Walter Benjamin

Walter Benjamin: Gesammelte Briefe. Band VI

1938-1940
Cover: Walter Benjamin: Gesammelte Briefe. Band VI
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783518582923
Gebunden, 628 Seiten, 50,11 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Christoph Gödde und Henri Lonitz. Der letzte Band der Gesammelten Briefe dokumentiert den Wettlauf, den Benjamin um sein Leben und sein Werk gegen den drohenden Krieg und die Verfolgung unternahm. Die Annektion Österreichs und der absehbare Fall Spaniens sprachen für ihn eine deutliche Sprache: "Für meine Person weiß ich, rund gesagt, kaum woher noch einen Begriff sinnvollen Leidens und Sterbens nehmen. Kurz ich mag mein Blickfeld soweit ausspannen wie ich will: ich finde den Horizont ebenso verhangen wie die mir vor Augen liegenden Existenzen." Benjamins Sorge, als er sich nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs interniert fand, galt den Fahnen seines zweiten Baudelaireaufsatzes, dessen Fertigstellung von Beginn an der permanenten Kriegsdrohung abgerungen war. Noch einmal für ein halbes Jahr nach Paris zurückgekehrt, schreibt er die "Thesen über den Begriff der Geschichte", die die Summe dessen sind, was Benjamin seiner Nachwelt überliefert wissen wollte. Als er hoffte, sich seinem Baudelairebuch wieder wenden zu können, musste er in den Süden flüchten, wo er das amerikanische Affidavit endlich erhielt, aber nicht die "ordnungsgemäße" Ausreisegenehmigung aus Frankreich. Als der spanische Zöllner ihn nach Frankreich zurückzuschicken drohte, nahm Benjamin sich am 27. September 1940 in Port Bou das Leben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.12.2000

Ein spannenden Blick auf Walter Benjamins Leben im Pariser Exil in den letzten zwei Jahren seines Lebens wirft diese Sammlung von Briefen, findet Eva Marz. Hier ist nicht nur wissenschaftlich Bedeutsames dokumentiert, sondern es wird auch gezeigt, was Benjamin in seinen Neujahrgrüßen geschrieben hat. Diese umfassende Dokumentation "ermöglicht dem Leser, jene Konstellationen auszumachen, die Benjamins persönliche und intellektuelle Biografie hervorbrachten" Dabei zeigt er seinen Willen, sich von den widrigen politischen Umständen und von seiner schlechten Gesundheit nicht unterkriegen zu lassen. Nach Marz` Ansicht waren die Briefe Benjamins "ein Ort der Selbstbehauptung". Die Briefe werden ergänzt von Kommentaren der Herausgeber, die die Rezensentin als "ausgezeichnet" bezeichnet.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.11.2000

Ludger Lütkehaus entdeckt angesichts des Abschlusses der Brief-Edition Walter Benjamins dessen Straßenmetaphern als "Bewegungs- und Sichtspielraum des Flaneurs wie den Weg ins Tödlich-Enge", macht selbst exzessiv von ihnen Gebrauch und assoziiert poetisch und informiert so vor sich hin. Anders als die erste Ausgabe ausgewählter Briefe, die Benjamins Freund Gerhard Scholem und Theodor W. Adorno vornahmen, muss sich die jetzige nicht vorwerfen lassen, die marxistische Hälfte Benjamins unter den Teppich zu kehren. Denn sie hat es auf Vollständigkeit abgesehen. Der Kommentarteil ist "vorzüglich, ein Musterstück biografischer und zeitgeschichtlicher Information", ohne philosophische Deutungsabsichten, die im Dreieck von Brecht, Scholems Kabbalismus und Adornos Kritischer Theorie immer neu herausgefordert werden, so Lütkehaus. Der ist stark am tragischen Ende interessiert: "Bange machen gilt sehr wohl" formulierte Benjamin gegen Adorno - und kam einer drohenden Verhaftung durch die Nazis zuvor, indem er sich 1940 umbrachte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.11.2000

Eigentlich ist all das schon bekannt. Der Rezensentin wenigstens. Was der sechste und letzte Band der "Gesammelten Briefe" Walter Benjamins an Neuem, das heißt nicht bereits in die "Schriften"- Kommentare Aufgenommenem, zu bieten hat, schreibt Momme Brodersen, beschränke sich auf einige, immerhin "tiefe" Einblicke in Benjamins Pariser Zeit. Wer aber die Kommentare bisher verschmäht hat, auch das lässt Brodersen durchblicken, der stößt hier womöglich auf Dokumente, die sein bisheriges Bild von diesem wohl bedeutendsten deutschen Kritiker des 20. Jahrhunderts über den Haufen zu werfen geeignet sind. So zeigen die Briefe nicht nur einen alerten Zeitzeugen, der die welthistorischen Ereignisse seiner Tage zu kommentieren weiß, sondern lassen darüber hinaus Benjamins vermeintliche kommunistische Sympathien als rein taktische erscheinen - eines Menschen, "der sich sein Urteilsvermögen durch nichts und niemanden vernebeln lassen hat". Zusammen mit den Pariser Reflexionen sollte das die knapp hundert Mark für den Band wert sein, bedeutet uns die Rezensentin.