Alexander Osang

Die Leben der Elena Silber

Roman
Cover: Die Leben der Elena Silber
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019
ISBN 9783103974232
Gebunden, 624 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

In einer kleinen Provinzstadt östlich von Moskau wird der Revolutionär Viktor Krasnow hingerichtet. Wie eine gewaltige Welle erfasst die Zeit in diesem Moment Viktors Tochter Lena. Sie heiratet den deutschen Textilingenieur Robert Silber und flieht mit diesem 1936 nach Berlin, als die politische Lage in der Sowjetunion gefährlich wird. In Schlesien überleben sie den Zweiten Weltkrieg, aber dann verschwindet Robert in den Wirren der Nachkriegszeit, und Elena muss ihre vier Töchter alleine durchbringen. Sie sollen den Weg weitergehen, den Elena begonnen hat zu gehen - hinaus aus einem zu engen Leben, weg vom Unglück. Doch stimmt diese Geschichte, wie Elena sie ihrer Familie immer wieder erzählt hat?2017, mehr als zwanzig Jahre nach Elenas Tod, macht sich ihr Enkel, der Filmemacher Konstantin Stein, auf den Weg nach Russland. Er will die Geschichte des Jahrhunderts und seiner Familie verstehen, um sich selbst zu verstehen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.01.2020

Alexander Osang erzählt nicht nur seine Familienbiografie, sondern mit ihr auch ein Stück Russisch-Europäischer Kollektivgeschichte, erklärt Rezensent Christoph Diekmann. Dieses Stück Geschichte beginnt im Jahr 1905, mit dem Tag, an dem der Revolutionär Krasnow - Osangs Urgroßvater von Boten des Zaren ermordet wurde und eine Tochter Jelena - später Elena - allein zurückließ. Die Figuren und das Geschehen in Osangs Roman sind größtenteils historisch belegt, nur die Eltern des Erzählers sind fiktiv, weiß Diekmann, der Osangs durchaus erzählerisches Talent bescheinigt. Doch der alles in allem packende Roman hat für ihn auch Schwächen. Abgesehen von einigen inhaltlichen Redundanzen hätten auch ein paar der Nebenfiguren ohne Verlust gestrichen werden können, findet der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.10.2019

Rezensent Florian Leclerc fasziniert die Mischung aus Banalem und Brutalem in Alexander Osangs Familienroman. Das Nebeneinander von Gegensätzen steigert für ihn die Spannung, wenn Osang die Geschichte einer Familie zwischen 1905 und 2017 erzählt, zwischen Zeiten und Orten springt, von der russischen Revolution nach Nazi-Deutschland nach Ost-Berlin. Autofiktional ist der Text für Leclerc auch insofern, als der "Spiegel"-Reporter Osang sich für die Wahrheit sowie für die Flunkereien in den Geschichten seiner Figuren interessiert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2019

Als "großen russischen Roman für die Generation Netflix" bezeichnet Martin Halter das neue Buch von Alexander Osang, das der Rezensent dennoch nur mit verhaltener Begeisterung gelesen hat. Halter lässt sich hier von Osang durch ein Jahrhundert deutsch-russische Geschichte führen, folgt in erster Linie der titelgebenden Elena, die zaristische Mobs, Revolution und stalinistischen Terror ebenso erlebt wie Nationalsozialismus, Vertreibung, DDR und Wiedervereinigung, lernt darüber hinaus deren fünf Töchter kennen, die alle Varianten von "Anpassung, Flucht und Widerstand" repräsentieren und begegnet schließlich Osangs Alter Ego, Elenas Enkel, dem Filmemacher Konstantin. Dass Osang gründlich in der Familiengeschichte recherchierte, spürt der Kritiker nicht zuletzt am mitunter journalistischen Ton der Erzählung. Knappe, "prägnante" Sätze, Erzählsprünge und zahlreiche Zitate aus Literatur- und Filmgeschichte halten den Rezensent zwar auf Trapp, mitunter verliert er allerdings den Überblick oder ermattet angesichts der vielen Wiederholungen, die Osang als Kommentator und Familienhistoriker einbaut.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2019

Rainer Moritz ist nach einem effektvollen Anfang enttäuscht. Alexander Osang erzählt in seinem offenbar autobiografisch grundierte Roman von der Familie eines hingerichteten russischen Revolutionärs. Die Geschichte, die sich von 1905 bis 2017 erstreckt, unterhält Moritz mit wechselnden Orten und Zeiten und funktioniert dann, wenn der Autor das Erleben seiner weiblichen Hauptfigur unkommentiert wiedergibt. Aber meist ist dem Rezensenten der Text viel zu schwerfällig. Das liegt für Moritz vor allem am Stil und an der Sprache. Bleiern und ohne Eleganz und Witz vermittelt, lassen ihn der "gewichtige Stoff" und die Figuren am Ende kalt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 28.08.2019

Maik Brüggemeyer lässt sich von Alexander Osang und dessen Alter-Ego-Erzähler tief in die Geschichte einer Familie ziehen, zu Fluchterfahrungen zwischen Russland und Deutschland und vor sich selbst. Wie Osang eigene Erfahrungen und Fiktion miteinander verschneidet, zwischen Historie und Gegenwart springt und Motive von kühlen Müttern und abwesenden Vätern als Konstanten einflicht, findet Brüggemeyer ambitioniert und gelungen unterhaltsam und lebensprall, auch wenn der Autor in den in der Gegenwart spielenden Passagen allzu spöttelnd mit seinen Figuren umgeht, wie der Rezensent findet.