Ralf Rothmann

Hotel der Schlaflosen

Erzählungen
Cover: Hotel der Schlaflosen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518429600
Gebunden, 200 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

"Fear is a man's best friend" lautet das Motto von Ralf Rothmanns neuem Erzählungsband "Hotel der Schlaflosen", und tatsächlich ist es oft die Angst, die seinen Figuren aus der Not hilft. Der alternde Dozent, dem während einer Autopanne in der mexikanischen Wüste die Logik der Liebe aufgeht, die Geigerin, die eine finale Diagnose erhält, oder das Kind im Treppenflur, das seine Prügelstrafe erwartet - sie alle erfahren Angst auch als spiegelverkehrte Hoffnung. Und sogar in der erschütternden Titelgeschichte, dem Gespräch des Schriftstellers Isaak Babel mit Wassili Blochin, seinem Moskauer Henker, für den eine Pistolenkugel die letzte und höchste Wahrheit ist, lässt uns der Autor teilhaben an der Einsicht, dass es eine höhere gibt.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 19.12.2020

Richard Kämmerlings folgt Ralf Rothmann gern in seine Heimat im Ruhrgebiet. Rothmanns Erzählungen bieten dazu erneut jede Menge Gelegenheit, etwa wenn der Autor Kindheits- und Jugenderlebnisse erinnert. Aber auch Literaturgeschichtliches kommt im Band vor, eine Variation von Johann Peter Hebels Kalendergeschichte "Unverhofftes Wiedersehen". Ein "breites Spektrum" an Schauplätzen und Themen, erklärt Kämmerlings, von der Arbeiterwelt der Sechziger bis zum Westberlin der Achtziger, Sozialstudien, Meditationen über den Tod und eine Geschichte über den Henker von Isaak Babel, die Kämmerlings besonders gefallen hat, auch wenn sie die "tiefste Finsternis" des Buches markiert, wie er meint.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 26.10.2020

Ralf Rothmann gönnt weder seinen Figuren noch seinen Lesern ein Hoffnungszeichen, warnt Rezensent Michael Braun, denn der Erzähler erweist sich auch in diesen Geschichten als ein Meister des Verhängnis: Isaak Babel muss seinem Henker gegenübertreten, einer Violinistin reißt die Saite, der Dicke Schmitt findet keinen Gefährten für seine hinkende Tochter. Rezensent Braun erlebt hier "schockierende Drastik", jäh abbrechende Lebenskurven und seelische Erschütterung, meldet aber keinen Einspruch gegen so viel Finsternis an. Denn immer erkennt der Rezensent bei Rothmann auch das "Schauen ohne Anmaßung", das der Autor selbst einst Peter Handke attestiert hatte.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 22.10.2020

Rezensent Wolfgang Schneider schätzt die atmosphärische, vielgestaltige Prosa von Ralf Rothmann. Dass die Figuren in den Erzählungen über Musiker, Lebenskünstler, Reisende, Reiter und Henker nicht "auspsychologisiert" sind, gefällt ihm. Das Innere scheint ihm in der fein und präzise beschriebenen Außenwelt lesbar. Vor allem die Titelgeschichte über Isaak Babel und seinen Henker Blochin jagt dem Rezensenten Schauer über den Rücken - groß erzählt und wahr! Das gilt auch für die Texte, in denen Rothmann aus "seinem" Ruhrpott erzählt, findet Schneider.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.2020

Mit geradezu dichterischer Sorgfalt hat Ralf Rothmann seine Erzählungen komponiert, versichert Thomas Steinfeld, der hier gerade in den Anfangssätzen absolut klassische Satzperioden erkennt. Die Geschichten handeln von Geigerinnen und Pferdezüchtern, von Isaak Babels Mörder oder dem dicken Schmitt, und immer passiert etwas Großes oder etwas Schreckliches, erfahren wir vom Rezensenten, und meist lässt sich das Ereignis, auf das sie zulaufen, nicht wieder gut machen. Dass Rothmann diesen Schrecken nach Steinfelds Worten mit "poetischer Routine" zu bannen vermag, scheint der Rezensent nicht nur als Kompliment zu verstehen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2020

Ob Rezensent Andreas Kilb liest, was er schreibt? Dass Ralf Rothmanns Erzählen ihn begeistert, mag ja angehen. Aber wieso muss es immer gleich der Superlativ sein? Kein anderer Autor in der deutschen Literatur schildert derzeit szenisch so virtuos wie Rothmann! Kilb kennt sie gewiss alle. Immerhin räumt er ein, dass nicht alle Erzählungen im Band brillant sind. Mancher Dialog wirkt auf ihn hölzern, manche Pointe billig. Rothmanns Können erkennt der Rezensent an der Vielfalt der Figuren und Schauplätze, vom Bestattungsunternehmer über den Maurer bis zur Soziologin, sowie an seiner knappen wie treffenden atmosphärischen Erzählweise.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.10.2020

Rezensent Christian Thomas liest gebannt in Ralf Rothmanns Erzählungen. Die naturalistische Detaildichte, etwa bei der "drastischen" Beschreibung der Begegenung zwischen Isaak Babel und seinem Henker, die kunstvolle Verknappung und die Andeutungskunst des Autors ziehen Thomas hinein auch in die Ruhrgebietsgeschichten. In ihnen verarbeitet der Autor laut Thomas die eigene Kindheit in "beklemmenden" Einzelheiten, erkundet "ausgemergelte Gefühlswelten", seelische und körperliche Züchtigung und vergebliche Hoffnungen zwischen Kohlehalden. Beeindruckend ist für Thomas die "schuldgesättigte" Wahrhaftigkeit der Geschichten, deren Wucht den Humor vertilgt.