Vladimir Nabokov

Das Modell für Laura

Sterben macht Spaß. Romanfragment auf 138 Karteikarten
Cover: Das Modell für Laura
Rowohlt Verlag, Reinbek 2009
ISBN 9783498046910
Gebunden, 288 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Dieter E. Zimmer. Mit 138 Karten als Faksimile. Dies ist Vladimir Nabokovs letzter Roman. "Das Modell für Laura", entstanden in den Jahren vor seinem Tod 1977, ist Fragment geblieben. Auf 138 Karteikarten war der vorhandene Text notiert, als Nabokov starb. Er nahm seiner Frau das Versprechen ab, sie zu verbrennen, doch sie tat es nicht. Nun hat sich sein Sohn Dmitri entschlossen, den Roman zu publizieren, was in der internationalen Presse heftig diskutiert wurde. Dmitri Nabokov hierzu: "Als mein Vater mir seine wichtigsten Bücher nannte, zählte er auch 'Das Modell für Laura' auf. So spricht man nicht von einem Buch, das man vernichten will."
Held des Romans ist der etwas kuriose, an Übergewicht leidende Wissenschaftler Philip Wild, der mit einer zu Ausschweifungen und Untreue neigenden Frau namens Flora gesegnet ist. Er hat sie nur geheiratet, weil sie einer anderen ähnlich sah, die er einst sehr geliebt hat. In seinem Unglück überlegt er, wie er sich umbringen könnte ... Philologen haben jahrelang über die Nähe dieses Buches zu Nabokovs Welterfolg "Lolita" spekuliert: Manche waren der Ansicht, Nabokov habe den Roman deshalb nicht publizieren wollen, weil die sexuelle Thematik darin viel offener zum Ausdruck komme als in "Lolita". Seine Publikation enthält, wie man es dreht und wendet, viel Zündstoff.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.12.2009

Mit dem "Moralextremisten", die zum Boykott dieses Buches aufrufen, will der russische Autor Oleg Jurjew nichts am Hut haben. Er empfiehlt, die Geschäftstüchtigkeit von Vladimir Nabokovs Sohn Dimitri mit Humor zu nehmen. Was , fragt er, könne schon Schlimmes passieren, wenn Leute statt einer Flasche Schnaps den unfertigen Roman eines sterbenden Mannes kauften. Er selbst konnte Nabokovs nachgelassenem Buch durchaus etwas abgewinnnen, meint sogar, dass es ein Bestandteil von ihm geworden sei. Ausführlich erklärt Jurjew dabei die dreiteilige Konstruktion, soweit sie sich erkennen lassen: der Schlüsselroman "Meine Laura" werde von einer Rahmenhandlung umfasst, in der es um das Vorbild für Laura, nämlich die gefühlskalte und promiske Flora, geht; dazwischen geschoben sind die Essays von Floras Mann Philip Wild. In ihm sieht Jurjew sogar die Hauptfigur des Romans, seinen "Ekel vor dem eigenen, fremd gewordenen Körper" findet er unvergesslich. Und in seinen stärksten Momenten findet er das Buch, zu dem viel besser die Kapitelüberschrift "Sterben macht Spaß" als Titel gepasst hätte, "furchteinflößend und traurig".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.11.2009

Nur höchst ungern, soviel wird deutlich, stellt Gustav Seibt das aus Vladimir Nabokovs Nachlass zusammengestellte Romanfragment "Das Modell für Laura" vor und absolviert die Beschreibung der Handlung als "peinliche" Rezensentenpflicht. Nabokov selbst sei ein Meister der Perfektion gewesen, für den die Vorstellung, ein unfertiges Werk der "Willkür" des Lesers anheim zu geben ein Graus gewesen wäre, ist sich Seibt sicher. Das Romanfragment ist auf 138 Karteikarten erhalten, die als Faksimiles dem Buch beigegeben sind, und die Dmitri Nabokov nun, entgegen der eindeutigen Anweisungen seines Vaters, wie der Rezensent betont, zur Publikation freigegeben hat. In den Ohren Seibts klingt der Plot, der sich nun aus der Lektüre des - unfertigen - Buchs ergibt, auch eher "dämlich": Im Mittelpunkt steht ein Neurowissenschaftler mit Selbstabschaffungsabsicht und eine untreue Ehefrau, die von einem ehemaligen Geliebten durch einen pornografischen Schlüsselroman vernichtet werden soll, fasst der Rezensent unwillig zusammen. Es sei wahr, es finden sich auch genügend Motive, die an den späten Autor erinnern, räumt der Rezensent ein. Doch diesen "tristen, unfertigen Papierstapel" hätte man seiner Meinung nach nicht herausgeben dürfen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.11.2009

Lediglich "spärliche Reize" bescheinigt Rezensent Michael Maar diesem posthum veröffentlichten Produkt aus Vladimir Nabokovs Lolita-Factory. Für die Verehrer Nabokovs hätte man die Grabkammer (also den Tresor, wo die jetzt publizierten Karteikarten dreißig Jahre lang schlummerten) auch nicht öffnen müssen, nörgelt Maar. Denn das, was das Buch jetzt präsentiere, sei höchstens ein Drittel dessen, was sich als Roman "allenfalls erahnen" lasse. Auch strahle das "damm thing" (wie Nabokov das Fragment Maar zufolge nannte, weshalb sein Sohn es eigentlich verbrennen sollte) auf den Rezensenten etwas Fades und Blasses aus, was er umso enttäuschender findet, als Sohn Dimitri wohl so schwärmerische Andeutungen gemacht hat, dass dem Rezensenten bereits das Wasser im Munde zusammengelaufen war, wie er zerknirscht berichtet. Es handelt sich, lässt Maar außerdem wissen, um ein Gedankenexperiment, doch was man davon in den Händen halte, sei weit entfernt vom dunklen metaphysischen Kosmos, der sonst Nabokovs Romane durchziehe. Mehrwert bietet das Buch, legen die Ausführungen des enttäuschten Rezensenten nahe, allenfalls der Nabokov-Philologie. Und denen, die bereits das zwei- bis dreimalige Aufblitzen von Nabokovs altem Witz zufrieden stellt. Ergreifend allerdings findet Maar, dass nun dieses Riesenwerk mit einem es selbst nivellierenden Wort endet: obliterate.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.11.2009

Nach viel Gewese und einigem Hin und Her hat Vladimir Nabokovs Sohn Dimitri es jetzt also wirklich getan: Den Anweisungen seines Vaters zur Vernichtung des unvollendeten letzten Werks handelt er guten Gewissens ganz zuwider. Auch in deutscher Übersetzung liegt, was von "Das Modell für Laura" vorhanden ist, nunmehr vor. Rezensent Markus Gasser kann in seiner ausführlichen Rezension zwar das Genie von Nabokov im allgemeinen nicht genug rühmen - befasst sich sogar in langen Passagen mit der schreibhemmenden Wirkung auf eingeschüchterte Kolleginnen und Kollegen (vor allem Zadie Smith). Auf das Fragment kommt er vergleichsweise kurz zu sprechen, indem er insbesondere dessen Fragmentcharakter auch betont. Das zentrale Plotmoment, das die vorliegenden Trümmer (138 Karteikarten) zu einem Ganzen gemacht hätte, fehlt, postum und für immer. Um einen Neuropsychologen geht es, um seine Gattin, um Selbstekel und Prostatakrebs. Wie das aber zusammengehangen hätte, das erläutern dem Rezensenten die Anmerkungen von Dieter E. Zimmer schon doppelt und dreifach nicht. Insbesondere über diese aus "uneingestandener Ratlosigkeit" so wenig hilfreiche editorische Leistung zeigt sich der Rezensent enttäuscht. Ansonsten beherrscht er vor allem die Kunst, aus etwas, das wohl eher eine Maus ist, eine elefantöse Besprechung zu machen.
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