Tove Ditlevsen

Gesichter

Roman
Cover: Gesichter
Aufbau Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783351039387
Gebunden, 160 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein. Kopenhagen, 1968: Lise Mundus, Autorin und Mutter dreier Kinder, entgleitet ihr Alltag. Sie meint, Stimmen zu hören und Gesichter zu sehen. Sie ist überzeugt, dass ihr Mann, der extravagant untreu ist, sie betrügt und verlassen wird. Vor allem aber hat sie Angst, dass sie nie wieder schreiben wird. Als sie in die Klinik geht und sich behandeln lässt, fragt sie sich, ob der Wahnsinn wirklich etwas ist, wovor sie sich fürchten muss -  oder ob er nicht auch eine Form von Freiheit für sie bereithält. ps

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.05.2022

Rezensentin Sophie Wennerscheid entdeckt gespannt einen weiteren Roman der dänischen Autorin Tove Ditlevsen, der sich ganz anders lese als ihre erfolgreiche Kopenhagen-Trilogie. Es geht um die Kinderbuchautorin Lise Mundus, die unter starken psychotischen Wahnvorstellungen leidet und ihre Welt nur noch als Bedrohung wahrnimmt: Alle haben sich gegen sie verschworen, ihr untreuer Ehemann, ihre Tochter, das Hausmädchen, deren Gesichter sich dabei absonderlich verformen. Dem vor allem von männlichen Kritikern geäußerten Vorwurf, Ditlevsens Literatur sei "schlicht", kann Wennerscheid sich im Grunde nicht anschließen - so könne man etwa die vielen Vergleiche nicht nur als literarische Schwäche, sondern auch als Versuch der erzählenden Protagonistin lesen, ihre Umgebung irgendwie sinnfällig zu ordnen. Auch in den "szenischen" Passagen glänzt die Autorin, findet Wannerscheid, und die Beschreibung der "Ver-rücktheit" einer psychotischen Wahrnehmung berührt sie. Auch dafür, dass die Autorin in einen "ironischen Hieb" gegen die Literaturkritik und vor allem die dänische Literaturakademie austeilt und selbstbewusst Rilke- oder Baudelaire-Referenzen streut, erntet sie Anerkennung bei der Kritikerin.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 23.04.2022

Rezensentin Susanne Romanowski ahnt mit dem neu übersetzten Buch von Tove Ditlevsen aus dem Jahr 1968, dass ein erfülltes Leben trotzdem ein verletztes bleiben kann. Romanowski wählt die autobiografische Lesart für die Geschichte um eine in die Psychose abgleitende, eigentlich mit Ehe und Familie und einem prestigeträchtigen Beruf ausgefüllte Frau und vergleicht das Buch mit Sylvia Plaths "Glasglocke". Allerdings warnt die Rezensentin, das Buch, fragmentiert, beweglich und voller starker Bilder und verstörender Szenen, entziehe sich "jeder Klarheit", und Ditlevsen weiche immer wieder von den Fakten ab.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.03.2022

Rezensentin Maike Albath nimmt sich nach Tove Ditlevsens dreiteiliger Autofiktion nun einen Roman der Autorin in der "prägnanten" Übersetzung von Ursel Allenstein vor. Autobiografische Züge entdeckt sie auch hier, wenn Ditlevsen präzise von der Psychose einer von ihrem Mann betrogenen Schriftstellerin erzählt. Wie Realität und Wahn ununterscheidbar werden, vermittelt die Autorin laut Albath auf anschauliche Weise. Bloß der Schluss, da die Protagonistin aus der Klinik nach Hause zurückkehrt, erscheint Albath allzu versöhnlich. Sprachlich scheint der Rezensentin der pointierte Stil der Trilogie mehr zuzusagen als der lyrische, etwas "manierierte" des nun vorliegenden Romans.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.03.2022

Rezensent Steffen Herrmann findet "anregend", wie die in Dänemark berühmte Tove Ditlevsen vom zunehmenden Wahnsinn ihrer Protagonistin erzählt: Der erfolgreichen Kinderbuchautorin Lise mit zerrütteter Ehe ist die Außenwelt suspekt geworden; Gesichter machen ihr Angst und sie hört Stimmen. Wie in Ditlevsens jüngst erschienener autobiografischer Kopenhagen-Trilogie findet Herrmann auch in diesem Roman Parallelen zur Autorin, die ebenfalls mit Sucht und scheiternden Ehen zu kämpfen hatte. Neben der packenden Beschreibung des psychischen Abdriftens der Protagonistin gefällt dem Kritiker außerdem die "ausdrucksstarke" und bildreiche Sprache in der Übersetzung von Ursel Allenstein sowie Ditlevsens Verschränkung von "surrealen" Szenen mit literarischen Verweisen, etwa auf Nabokovs "Lolita".

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 22.02.2022

Rezensentin Bettina Baltschev ist tief berührt und verstört von Tove Ditlevsens Roman über eine talentiert und sensible Frau, die in der ihr zugewiesenen Rolle implodiere. Wie präzise und klar die Autorin die Ängste und den Schmerz der Protagonistin erfasst, ihr Abgleiten in die Psychose und die hämischen Stimmen in ihrem Kopf, findet Baltschev erschütternd. Dazu trägt laut Rezensentin auch die neue Übersetzung von Ursel Allenstein bei, die im Vergleich zur Ausgabe von 1987 elegant wirkt, die aber auch die einprägsame Erzählstimme und die starken Bilder des Textes gut rüberbringt, wie Baltschev feststellt.