Bücher der Saison

Kinder- und Jugendbücher

Eine Auswahl der interessantesten, umstrittensten und meist besprochenen Bücher der Saison.
09.11.2021. Cornelia Boese sucht die Theatrine. Waschbär, Fuchs, Bär, Dachs und Krähe verbringen einen wunderbaren Sommertag mit Freunden. Alfredo Soderguit schickt Wasserschweine in den Hühnerhof. Und J. K. Rowling erzählt von "Jacks wundersamer Reise mit dem Weihnachtsschwein".

Kinderbücher bis 6 Jahre

Tiere gehen immer gut in Bilderbüchern, und sie machen gute Laune. Kim Kindermann (dlf kultur) kringelt sich vor Lachen mit Jon Klassens "Aus heiterem Himmel" (ab 4 Jahre, bestellen), einer kurzen Geschichten über eine Schildkröte und ihre Freunden. Slapstickartig umkreisen die locker miteinander verbundenen Episoden laut Kindermann menschliches Miteinander, Glück, Gefühle, Ängste. Wie der Autor dabei das Große im Kleinen entdeckt, Witz daraus schlägt und kluge Schlüsse, fasziniert und amüsiert Kindermann enorm.

In Philip Waechters "Ein Tag mit Freunden" (ab 4 Jahre, bestellen) verbringen Waschbär, Fuchs, Bär, Dachs und Krähe einen wunderbaren Sommertag mit Beeren naschen und Angeln. SZ-Kritikerin Verena Hoenig ist hingerissen: Gemeinschaft und Aktivität, das macht auch für sie einen schönen Tag aus. Es ist allerdings nicht immer ganz einfach, Freundschaften zu entwickeln, besonders wenn man so unterschiedlich ist wie eine Herde Wasserschweine und eine Schar Hühner. Es dauert, bis man sich kennenlernt und vertraut, aber es kann immer klappen, lernt Marlene Zoehrer (SZ) aus Alfredo Soderguits "Die Wasserschweine im Hühnerhof" (ab 4 Jahre, bestellen), die auch die Bilder in Buntstiftoptik des uruguayischen Künstlers lobt.

Dass man manchmal etwas will und dann plötzlich nicht mehr, kapiert der Bär in Marianne Dubucs "Bär und das Murmeln im Wind" (ab 4 Jahre, bestellen). Das ist normal, keine Katastrophe, lehren auch die wunderbaren Aquarellzeichnungen Dubucs, versichert Stefan Trinks in der FAZ. Für die ganz Kleinen empfiehlt Eva Hepper im Dlf Kultur "Die Ecke" (ab 3 Jahre, bestellen) der koreanischen Autorin Zo-o: Eine sehr kreative Krähe richtet sich ihr eigenes kleines Reich in einer Zimmerecke ein. Eine hingerissene Hepper sieht dem Tier beim Denken zu und lobt die Poesie der Buntstiftbilder.

Wenn's mal was ganz anderes sein soll, dem empfiehlt SZ-Kritikerin Rezensentin Yvonne Poppek Cornelia Boeses "Wo ist Theatrine? Die Welt rund um die Bühne" (ab 4 Jahre, bestellen). Poppek lässt sich von Pförtnersohn Mattheo im heiteren Galopp durch das Theater führen - vom Kostümbestand bis zur Kantine und weiter. Wie der Titel erahnen lässt, ist Mattheo auf der Suche nach Theatrine, für die beim Pförtner ein Päckchen abgegeben wurde. Dabei lernt man ganz zwanglos und mit wunderbaren Paarreimen die Welt der Bühne kennen, versichert die vergnügte Rezensentin. In Jordan Scotts "Ich bin wie der Fluss" (ab 5 Jahre, bestellen) geht es wiederum um einen Jungen der stottert (wie übrigens auch der Autor als Kind, erzählt uns in der Zeit Katrin Hörnlein, ganz mitgenommen von der Angst und Scham des Jungen im Buch. Aber so traurig bleibt es nicht: blubberndes, kreisendes Wasser lehrt den Jungen, mit Sprache umzugehen, so eine sympathisierende Hilde Elisabeth Menzel in der SZ. Ein Wucht von einem Bilderbuch, freut sich Anna Vollmer in der FAZ, die auch die kongenialen Illustrationen von Sydney Smith lobt.


Kinderbücher 6-12 Jahre

Nach der Lektüre von "Jacks wundersame Reise mit dem Weihnachtsschwein" (ab 8 Jahre, bestellen) weiß SZ-Kritikerin Susan Vahabzadeh wieder ganz genau, warum J. K. Rowling die erfolgreichste Kinderbuchautorin schlechthin ist. Die Geschichte von einem Scheidungskind, das sein Kuscheltier Swein verliert, führt Marion Löhndorf (NZZ) von einer realen Alltagssituation in eine Art Wunderland der verlorenen Gegenstände, bloß dass hier nicht Alice unterwegs ist, sondern Jack auf der Suche nach dem Weihnachtsschwein. Zivilisationskritik und Melancholie inklusive, meint die begeisterte Rezensentin. Dass die Autorin Gefühle ansprechen kann, ohne rührig zu werden und wie nebenbei die Welt der analogen Dinge preisen kann, ohne altbacken zu wirken, gehört wiederum für Vahabzadeh zu den wundersamen Überraschungen dieser Lektüre.

Ganz schön ab geht es bei der "Mission Kolomoro" (ab 10 Jahre, bestellen) von Julia Blesken und Barbara Jung. Sechs Berliner Kinder treffen in den Herbstferien zufällig zusammen und beschließen spontan, die Asche von Jennifers Opa nach Kolomoro zu bringen - nachdem sie herausbekommen haben, wo das ist. In der SZ gefällt Yvonne Poppek, dass die sechs, die aus ganz verschiedenen sozialen Schichten kommen, sich mutig in einer nicht ganz ungefährliche Welt behaupten. Der Weg zu Opas Grab führt die Kids wie auch die Rezensentin quer durchs Berliner S-Bahn-Netz, durch allerhand Kiezmilieus und mit mindestens ebenso vielen Berliner Originalen zusammen. Dafür, dass dabei keine Langeweile aufkommt, sorgen laut FAZ-Kritikerin Eva-Maria Magel Bleskens Ohr nah an den Kindern und Barbara Jungs szenische Zeichnungen. Empfohlen wird auch Joke van Leeuwens "Als ich mal" (ab 8 Jahre, bestellen), in dem der kleine Deef von 15 Alltagsabenteuern erzählt. Da kommt plötzlich ein ausgestorbener Tiger ins Klassenzimmer, ein Hut verwandelt seinen Träger, und eine Monarchin feuert den jungen Deef im Schwimmbad zum Springen an. In Deef verbinden sich Klugheit, Neugier, kindliche Naivität und eine sehr lebendige Fantasie, freut sich in der SZ Ines Galling.

Außerdem gut besprochen wurden Ulf Starks schwedischer Kinderbuchklassiker "Ein Sommer mit Percy und Buffalo Bill" (ab 8 Jahre, bestellen) über die Ferienabenteuer des jungen Ulf bei Opa in den Schären. Michael Morpurgos "Der Leuchtturmwärter und ich" (ab 10 Jahre, bestellen) über die besondere Freundschaft zwischen Allen und dem Leuchtturmwärter Benjamin Postlethwaite, die mit der Rettung eines Passagiersegelschiffes beginnt und sich von da an über viele Jahre weiterentwickelt. Und Lauren Wolks "Echo Mountain" (ab 11 Jahre, bestellen) über die 12-jährige Ellie, die nach dem Börsencrash 1934 mit ihrer Familie in eine Blockhütte in den Bergen zieht.

Und auch drei Kindersachbücher seien noch empfohlen: "Faszination Krake" von Michele Ganser und Michael Stavaric (ab 8 Jahre, bestellen) ist ein Wimmelbuch, das spielerisch und assoziationsreich (Krakau, Krakeele!) Wissen über über das "Trendtier" Krake vermittelt. Einfach phänomenal, findet FAZ-Kritiker Kai Spanke angesichts der vielen witzigen Details. Lena Zeises "Balto & Togo" (ab 8 Jahre, bestellen) erzählt die wahre Geschichte von zwei Schlittenhunden die 1925 in Alaska bei fürchterlichem Wetter über sechs hundert Meilen mit lebenswichtigen Medikamenten übers Eis liefen. Die Tiere werden dabei weder heroisiert noch verniedlicht oder vermenschlicht, lobt in der FAZ Harald Eggebrecht, dem auch die stimmungsvollen Illustrationen gut gefallen haben. Ein bemerkenswertes Kindersachbuch ist auch Anna Desnitskayas und Alexandra Litwinas Geschichte von einer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn, "Von Moskau nach Wladiwostok" (ab 10 Jahre, bestellen), versichert findet Judith Scholter in der Zeit. Die Illustrationen Desnitskayas betonen der Rezensentin zufolge dabei die verschiedenen Atmosphären und Temperaturen der Landschaften auf einfache, aber wirkungsvolle Weise. Für SZ-Kritikerin Sonja Zekri ist es die perfekte Reiselektüre, herrlich unterhaltsam und voller interessanter historischer Fakten.


Jugendbücher

Herausragend findet FAZ-Kritiker Tilman Spreckelsen Ursula Poznanskis Jugendroman "Shelter" (ab 14 Jahre, bestellen). Es geht um eine Studentenclique, die aus Daffke eine Verschwörungstheorie lanciert und - erwartbar - die Kontrolle verliert. Doch nicht nur Poznanskis erzählerisches Können hält den Rezensenten am Haken, sondern vor allem das Geschick, mit dem die Autorin die individuellen Fähigkeiten der Beteiligten hervorhebt, die zusammen das Ganze überhaupt erst möglich machen - und die ebenso zum Unheil beitragen. Sarah Jäger erzählt in "Die Nacht so groß wie wir" (ab 14 Jahre, bestellen) von einer Nacht nach dem Abitur. Wenn sich die Freunde anlässlich der Abitursause gegenseitig die Dämonen austreiben, geht es laut FAZ-Kritiker Steffen Gnam nicht nur ehrlich zu, sondern auch bedrohlich. So manches Ungeheuer kommt da zum Vorschein, warnt der Rezensent, und vom Sterben der Illusionen erzählt Jäger auch. Aber eben auch von Hoffnung und Revolution. Die Dialoge sind authentisch und witzig, die Beobachtungen genau und komisch, lobt auch Dina Netz im Dlf Kultur.

Auch zwei Liebesromane sind anzuzeigen. In Meg Rosoff "Sommernachtserwachen" (ab 14 Jahre, bestellen) verliebt sich ein Mädchen Hals über Kopf in einen überaus attraktiven und verführerischen Jungen. Leider, stellt sich heraus, ist sie nicht die einzige. Wie man einen Blender erkennt, davon erzählt Rosoff mit einer guten Portion Menschenkenntnis, lobt in der SZ Antje Weber. Marie Pavlenkos "Die Kirsche auf der Torte aller Katastrophen" (ab 14 Jahre, bestellen) spielt in Paris und erzählt von den Katastrophen der schroffen und eigenwilligen 17-jährigen Deborah, die Konflikte in ihrem Familien- und Freundeskreis erlebt und ihrer Liebe zu Victor, der aber schon vergeben ist. Paris wird nicht romantisiert, was allein dem Zeit-Kritiker Klaus Humann schon gut gefällt. Lob gibt es auch für die Bildlichkeit und den Witz des Romans, der das Rezensentenherz nicht zuletzt mit einem Happy End erfreut.

Bei den letzten beiden Büchern fragt man sich, ob sie für die Jugendlichen oder nicht doch eher für deren Eltern geschrieben sind. In beiden Fällen leidet der Held beziehungsweise die Heldin am Asperger Syndrom. Wobei leiden vielleicht etwas hochgegriffen ist: Seit Greta Thunberg ist Asperger das neue hochbegabt. Andererseits muss man zugeben, dass die Rezensenten ehrlich begeistert sind von beiden Büchern: Dara McAnultys "Tagebuch eines jungen Naturforschers" (ab 14 Jahre, bestellen) findet Susanne Billig im Dlf zum Niederknien. Wie der 14-jährige irische Autist und Umweltschützer die Natur entdeckt und dies literarisch beschreiben kann, eröffnet ihr die Coming-of-Age-Geschichte eines hochsensiblen Kindes und seiner Familie. Cat Patrick erzählt in "Tornado im Kopf" (ab 11 Jahre, bestellen) von einem Mädchen mit Asperger, dessen einzige Freundin verschwindet. FAZ-Kritiker Fridtjof Küchemann gefällt an der Geschichte, so wie sie Cat Patrick erzählt, dass der Autor bei aller Härte und Traurigkeit der Story den Leser mitnimmt. Die besondere Erzählerin hat daran laut Küchemann großen Anteil. Wie sie lernt, dass man sich manchmal auch auf seine Gefühle verlassen muss, geht ihm ans Herz.