Norbert Gstrein

Die kommenden Jahre

Roman
Cover: Die kommenden Jahre
Carl Hanser Verlag, München 2018
ISBN 9783446259409
Gebunden, 288 Seiten, 16,99 EUR

Klappentext

Richard erforscht Gletscher, Natascha erforscht Menschen. Als Autorin schreibt sie nicht nur über sie, sondern gibt sich ihnen hin. Eines Tages öffnet sie ihr Haus einer vor dem Krieg geflohenen Familie aus Damaskus. Und Richard? Er desertiert immer weiter aus der eigenen Existenz, träumt von Kanada und zweifelt an jedem Alltag, an der Politik, der Liebe und dem Leben. Dieses Portrait eines Sommers voller Aufbrüche erzählt von einem Paar im "mittleren Alter", vom Flug der Zeit, vom Anderswerden und vom Älterwerden. Doch nach diesem Buch weiß man: Es geht nicht nur um die kommenden Jahre, es geht um jeden Augenblick des Lebens.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.08.2018

Tagespolitik mit "romantauglicher Tiefe" erhält Rezensent Andreas Isenschmid in Norbert Gstreins Roman "Die kommenden Jahre". Erzählt wird die Geschichte eines deutschen Paares, das eine syrische Flüchtlingsfamilie in ihrem Sommerhaus aufnimmt, wo jene bald bedroht wird und worüber sich das Paar Natascha und Richard entzweit: Während sie ihm aufgrund seiner kühlen Distanz AfD-Nähe vorwirft, bezeichnet er sie als "Monster der Moral". Was nach "Stammtisch"-Dialogen klingt und sich durchaus auch so lesen soll, wird von Gstrein aber nicht nur spannend und anregend erzählt, sondern vor allem klug ausgelotet, versichert der Kritiker. Während ihm Natascha zwar ein wenig "unvorteilhaft" erscheint, zieht ihn vor allem der schweigsame und beobachtende Richard in seinen Bann. Dass Gstrein allerdings drei Schlussvarianten anbietet, missfällt Isenschmid: Wie eine "Symphonie, welcher der Schlusssatz fehlt", meint er.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.03.2018

Als meisterliches "Schelmenstück" preist Rezensentin Meike Fessmann den neuen Gesellschaftsroman von Norbert Gstrein, der ihr anhand einer deutschen Familie, die eine syrische Flüchtlingsfamilie aufnimmt, von Klimawandel, Migrationsbewegungen und gesellschaftlichem Stimmungsumschwung erzählt. Auch wenn die Kritikerin über einige wenige Ressentiments hinweg lesen muss, bewundert sie das Vermögen des Autors, die Perspektiven seiner Protagonisten geschickt miteinander zu verschränken. Neben deutlich erkennbaren Anleihen an Karl May, Mark Twain oder Herman Melville beschwöre Gstrein hier vor allem den Raum des Imaginären, meint Fessmann, die den Roman auch als "Feier des Eskapismus" liest.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2018

Rezensent Fridtjof Küchemann lernt mit Norbert Gstreins neuem Roman, dass die Fragen der Menschlichkeit sich nicht in Selbstverständlichem erschöpfen. Die guten Absichten der Hauptfiguren, eines erfolgreichen Ehepaares, das eine Flüchtlingsfamilie in ihr Ferienhaus aufnimmt, geraten im Text zur Nebensache, stellt Küchemann fest. Das Böse tritt hinzu und laut Rezensent noch allerhand Zwischentöne, Widersprüchliches und Doppeldeutiges. Zusammen mit den komplex gezeichneten Figuren entsteht für ihn ein Roman, der über die Flüchtlingsthematik hinaus als Geschichte einer Entfremdung und Verstrickung gelesen werden kann.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.02.2018

Rezensent Carsten Otte möchte Norbert Gstreins Roman gerne allen Zweiflern zu lesen geben. Lernen könnten sie damit laut Otte, dass wir die Summe unserer Handlungen sind. Die existenziellen Fragen um Ehe-, Klima- und Flüchtlingskrise, die der Autor anreißt, für Otte sprachlich und dramaturgisch überzeugend, unterhaltsam und eindringlich, wenngleich mit vielen Klischees spielend, summieren sich in diesem Text zu einem "Migrationsdrama 2.0", in dem die Frage nach den Handlungsmotiven im Zentrum steht, meint der Rezensent. Antipodisch behandeln Text und Figuren das, erklärt Otte, ohne dass die Feinheiten auserzählt würden. Eine Stärke des Autors, findet er.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.02.2018

Rezensent Andreas Breitenstein bewundert Norbert Gstreins Fähigkeit, den zweischneidigen Zahn der Zeit zu beschreiben, sei es als private Angelegenheit, sei es als Verdüsterung des gesellschaftlichen Horizonts durch Fanatismen, sprachlich federleicht und zugleich erkenntniskritisch intrikat konstruiert. Für Breitenstein gelingt dem Autor mit seiner Geschichte über das Altwerden und den humanitären Eifer nicht weniger als der paradigmatische Roman unserer Zeit, der ins Herz der Gegenwart trifft, aber den Versuchungen von Fanatismus und Eskapismus Skepsis, Mitleid und Ironie entgegensetzt.