Roberto Calasso

Der Himmlische Jäger

Cover: Der Himmlische Jäger
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518429136
Gebunden, 624 Seiten, 38,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Reimar Klein und Marianne Schneider. Es gab eine Epoche, in der man, wenn verschiedene Lebewesen aufeinander trafen, nicht genau wusste, ob es sich um Tiere oder Götter, Dämonen oder Ahnen handelte. Oder einfach um Menschen. Eines Tages, der viele tausend Jahre dauerte, machte Homo etwas, das noch keiner versucht hatte: Er begann die Tiere nachzuahmen, die ihn jagten, die Raubtiere. Er wurde zum Jäger. Es war ein langer und schwieriger Prozess, der Spuren und Narben in Riten und Mythen und im Verhalten hinterließ. Zahlreiche Kulturen, räumlich und zeitlich weit voneinander entfernt, brachten einige dieser dramatischen und erotischen Geschehnisse  in Verbindung mit der Himmelsregion zwischen Sirius und Orion: dem Ort des Himmlischen Jägers. Dessen Geschichten, in dieses Buch hineingeflochten, greifen in viele Richtungen aus, reichen vom Paläolithikum über Ägypten und das alte Griechenland bis zur Turingmaschine. Sie erkunden die verborgenen Verbindungen innerhalb dieses einen, nicht einzugrenzenden Territoriums, das der Geist ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.09.2020

"Imposant" nennt der hier rezensierende Kulturwissenschaftler Thomas Macho den achten Band von Roberto Calassos groß angelegter Enzyklopädie. Die Grenzen zwischen Themen und Sprachen, zwischen Roman, Sachbuch und Essay immer wieder leichtfüßig überschreitend, denkt der italienische Kulturphilosoph hier über das Jagen als Kulturtechnik nach, klärt der Kritiker auf, der bei Calasso nachliest, wie sich der Mensch zunehmend dem Raubtier anglich und mit dem Töten, Opfern und dem Fleischverzehr das "Zeitalter des Bewusstseins" und der Selbstreflexion einsetzte. Bezüge zu Elias Canettis "Masse und Macht", aber auch zu Ovids "Metamorphosen", Platons "Gesetzen" oder den Forschungen des Anthropologen Lewis R. Binford machen den Band für Macho zu einem ebenso gelehrten wie pointenreichen Lektüreereignis.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.09.2020

Claudia Mäder hätte sich vom Kulturphilosophen Roberto Calasso bei der Betrachtung der Jagd mehr Erdung gewünscht. Laut Mäder geht es beim Thema Jagd nicht so sehr um die Konfrontation mit unseren Urtrieben, wie der Autor nahezulegen scheint, indem er sich auf den Abschied des Menschen vom Tier beziehungsweise unsere Imitation des Raubtieres konzentriert, sondern um eine Kulturtechnik im Spiegel wechselnder Weltanschauungen. Wer war befugt zu jagen? Solche und andere Fragen werden im Buch für Mäder zu wenig diskutiert, wenn der Autor sich (laut Mäder bisweilen auf anstrengende Weise) auf die Antike einschießt, statt von den Formen der Jagd zu erzählen. Calassos Exkurse zu Alan Turing und der Digitalität findet sie dagegen anregend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.07.2020

Wuchtig, gar saftig nennt Rezensent Johan Schloemann diesen Essay des italienischen Universaldenkers Roberto Calasso. So klug, so poetisch und doch so leicht hat Schloemann noch nie gelesen, wie die Erfindung der Jagd den Homo Sapiens in die zivilisatorische Bredouille brachte: Der Mensch ist nicht als Räuber geboren, er wurde dazu, weil er Raubtiere, seine Feinde, beim Jagen oder Reißen beobachtete. Wie so oft in der Geschichte des Menschen gehen auch hier Ruhm und Schuld miteinander einher, erkennt Schloemann. Gebannt verfolgt er, wie Calasso auch religiöse Riten und Tieropfer als Sühne für die Blutschuld begreift, die der Mensch mit de Jagd auf sich genommen hat. Und wenn Calasso durch den Mythen des Mittelmeerraums und Altindiens nachspürt, sieht Schloeman einen "modern-archaischen" Essayisten am Werk, mit Sinn für Mysterien und Abschweifungen, universell und immer auch ein wenig tragisch.
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