Norbert F. Pötzl

Erich Honecker

Eine deutsche Biografie
Cover: Erich Honecker
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2002
ISBN 9783421055859
Gebunden, 384 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Wie konnte ein so unscheinbar wirkender, intellektuell mittelmäßiger und rhetorisch schwacher Politiker wie Erich Honecker die Macht in der DDR erringen und die deutsche Geschichte mit prägen? Honeckers linkische Art bei öffentlichen Auftritten und seine Sprechweise dürfen indes nicht darüber hinwegtäuschen, daß er hinter den Kulissen der DDR die Fäden zog. Norbert F. Pötzl hat viele Personen aus dem früheren Umfeld des DDR-Staatschefs persönlich befragt und Honecker bis zuletzt publizistisch begleitet. Auf dessen Flug ins chilenische Exil war er mit an Bord. Aus Erzählungen ehemaliger Weggefährten und Widersacher, einstiger Vertrauter und Verhandlungspartner zeichnet er ein farbenkräftiges Bild der Persönlichkeit Erich Honeckers mit allen strategischen Stärken und charakterlichen Schwächen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.09.2003

Für Louis Gerber ist die Darstellung der DDR in diesem Buch "zu milde" ausgefallen. Erich Honeckers Biograf Norbert Pötzl habe "die dunklen Seiten der DDR-Diktatur nicht bis ins letzte Detail ausgeleuchtet" und, wie dem Anmerkungsapparat zu entnehmen sei, "nicht in Archiven recherchiert". Trotzdem empfiehlt der Rezensent diese "faktenreiche", "leicht zu lesende" und "auf der Literatur und der Befragung von Zeitzeugen" basierende Biografie allen, die sich "mit Honecker und dem letzten Unrechtsstaat auf deutschem Boden auseinandersetzen wollen". Das Buch ist, wie man erfährt, nicht zuletzt ein Versuch auf das Rätsel von Honeckers Macht zu antworten, wie sie in einer vom Rezensenten zitierten Bemerkung Helmut Schmidts besonders deutlich wird: "Mir ist nie klar geworden, wie dieser mittelmäßige Mann sich an der Spitze des Politbüros so lange hat halten können." Laut Pötzl, berichtet Gerber, gründete Honeckers Macht weniger auf irgendeiner eigenen Leistung als vielmehr auf Mittags Wirtschaftspolitik, Mielkes Staatssicherheit und Herrmanns Propagandaabteilung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.02.2003

Dies ist keine "deutsche Biografie", wie der Titel suggeriert, urteilt der Rezensent Peter Jochen Winters, allenfalls könnte man von einem "flott geschriebenen Sachbuch" oder "Auskünfte über Honecker" sprechen. In dieser sogenannten Biografie sind alle Fehler vereinigt, die gerade bei diesem Genre gefährlich sind, erklärt Winters und zählt auf: Quellen und Literatur im Anmerkungsapparat sind willkürlich und unvollständig, auf ein Aktenstudium im Bundesarchiv zum Beispiel hat der Autor gänzlich verzichtet, um mit ausführlichen Interviews von Weggefährten (zum Beispiel Krenz, Schalck-Golodkowski, u.a.) eine Fülle von Geschichten und Anekdoten nachzuerzählen, deren Summe mit Geschichtsschreibung jedoch nichts zu tun habe. Winters nennt in seiner Rezension mehrere Beispiele für die Unzuverlässigkeit der Quellen: So betrachte der Autor Honeckers "Reden und Aufsätze" in zwölf Bänden als "zehnbändige Gesamtausgabe seiner Werke" (die es nicht gibt) und verweise auf das Fehlen der Rede zum 11. Plenum, "dem sogenannten kulturellen Kahlschlag-Plenum" vom Dezember 1965. Gemeint sind wohl die "Reden und Aufsätze" aus den Jahren 1971 bis 1987, meint Winters, und die seien im Anmerkungsapparat gar nicht verzeichnet. Fataler noch sei die Schlussfolgerung, die Pötzl hieraus ziehen würde: "Die Polemik, mit der er (Honecker) über Geistesgrößen der Republik herfiel, war ihm später selbst peinlich." Auch wörtliche Zitate sind immer wieder ohne Quellen verzeichnet, sie stammen aus der Sekundärliteratur, vermutet Winters und fragt sich: "Woher hat der Autor wörtliche Äußerungen von Günter Mittag über Ulbricht auf einer Politbüro-Sitzung vom 29.10.1971, und was veranlasst ihn zu der Behauptung, Politbüromitglied Friedrich Ebert sei 'ein Erzfeind Ulbrichts' gewesen?" Auch bemängelt Winters, dass der Leser wenig Erhellendes über Honeckers Flucht 1945 aus dem Zuchthaus Brandenburg erfährt, ebenso würden beispielsweise die Beziehungen zu so unterschiedlichen Männern wie Stephan Hermlin und Wolfgang Vogel nicht beleuchtet. "Fragen, die Pötzl nicht beantwortet, ja nicht einmal ernsthaft stellt", bedauert der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2002

Mit diesem Buch liegt die "erste authentische und gut erzählte Honecker-Biografie" vor, jubelt Klaus Bölling. Er lobt den Autor sehr für seine "mustergültig gewissenhafte Recherche". Besonders gelungen findet er, dass der Biograf Erich Honecker weder dämonisiert noch als bloßen "Apparatschik" zeichnet. Plötzl mache vielmehr plausibel, wie sich ein so "mittelmäßiger" Politiker derart lange an der Spitze der DDR halten konnte. Es lag wohl daran, dass sich Honecker nur mit "Mittelmaß" umgeben hat, ist der Rezensent überzeugt. Er bewundert an der Lebensbeschreibung, dass es dem Autor gelungen ist, auch von einer nicht gerade facettenreichen Persönlichkeit wie der Honeckers, ein "nuanciertes" Charakterbild zu zeichnen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

"Honi boomt", stellt Christoph Diekmann fest. Schließlich ist mit Norbert F. Pötzls Honcker-Buch nach Henrick Eberles "Anmerkungen zu Honecker" und Thomas Kunzes "Staatschef a.D." nun die dritte Biografie binnen zweier Jahren über das einstige DDR-Staatsoberhaupt erschienen. Mit Pötzls Arbeit ist Diekmann, der zunächst sämtliche Stationen des Lebenswegs Honeckers ausführlich nacherzählt, recht zufrieden. Der Autor referiere seinen Gegenstand von außen, mit einer gewissen Kühle, aber "überaus fair", lobt der Kritiker. Vor allem bei der Beschreibung der deutsch-deutschen Brücken findet Diekmann Pötzl stark: "Da taut der Archivar auf und wird Chronist, da sitzen wir mit Honecker und Wehner beim Pflaumenkuchen", freut sich der Rezensent. Eingerahmt wird das Werk nach Angaben Diekmanns mit Impressionen von Honeckers letztem Flug, ins chilenische Exil: Pötzl überreichte dem greisen Honecker mitgebrachte Fotos, "Erinnerungen an bessere Zeiten", die dieser gnädig mit nostalgischen Kommentaren bedachte. "Das ist süß", bemerkt der Rezensent, "ein zartes afterglow der staatsmännischen Aura des E. H."