Wolfgang Kraushaar (Hg.)

Die RAF und der Linke Terrorismus

2 Bände
Cover: Die RAF und der Linke Terrorismus
Hamburger Edition, Hamburg 2006
ISBN 9783936096651
Gebunden, 1416 Seiten, 78,00 EUR

Klappentext

Die Faszination, die die RAF hierzulande, zumal für jüngere Menschen, offenbar immer noch ausübt, irritiert zwar, ist jedoch kaum überraschend angesichts des in der Literatur vielfach weichgezeichneten Bildes vom RAF-Terrorismus. Aus der allzu oft personen- und organisationsfixierten Perspektive auf die RAF ist ein ebenso verzerrtes wie redundantes Bild entstanden, das in vielerlei Hinsicht den inzwischen verfügbaren Quellen widerspricht und sich nur innerhalb eines quasinationalen Referenzsystems bewegt. Da es keine monokausale Erklärung der Entstehung, Entwicklung und Langlebigkeit der RAF gibt, kann nur ein multidisziplinärer Zugang, die Zusammenarbeit von Historikern und Soziologen, Politologen und Juristen, Psychologen und Theologen, Kultur- und Medienwissenschaftlern, Germanisten wie Amerikanisten, den Kenntnisstand präzisieren. Denn erst wenn es gelingt, die Ergebnisse der unterschiedlichsten Disziplinen zusammenzuführen, ist es auch möglich, sie miteinander zu vergleichen und auf diesem Wege zu neuen Ergebnissen zu gelangen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.12.2007

Für Eckhard Jesse setzt das von Wolfgang Kraushaar herausgegebene "Mammutwerk" zur RAF  neue Standards. Kraushaars historisierender Perspektive möchte sich der Rezensent angesichts anhaltender Diskussionen über den deutschen Terrorismus zwar nicht anschließen, die insgesamt 64 Beiträge von 47 Autoren liest er jedoch mit Gewinn, weil sie "von Apologie wie von Abrechnung frei" seien. Bei aller Vielfalt der Themen (ideologische Ursprünge, Protagonisten, Terrorismus und Medien etc.) vermisst Jesse die Perspektive der Opfer und eine Darstellung des Sympathisantentums. Wesentliche Erkenntnisse und neue Quellen erschließt ihm der Band in puncto Internationalität der RAF, obschon Jesse um die Klandestinität dieses Bereichs weiß, sowie bezüglich der "narzisstischen Seiten" der RAF. Insgesamt überzeugen den Rezensenten die Vielfalt, die Präzision und die kritische Haltung in den Analysen. Dass die Beiträge keinen Konsens anstreben, findet er dem Thema angemessen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.12.2007

Martin Sabrow zollt diesem von Wolfgang Kraushaar herausgegebenen, zweibändigen Werk über die Geschichte der RAF und des linken Terrorismus in Deutschland "uneingeschränkte Anerkennung". Er unterstreicht den Anspruch der Autoren, die Geschichte der RAF zu erklären und nicht nur zu erzählen. Ein Vorhaben, das Sabrow auch dreißig Jahre nach dem Deutschen Herbst und trotz der Unmengen von Literatur für wichtig und notwendig hält, existiert in seinen Augen doch noch immer kein "klares Bild" des Linksterrorismus in der BRD. Gleichwohl haben ihn nicht alle 64 Texte, die sich dem Thema phänomenologisch, komparatistisch, biografisch, ideologie- und mediengeschichtlich annähern, gleichermaßen überzeugt. In seiner umfangreichen Besprechung greift Sabrow einige Punkte heraus, die er, historisch äußerst kenntnisreich, problematisiert. Er führt etwa die Schwierigkeiten vor Augen, die aus einer unzureichenden begrifflichen Trennung von Objektsprache und Metasprache resultieren: Bezeichnungen wie Freiheitskämpfer, Guerrillero, Terrorist blieben politische Sympathie- und Distanzbegriffe, die sich "analytisch befriedigender Definition nachhaltig entziehen. Kritisch betrachtet er unter anderem auch Kraushaars Auseinandersetzung mit Rudi Dutschke als politischen Apostel der Gewaltentgrenzung.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 07.02.2007

Dass die Geschichte der RAF immer noch die Gemüter bewegt, zeigen nicht zuletzt die aktuellen erhitzten Debatten um die Begnadigung von RAF-Terroristen, meint Diedrich Diederichsen, der sich eingehend dem von Wolfgang Kraushaar herausgegebenen Sammelband widmet. Während die meisten Darstellungen der RAF sich entweder darauf verlegen, den Linksradikalismus endgültig ad acta zu legen oder als Sehnsucht nach einer früheren politisch bedeutsamen Zeit zu lesen, versucht der Sammelband auf über 1400 Seiten, das Phänomen zu historisieren, erklärt der Rezensent. Diederichsen hält es kaum für möglich, die Geschichte der RAF aus dem "verminten Gebiet" der intentionalen Debatten herauszuziehen, indem man sich auf die unbezweifelbaren Fakten konzentriert, wie es der Band in vielen seiner Beiträge versucht. Zudem ist es für ihn nicht recht einsehbar, warum auf allzu breitem Raum nicht nur Definitionen von Terrorismus geliefert werden und historisch eindeutig Belegtes und Hintergrundinformationen so eingehend dargestellt werden müssen, und vor allem kann er den Bezug zu al-Qaida, den die Autoren herstellen, nicht wirklich nachvollziehen. Immerhin hält der Rezensent dem Band zugute, dass er sich wohltuend von der gängigen "Psychologisierung" der RAF absetzt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.01.2007

Sehr zwiespältig bewertet Rezensent Hans-Martin Lohmann diese zweibändige Untersuchung über den RAF-Terrorismus, und fragt etwas spitz, ob dieser voluminöse Band mit seinen 64 Beiträgen nicht etwas "zuviel des Guten" war. Denn aus seiner Sicht verlagert er die Bedeutung der RAF für die westdeutsche Geschichte unangemessen in Richtung "wichtig". Lohmann selbst hält die RAF im Wesentlichen für inhalts-und bedeutungslos. Insgesamt nähert er sich daher mit äußerst gemischten Gefühlen diesem "Sammelsurium von Analysen, Einschätzungen und Interpretationen". Besonders erregt er sich über den "fortgesetzten Versuch" Wolfgang Kraushaars, Rudi Dutschke mit den "RAF-Machenschaften" in Verbindung zu bringen, die er insgesamt für historisch "irrelevant" hält und als "durch und durch kriminell" bewertet. Zwar scheine bei dem einen oder anderen Text manchmal der politisch getarnte "pseudopolitische Existenzialismus" durch, den die RAF auf anderer Leute Kosten praktiziert hätten. Das aber ist Lohmann nicht genug, weshalb er der Publikation seinen Segen nicht geben will. Am Ende hofft er, Kraushaars "finales" RAF-Denkmal möge wenigstens der Grabstein sein, unter dem man die Toten endlich ruhen lassen sollte.