Nuruddin Farah

Netze

Roman
Cover: Netze
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009
ISBN 9783518421031
Gebunden, 490 Seiten, 28,80 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Reinhild und Gunter Böhnke. Cambara, eine willensstarke Frau, beschließt, aus ihrer Wahlheimat Toronto in ihr Geburtsland Somalia zurückzukehren. Ihr geliebter Sohn ist durch die Unachtsamkeit ihres Mannes ums Leben gekommen, doch die Reise ist nicht nur eine Flucht: Cambara will das alte Anwesen ihrer Familie den Händen eines Warlords entreißen. Das Mogadischu, in das sie kommt, ist schwer gezeichnet vom Bürgerkrieg: Jugendliche mit automatischen Waffen patrouillieren die Straßen, Clan-Rivalitäten, Langeweile und das allgegenwärtige Kaat haben die einstmals lebendige Stadt im Griff, islamistische Gruppen nutzen die Lähmung, um Einfluß zu gewinnen. Doch nach und nach gelingt es Cambara, Verbündete zu gewinnen - Heldinnen der Vernunft in einer Welt der Zerstörung.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.06.2010

Angela Schader traut sich nicht, Nuruddin Farahs zweiten Trilogie-Band über Exil-Somalier, die nach Mogadischu zurückkehren und sich um den Wiederaufbau des bürgerkriegsgeschüttelten Landes bemühen, einfach schlecht zu finden. Der tiefe "Respekt" vor dem in der Vergangenheit auch schon mal als Literaturnobelpreisträger gehandelten somalischen Autor und seinem Werk ist zu groß, um hier leichtfertig zu urteilen, macht sie klar. Trotzdem ist sie zutiefst irritiert über die platte Figurenzeichnung und die Naivität einer Heldin, die sich mittels eines "Sackmessers" gegen die marodierenden Banden auf der Straße durchsetzen zu können glaubt und die sich allzu selbstbewusst mit Erfolgen schmückt, die sie nach Hergang des Romans eigentlich gar nicht selbst errungen hat. Ratlos fragt sich Schader, welche Intention der Autor, der selbst seit langem im Exil lebt, dazu getrieben haben könnte, die komplexe Auseinandersetzung mit seiner problematischen Heimat in seinen früheren Romanen gegen die hier agierende "gnadenlose Achse des Guten" abzulösen. Sollte es so sein, dass Farah mit seinem Roman Exilsomalier und den Rest der Welt daran erinnernd wollte, sich auf ihre "Pflicht gegenüber dem gemarterten Land" zu besinnen, so hat er dafür weder eine überzeugende Heldin noch eine gelungene Form gefunden, beklagt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.03.2010

Nuruddin Farah lässt in seinem neuen Roman "Netze" eine reiche Somalierin aus ihrem kanadischen Exil nach Mogadischu zurückkehren, wo sie den Kampf gegen einen sich in ihrem Elternhaus eingenisteten Warlord aufnimmt und sich mit einem Theaterstück für den Aufbau von "zivilgesellschaftlichen Strukturen" einsetzt, fasst Andreas Eckert zusammen. Der aus Somalia stammende Autor gilt ihm als der "große Frauenversteher", und auch in diesem packenden Roman seien es die Frauen, die sich der herrschenden Gewalt und den korrupten Strukturen widersetzen, stellt der Rezensent durchaus mit Wohlwollen fest.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.01.2010

Sehr interessant fand es Karl-Markus Gauß, aus diesem Roman Nuruddin Farahs mehr über die Zustände in Somalia zu erfahren, als die Schreckensmeldungen in den Medien berichten. Der Schriftsteller, der, wie der Rezensent weiß, selbst lange Zeit als somalischer Flüchtling in Italien, Deutschland und den USA verbrachte, lässt seine in Kanada lebende Protagonistin Cambarra in das Land ihrer Herkunft zurückkehren. Wie Gauß berichtet, erzählt das Buch von der Konfrontation der gebürtigen und von zahllosen Schicksalsschlägen heimgesuchten Somalierin mit den Zuständen in ihrem Heimatland, in dem "skrupellose Kriegsfürsten und islamistische Sittenwächter" das Sagen haben. Von Drogen berauschte Kindersoldaten und Frauen in Ganzkörperschleier bilden laut dem Rezensenten die Kulisse von "Netze". Doch einen Hoffnungsschimmer erkennt Gauß in dieser schrecklichen Szenerie: die Frauen. So naiv das auch klinge, meint der Rezensent, so zeige Farah in seinem Roman eine Form von weiblichem Widerstand, der lebensbejahend wirke. Trotz einigen umständlichen und detailreichen Beschreibungen lobt Gauß den Roman, in dem laut ihm "kleine Inseln der Zivilisation im Meer der Barbarei" entstünden.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.12.2009

Sabine Berlin stellt voller Sympathie den somalischen Schriftsteller Nuruddin Farah vor, der einer der wichtigsten Berichterstatter über sein vom Bürgerkrieg gebeuteltes Land geworden ist. Immer wieder reist Farah dorthin und immer wieder schickt er auch seine Helden in dieses Inferno, diesmal die junge Cambara, eine im Exil in Toronto aufgewachsene Somalierin, wie Berkin berichtet. Nach einer ersten arrangierten Ehe mit einem Cousin, der kanadische Papiere brauchte, heiratet sie ein zweites Mal, aus Liebe, einen wahrscheinlich noch schlimmeren Versager, der den gemeinsamen Sohn im Pool ertrinken lässt. Cambara kehrt nach Somalia zurück und trifft hier auf die Kat-kauende Nemesis des Landes: Kindersoldaten, Söldner, Kriegsgewinnler und Geschäftemacher. Ums Leben und Überleben kümmern sich derweil die Frauen. Ihre Qualität beziehen Farahs Bücher aus der tragischen Realität, betont Berking, die aber sehr freundlich sehr deutlich macht, dass Farahs utopische und gänzlich ironiefreie Beschwörung der weiblichen Tugenden für ihren Geschmack recht nah an der Grenze des Gutmenschtums entlangstreift. Dem Verlag gibt sie noch auf den Weg, dass er seinem langjährigen Autor nicht immer wieder neue Übersetzer stellen sollte.
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