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Das andere Quartett

18.12.2001. Das Literarische Quartett ist tot. Es lebe der Literaturclub. Denn das Quartett ist ja nicht das einzige Quartett im deutschsprachigen Fernsehen.
Das Literarische Quartett ist tot. Es lebe der Literaturclub. Denn das Quartett ist ja nicht das einzige Quartett im deutschsprachigen Fernsehen. Im Club diskutiert Daniel Cohn-Bendit mit den Kritikern Gunhild Kübler und Andreas Isenschmid und einem von Sendung zu Sendung wechselnden Gast. Heute Abend um 22.20 Uhr läuft die Sendung im Schweizer Fernsehen. Gast ist Carl Djerassi (mehr hier), "Vater der Pille", Professor für Chemie an der Stanford-Universität und Autor von belletristischer, autobiographischer und lyrischer Literatur. Die Sendung läuft auch bei 3sat, allerdings zu einer extrem publikumsfeindlichen Zeit: am 25. Dezember um 9.30 Uhr.

Hier ein paar Links zu den heute Abend besprochen Büchern.

Gillian Slovos Roman "Roter Staub" spielt in Südafrika, es handelt sich um einen Roman über politische Morde im Südafrika der Apartheid-Zeit und über die Aufklärungsarbeit der Wahrheitskommission. Unter den von uns ausgewerteten Zeitungen hat bisher nur die NZZ diesen Roman besprochen. Bernadette Conrad lobte die "mutige Fiktionalisierung" des "politischen Phänomens Wahrheitskommission". Der Kunstmann-Verlag stellt (im pdf-Format) eine ausführliche Leseprobe ins Netz.

Thomas Vogels Roman "Die letzte Geschichte des Miguel Torres da Silva" ist in den großen Zeitungen noch gar nicht wahrgenommen worden. Der Roman des 53jährigen Romanisten Vogel, spielt im Portugal des 18. Jahrhunderts. Mehr als den Klappentext des vor einem Jahr von DVA übernommen Verlags Klöpfer & Meyer können wir nicht bieten.

Sollten die Schweizer einen so ganz anderen Geschmack haben als die Deutschen? Macht sich der Literaturclub (ganz anders als seinerzeit das Quartett) die Arbeit, auch kleine Verlage nach interessanten Neuerscheinungen zu durchforsten? Auch Bruno Steigers Roman "Der Billardtisch" wurde bisher jedenfalls nur in der NZZ besprochen. Sibylle Birrer war hingerissen von diesem Roman über den "kleinfamiliären Wahnsinn", meinte aber auch, er sei "nicht mehrheitsfähig", weil offensichtlich ziemlich intelligent. Aber sie mochte das lieber als alle leicht lesbare Popliteratur. Die Edition Patrick Frey, in der der Roman erschienen ist, hat keine Internetadresse und stellt folglich auch keine Leseprobe ins Netz.

Bei Nicolas Bouviers Reisebericht "Die Erfahrung der Welt" scheint es sich um einer recht originelle Trouvaille des Lenos Verlags zu handeln. Der 1998 verstorbene Genfer Autor (mehr hier und hier) unternahm 1953 eine Autoreise durch den Balkan. Stefan Weidner äußerte sich in der Zeit begeistert über die Langsamkeit von Bouviers "Erfahrung". Der Autor habe seine Erlebnisse ohne Urteil oder gewagte Interpretationen beschrieben. Allein deswegen, ist sich Weidner sicher, wird er postum mit dieser Veröffentlichung noch viele Leser finden. Hm - bisher haben nicht mal die anderen Zeitungen angebissen. Der Lenos Verlag stellt leider keine Leseprobe ins Netz.