In
Anfibia, dem hervorragende Reportagen- und Essay-Magazin der argentinischen
Universidad Nacional de San Martín, versucht sich die brasilianisch-argentinische
Politikwissenschaftlerin Ximena Simpson angesichts der vollständigen (Selbst-) Delegitimierung der Regierung von Präsident
Michel Temer an einer
Analyse der politisch-gesellschaftlichen
Krise Brasiliens: "Bei einer Neuwahl des Präsidenten durch den Nationalkongress, wie ihn die Verfassung vorsieht, würde die Entscheidung in die Hand eines Gremiums gelegt, dessen überwältigende Mehrheit
selbst schwerwiegenden Korruptionsvorwürfen ausgesetzt ist. Eine, erst durch eine Verfassungsänderung mögliche, Direktwahl dagegen hätte zum einen den Nachteil, dass eine so gravierende Änderung unter extremem Zeitdruck durchgeführt werden muss, zum anderen, dass dadurch ein
unvorhersehbarer Outsider zum plötzlichen 'Heilsbringer' werden könnte. Sollte, wie von vielen gefordert, der frühere Präsident Lula wieder antreten, hätte dieser zwar durchaus Siegeschancen, aber doch nur sehr knappe, und eine grundlegende
Regeneration der Linken würde damit letztlich verhindert - wirkliche Veränderung braucht viel Zeit und Geduld, vielleicht wäre deshalb die bittere Pille einer Neuwahl durch den Nationalkongress
à la longue dennoch die heilsamere Lösung."