William T. Vollmann

Huren für Gloria

Roman
Cover: Huren für Gloria
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783518417478
Gebunden, 200 Seiten, 17,80 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Thomas Melle. Jimmy heißt der Mann - ein Trinker, ein Träumer, ein trotzig Liebender. Oder auch: ein verkommener Freak, der in Vietnam war und nicht mehr nach Hause findet, zurück zur Behaglichkeit. Die Straßen, die er ruhelos durchstreift, führen durch den Tenderloin District von San Francisco, dort entlang, wo Frauen versuchen, ihre Liebe zu verkaufen, ohne ihre Seele zu verlieren. Jimmy nimmt sie mit oder folgt ihnen, denn er sucht Gloria, die er aus den Körpern und Geschichten der Straßenhuren zusammensetzt, die er von toten Telefonen aus anruft, Gloria, die erhabenste von allen, vielleicht ein Mädchen, das er mal kannte, oder bloß ein Gespinst seiner Phantasie. Es spielt keine Rolle - solange er sucht, ist er nicht verloren. Und was er einsammelt, macht ihn heroisch, für eine Weile zumindest: die Schönheit misslungener Maskeraden, von Frauen, die ohne jede Hoffnung leben, von Geschichten, die fröhlich beginnen und traurig enden. Die Schönheit von Dingen, die einmal schön waren.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.06.2006

Ein "ziemlich grandioses Werk" erblickt Rezensent Christoph Schröder in William T. Vollmanns Roman über den kaputten Vietnam-Veteranen Jimmy, der im Hurenmilieu San Francisco seine einzige große Liebe sucht. Er lässt keinen Zweifel daran, dass Vollmann bei seiner Beschreibung der Schattenseite des amerikanischen Traums an Drastik nicht gespart hat. Ausführlich berichtet er über den "Höllenritt" aus Gewalt, Prostitution, Drogenkonsum, Einsamkeit und Verzweiflung, auf den sich der Leser gefasst machen muss. Manche Szenen kommen Schröder reichlich widerwärtig vor. Fast verwundert zeigt er sich daher darüber, wie sehr ihn der Roman doch berührt. Denn hinter dem ganzen Schmutz verbergen sich große Sehnsucht und tiefe Traurigkeit. Überaus lobend äußert sich Schröder auch über Vollmanns sprachliches Können sowie die kongeniale Übersetzung des Romans durch Thomas Melle.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.05.2006

Ein obsessiver "wahrer Höllentrip" sei die Lektüre des bereits 1991 in den USA erschienenen Romans, warnt Jürgen Brocan. "Alkohol, Sex und der Wunsch nach einem noch so kitschigen Stückchen Glück" sind die Triebfedern des Obdachlosen Jimmy. Seine ungestillte, weil imaginierte, Liebe zu der inexistenten Gloria lassen den Vietnam-Veteranen im Chicagoer Rotlichtviertel Tenderloin versacken. Dabei enthalte sich der Autor jeder Moralisierung und Kommentierung dieses systematischen Absturzes, sondern konzentriere sich auf sezierende Beobachtungen, die sich zuweilen expressiv in einer "höchst eigenwilligen Poesie" ausdrücken. Als eine fulminante Anklage gegen das konservative Amerika lese sich der Roman, bei dem jede Fröhlichkeit auf der Strecke bleibe.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.04.2006

Fast überschwänglich lobt Andreas Schäfer diesen "mitreißenden Roman" des amerikanischen Schriftstellers William T. Vollmann, der jetzt in einer deutschen Übersetzung vorliegt. Er berichtet über die außerordentliche Produktivität des Autors, der in Amerika schon lange als Geheimtipp gilt, und über die umfangreichen Recherchen, die Vollmann vor jedem neuen Buch anstellt. Die Geschichten über Prostituierte und Nachtgestalten wären nach Ansicht Schäfers in ihrer Rohheit kaum erträglich, wäre da nicht die "Schönheit ihrer Sprache". "Drastik" und "lyrische Transparenz" sind für ihn denn auch die Hauptmerkmale dieses Romans. Trotz aller Gewalt betrachtet er Vollmann in erster Linie als "barmherzigen" Autor, "dessen Leidensklugheit an die religiösen Verlierergeschichten Denis Johnsons denken lässt". Ein großes Lob spricht Schäfer auch dem Übersetzer Thomas Melle aus, der das Werk "mit beeindruckendem Gespür für Rhythmus- und Tonwechsel" übertragen hat.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.03.2006

Offenbar fühle sich William T. Vollmann literarisch erst ganz unten "auf der Resterampe des Sozialen" wohl, vermutet Harald Fricke. Denn anders ließe sich nicht erklären, warum Vollmann seine Millieustudien in bester Bukowski-Tradition immer weiter in der Welt der Zuhälter und Prostituierten, der Säufer, Schläger und Vetaranen vorantreibt. In seinem neuen Roman "Huren für Gloria" schickt der Autor sein Erzähler-Ich Jimmy ins kalifornische Amerika der 80er Jahre zwischen Aids-Angst und Crack-Euphorie. Aus den Geschichten der Huren schafft sich der Protagonist imaginierend jene Gloria, die er anbetet und begehrt. Der Roman sei, so begeistert sich der Rezensent, "literarische Wahrheit und künstlerischer Stilwille in einem", weil es Vollmann gelingt, die Handlung mit der gleichen passiven Obsession wie die Hauptfigur zu organisieren: Nicht als "ordnende Instanz, sondern Konsument von Realität."