Rolf-Dieter Brinkmann

Wörter Sex Schnitt, 5 Audio-CDs

Cover: Wörter Sex Schnitt, 5 Audio-CDs
Intermedium records, München 2005
ISBN 9783934847477
CD, 49,90 EUR

Klappentext

Originaltonaufnahmen 1973. Herausgegeben von Herbert Kapfer / Katarina Agathos. Unter Mitarbeit von Maleen Brinkmann. Produced by: br Hörspiel und Medienkunst 2005. 29 Tonbänder, Magnetbandspulen, fast alle in den originalen Schubern verpackt, mit numerierten Aufklebern, beiliegend bekritzelte Zettel, handschriftliche stichwortartige Notizen - der Audio-Nachlass von Rolf Dieter Brinkmann. Die Nummerierung stammt von der Witwe Maleen Brinkmann, die 30 Jahre nach dem Tod des Dichters, die Bänder zur Veröffentlichung freigibt. Die Aufnahmen entstanden - wie aus den Notizen, die einige wenige Datierungen enthalten, ersichtlich wird - im Zeitraum von Oktober bis Dezember 1973. Brinkmann machte die Aufnahmen in Köln mit Uher- und Nagra-Tonbandgeräten für die Sendereihe Autorenalltag des Westdeutschen Rundfunks. Redaktion: Hanns Grössel. Die 48:44 Minuten lange Sendung wurde am 26.1.1974 ausgestrahlt. Insgesamt nahm Brinkmann fast elf Stunden auf, die 29 Spulen haben eine Gesamtlaufzeit von 656:52 Minuten. Dass Brinkmann die Bänder als Materialquelle benutzte, erschließt sich schon aus den Notizen. Einzelne Aufnahmen bewertete er in Bezug auf eine mögliche Verwendung mit kurzen Bemerkungen wie sehr gut!!! oder Gut! uswund so weiter. Brinkmann operierte mit allen denkbaren Formen der Tonbandaufnahme bzw. -arbeit und produzierte eine Vielfalt von Textsorten: Monologisches Sprechen und Flüstern in der Wohnung und im Freien; Aufnahmen von Geräuschen und Geräuschabfolgen; Lesung von Postkarten, Gedichten, Notizen, Straßenatmosphäre mit Stimmen von Passanten; Partymitschnitte, spontane und reflektierende Musik-Kommentierung, Befragungen von Maleen und Robert Brinkmann; aktionistische Interviews mit Unbekannten, Kneipengästen et cetera, lautpoetische Improvisationen, Telefon-Aktionen, Band-Montagen mit zwei Geräten usw. Wie manche Aufnahmen entstanden, erscheint technisch und methodisch nicht einwandfrei rekonstruierbar.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 23.04.2005

Ende des Jahres 1973 stellt der WDR dem Schriftsteller Rolf Dieter Brinkmann für eine Serie mit dem Titel "Autorenalltag" ein Tonbandgerät zur Verfügung. Der entdeckt darin ein wunderbares Spielzeug und dieser Entdeckung verdanken wir wiederum, jedenfalls nach Ansicht des Rezensenten Frank Schäfer, eine ziemlich tolle Nachlass-Überraschung. Zum einen stellt Brinkmann offenbar allerhand Albernes an mit seinem Tonbandgerät - er quatscht Unbekannte an und drängt auch seine Frau und seinen Sohn zu Äußerungen -, zum anderen aber kommt es auch zur Dichterlesung ganz eigener Art. Neben dem Vortrag von schriftlich Festgehaltenem extemporiert er, oder, in den Worten von Frank Schäfer: Er "singt, zischt, brüllt, skandiert, flüstert, stöhnt, ächzt" - und zwar so virtuos, dass sich der Rezensent am Ende fragt, ob der Dichter Brinkmann in dieser Form nicht vielleicht sogar besser zu genießen ist als in seinen oft anstrengenden Prosa-Texten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.04.2005

Eine  veritable "Schatzkiste" erblickt Rezensent Alex Rühle in dieser CD-Box mit "sensationellen Tonbandaufnahmen" aus dem Nachlass von Rolf Dieter Brinkmann, der am Erscheinungstag der Kritik 65 Jahre geworden wäre. Den Mut Herbert Kapfers und Katharina Agathos', die 1973 von Brinkmann aufgenommenen Bänder ungeschnitten, mit allen Atempausen und Räusperern, Leerlauf, Montagen und Beigeräuschen auf fünf CDs herauszugeben, kann er gar nicht genug preisen. Die Aufnahmen selbst vergleicht er mit einem Hörspiel, "das sich in einem riesigen Steinbruch verläuft". Neben Texten, "die sich in Variationen immergleicher Teile mantraartig in sich selbst hineindrehen", finden sich geflüsterte Passagen, harte Schnitte, Partygeräusche, Gedichte, Straßenlärm und die Stille der Wohnung. Rühle sieht in den Tonbandaufnahmen von 1973 wesentlich mehr als ein "spielerisches Experiment". Er versteht sie im Kontext von Brinkmanns Sprachskepsis als "eine Art Rettungsversuch": "Das Aufnahmegerät", erklärt Rühle Brinkmanns Arbeit mit den Tonbandaufnahmen, "dient ihm als sensorische Antenne."
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