Thomas Melle

Das leichte Leben

Roman
Cover: Das leichte Leben
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2022
ISBN 9783462002577
Gebunden, 352 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Jan und Kathrin hatten mal alles, ihr leichtes Leben ließ sie schweben durch eine Welt, die dem schönen Paar vor allem wohlgesonnen war. Doch dieser Zustand ist ihnen abhanden gekommen. Zu schnell verändert sich die Welt um sie herum und sie selbst fühlen nur Stillstand, sind gefangen in den Konventionen der Ehe und des bürgerlichen Lebens. Kathrin war mal eine gehypte Schriftstellerin, heute fristet sie ihr Dasein als Aushilfslehrerin und versucht, sich bei einer Sexparty wieder zu spüren. Jan, ein berühmter TV-Journalist, wird geplagt von einem anonymen Erpresser, der Nacktfotos von ihm als Internatsschüler verschickt. Während ihr Mann panisch fürchtet, dass sein schreckliches Geheimnis ans Licht kommen könnte, begehrt Kathrin ausgerechnet den wunderschönen und mysteriösen Freund ihrer Tochter Lale, der dazu noch ihr Schüler ist. Thomas Melle liefert mit seinem neuen Buch eine literarische Bestandsaufnahme einer Gesellschaft getrieben von Sehnsucht, eben nach dem leichten Leben. 

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.09.2022

Rezensent Helmut Böttiger bekommt mit Thomas Melles neuem Roman "Das leichte Leben" einen Einblick in die "narzisstische Medien- und Kulturszene". Der Autor erzählt von dem erfolgreichen Redakteur Jan und seiner als Schriftstellerin gescheiterten Ehefrau Kathrin, beide etwa Mitte vierzig, und deren Lebenskrisen, die sie auf verschiedene Arten und Weisen zu überwinden versuchen - Jan wird mit dem erlittenen Missbrauch erpresst, Kathrin besucht muss der Versuchung widerstehen, eine Affäre mit dem jungen, rätselhaften Freund ihrer Tochter zu beginnen, offenbart uns Böttiger. Der Rezensent liest diesen Plot-getrieben Roman nicht unbedingt als Gesellschaftskritik, sondern als einen Blick unter der Oberfläche. Die Dialoge findet Böttiger pointenreich und authentisch, nur der Schluss irritiert ihn.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.09.2022

Rezensent Jörg Magenau erkennt die sprachliche Kraft in Thomas Melles Roman. Wie der Autor etwa jugendlichen Slang wiederzugeben vermag, findet er überzeugend. Leider schafft Melle keine Fallhöhe für seine Figuren, sondern stellt ihre Ausweglosigkeit von Anbeginn an nur allzu deutlich aus, bedauert Magenau. Die gnadenlos runtererzählte Geschichte um ein Redakteur-Schriftstellerin-Paar in der (sexuellen) Krise hält für ihn kaum Überraschungen bereit, bloß Scheitern, Schmerz und Trauer. Ein nihilistisches Spektakel, meint der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.09.2022

Der klassische "Ehe- und Gesellschaftsroman", weiß Rezensentin Ursula März, erzählt vom Bürgertum, das sich stoisch selbst dekonstruiert. In dieser Hinsicht ist auch Thomas Melles Roman "klassisch" zu nennen, meint sie. Eine bildungs- bzw. bilderbuch-bürgerliche Ehe schwelt vor sich hin, bevor sie schließlich, der Erotik sei Dank, explodiert. Allerdings, dies deutet März schon mit ihrer Wortwahl an (von Schwelbrand etwa und Brandbeschleuniger ist die Rede) vollzieht sich diese Dekonstruktion hier ungewohnt rasant. Knackige Dialoge, schnelle Szenenwechsel und Sätze wie Peitschenhiebe, so März - das ist der Stoff, aus dem "Das leichte Leben" gemacht ist. Zwar erscheint ihr der Plot hier und da etwas "überkonstruiert", doch dieses Manko macht Melle wieder wett durch die beeindruckende Präzision, mit der er sein Bild unserer "übererregten Gesellschaft" zeichnet, lobt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.09.2022

Ach je! Rezensent Oliver Jungen bedauert sehr, dass Thomas Melle in seinem neuen Roman um einen Boulevard-TV-Moderator in der multiplen Krise nicht zu seiner Form findet. Melle kann radikal erzählen, versichert Jungen, hier aber reicht es nur zu faden Dialogen, blassen Figuren und einer konventionellen, klischeeschwangeren Handlung, muss er feststellen. Zu wenige Passagen in der Verfallsgeschichte findet Jungen überzeugend, weil von erzählerischer Intensität (die Sexszenen etwa), zu vieles erscheint ihm "nur noch obsessiv", doch ohne inhaltliche Notwendigkeit. Allerdings: Wie plastisch Melle das Zigarettenziehen am Automaten beschreibt, findet Jungen nicht seicht, sondern groß.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.09.2022

Rezensentin Erika Thomalla kann nicht finden, dass Thomas Melle in seinem neuen Roman, der laut Thomalla überraschenderweise ein Eheroman ist, die Dynamiken einer Ehekrise von heute überzeugend wiedergibt. Zu grell und klischeehaft sind ihr die Versatzstücke, die Melle auffährt, Missbrauch, Betrug, Erpressung, Orgien, Verschwörungstheorien gehören dazu, wie in einer Vorabendserien reihen sich die dramatischen Ereignisse aneinander. Melles dekonstruktive Analyse des bürgerlichen Ehelebens scheint ihr andererseits aber auch nicht von genügend ironischer Distanz geprägt, als dass man das Buch für eine Parodie eines Familienromans halten könnte.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.09.2022

Thomas Melles neuer Roman scheint Rezensentin Hanna Engelmeier missmutig zu stimmen. Nach seinem Roman "Die Welt im Rücken" und dem Theaterstück "Bilder von uns" gehe es weiter mit der Befragung des bürgerlichen Lebens auf die Möglichkeit von Glück: Diesmal ist es ein Ehepaar, dessen "leichtes Leben" gegen die Wand gefahren wird - der Fernsehmoderator Jan Drescher, der von seiner Missbrauchsvergangenheit auf einem Jesuitengymnasium eingeholt wird, und die Lehrerin Kathrin Drescher, die etwas mit einem ihrer Schüler anfängt. Dabei geht es, so Engelmeier, weniger um den zeitgenössischen Kulturkampf als um das Verhältnis zwischen "Medienwirkung" und Individuum, was vor allem auf dem Feld der Pornografie ausgehandelt werde: alle Figuren haben im Grunde eine von Bildern völlig korrumpierte Sexualität, was Melle in vielen, nicht unbedingt guten Sexszenen verhandle, wie Engelmeier befindet, wobei sie zugleich einräumt, dass eine gute Sexszene auch ein Kunststück sei. Ob diese Medienverteufelung nun sonderlich realistisch ist, möchte sie dahingestellt lassen. Auch auf die x-te literarische Verarbeitung kleinbürgerlicher Heuchelei hätte sie gut verzichten können. Was sie Melle jedoch zugestehen muss: seine filmreife, "bezwingende" Darstellung dieses Untergangs.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.09.2022

Das Buch "soll" brillant sein, erklärt Rezensentin Judith von Sternburg und man versteht nicht ganz, warum sie es nicht einfach brillant nennt, denn die Lektüre scheint außerordentlich anregend gewesen zu sein. Sie hat sie jedenfalls ausführlichen Kritik inspiriert. Worum gehts? Um ein Paar in den Vierzigern, dem das Leben und alles was mal wichtig war davonzurinnen scheint. Kulturbürgertum, dessen Kultur untergeht, oder das sie vielmehr selbst niederreißt. Die Frau versucht, mit einer Sexparty der Tristesse zu entkommen, der Mann mit einer Geliebten. Melles kluger, realistischer Blick auf diese Vertreter einer gut situierten, angesehenen Gesellschaftsschicht imponiert Sternburg. Melle beschreibt das Ende der bürgerlichen Welt, wie wir sie kennen, ahnt sie.
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