Ossip Mandelstam

Die beiden Trams

Kinder- und Scherzgedichte. Epigramme auf Zeitgenossen 1911-1937
Cover: Die beiden Trams
Ammann Verlag, Zürich 2000
ISBN 9783250104186
Gebunden, 237 Seiten, 29,65 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen und herausgegeben von Ralph Dutli. In diesem Band soll Raum sein für einen "anderen" Mandelstam. Ausgelassener Humor, durchtriebene Ironie, ein poetischer Spieltrieb ? all dies kennzeichnet den großen Lyriker nicht weniger als die unzweifelhaft tragischen Umstände seines Lebens in der finsteren Stalin-Epoche. Mandelstams Scherzgedichte haben etwas Chaplineskes, stehen für den Wunsch, noch im größten Schlamassel das Lachen und damit den Lebensmut nicht aufzugeben. Doch diese Texte sind Scherzartikel mit Hintergründen. Hinter dem Nonsens blitzt nicht selten der witzige kleine Nebensinn auf. Humor kann subversiv sein, und Mandelstams "scherzhafte" Opposition war den Machthabern ein Dorn im Auge. Seine Gedichte bezeugen jene "geistige Autonomie", in der Joseph Brodsky Mandelstams eigentliches "Vergehen" und den Grund für seinen Tod im Lager sah. Wenn dieser letzte Band der Mandelstam-Werkausgabe nur etwas ausstrahlen möchte, so ist es ein durchtriebener, schalkhaft-schelmischer Charme. Das von Lidija Ginsburg überlieferte Wort Anna Achmatowas darf sich noch einmal bewahrheiten: "Ossip ist ein Schrank voller Überraschungen!"

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.12.2000

Ossip Mandelstam lachte gerne, berichtet Franz Haas, auch wenn er gegen Ende seines Lebens immer weniger zu lachen hatte. Ein Refugium für Unsinn und Heiterkeit bildeten darum für ihn die Kinderbücher, die er Mitte der zwanziger Jahre zu schreiben begann. Die Welt des Hausrats und der Küche war unverfänglich genug, um den politisch kalt gestellten Dichter nach Lust und Laune walten und dichten zu lassen. Haas gibt verschiedene Kostproben der Mandelstamschen Hausmannskost - köstlich: "Die Wasserleitung ist nie leer/ Wo nimmt die all das Wasser her?" Dass diese heiteren Kinderverse zugleich voll sind von Anspielungen auf den sowjetischen Alltag, der bekanntermaßen nicht besonders gut funktioniert hat, erschließt sich nach Haas dem heutigen Leser nicht auf Anhieb, der dafür aber vom gewitzten Übersetzer Dutli in einem "umsichtigen Kommentar" über die politischen Bezüge und Doppelbödigkeiten der Verse aufgeklärt werde. Dieser Band schließt und rundet nach Meinung des Rezensenten die zehnbändige Gesamtausgabe der Werke Mandelstams ab.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.10.2000

Hanns-Josef Ortheil entdeckt im zehnten und letzten Band der Werkausgabe eine "weitgehend unbekannte" Seite des russischen Autors. Das Buch, dessen erster Teil Kinder- und Scherzgedichte und dessen zweiter Teil Epigramme auf Freunde und Zeitgenossen enthalte, zeige einen "lachenden" Mandelstam, den das Spätwerk nicht mehr kenne. Die Kindergedichte, die zumeist um alltägliche, kleine Dinge kreisen, enthalten in ihrer Betonung des Schauens, Untersuchens und Auseinandernehmens bereits so etwas wie die "Regeln seiner Kinderpoetik", meint der Rezensent, der in einzelnen Gedichten aber auch Anzeichen einer sehr kritischen Auseinandersetzung mit dem Sowjetregime entdeckt. In den Scherzgedichten und Epigrammen werde ein Autor sichtbar, der sich allen Widerständen gegenüber "trotzig behauptete". Gleichzeitig entstehe mit den Gedichten auf bestimmte Personen so etwas wie eine "Figurengalerie" seines Lebens. Mit Lob überschüttet der Rezensent den Herausgeber, dessen "allwissende" Hinweise und Anmerkungen er außerordentlich nützlich und lesenswert findet.
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