt von den einzelnen Familienmitgliedern und den Dienern. Dazwischen geschnitten sind Tagebucheinträge eines Enkels, der sich dem revolutionären Kampf angeschlossen hat und kurze Abstecher in eine Welt, in der fast überall die 68er ihre Revolution austragen, erzählt Rezensentin Shirin Sojitrawalla. Viel Stoff also, der außerdem noch starke dramaturgische Stränge zu haben scheint. Da gibt es laut Rezensentin ungeheuer brutale, kaum auszuhaltende Szenen, dann wieder erinnert sie das Verhältnis von Herrschaft und Dienerschaft an die unterhaltsame Serie "Downton Abbey". Insgesamt scheint der Roman aber doch von einem Realismus geprägt zu sein, der die vielschichtige Wirklichkeit, die zum Verfall der Familie führt, für Sojitrawalla gut nachzeichnet. Sie hat die Lektüre jedenfalls beeindruckt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.04.2016

Martin Kämpchen lässt sich bereitwillig hineinziehen in diese Familiengeschichte aus dem Kalkutta der Jahre 1967-1970 von Neel Mukherjee. Starke Nerven braucht er, um die Familienhölle aus Zank, Ausbeutung und Gier, Neid, Rache und Gehässigkeit unterm Rock der Anständigkeit auszuhalten. Einmal eingetaucht in die lieblose, tropisch-schwüle Welt, die der Autor labyrinthisch mit einer Vielzahl von Geschichten und Figuren wie ein Wimmelbild entfaltet, kann Kämpchen den Niedergang der Familie nachvollziehen. Wie der Autor Details wie das schmierige Lachen eines Polizisten darzustellen weiß (groß übersetzt von Giovanni und Ditte Bandini, meint der Rezensent), scheint Kämpchen plastisch bis zum Ekel. Ein Wirklichkeitsgefühl, dem keiner entkommt, schließt er.
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