Alice Schwarzer

Der große Unterschied

Gegen die Spaltung von Menschen in Männer und Frauen
Cover: Der große Unterschied
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2000
ISBN 9783462029345
Gebunden, 240 Seiten, 20,40 EUR

Klappentext

"Mein Traum ist der vollständige Mensch, bei dem das biologische Geschlecht eines Tages keine Rolle mehr spielt." Alice Schwarzer

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.05.2001

Ein kollektives Hassobjekt der Nation sei Alice Schwarzer schon lang nicht mehr, schreibt Marion Löhndorf. Auch wenn das Image der "Kampfemanze" Schwarzer inzwischen geglättet sei, über ihre zunehmend interessanter werdenden Eigenheiten täuscht das die Rezensentin nicht hinweg. Alle von Schwarzer bearbeiteten Themen kämen im neuen Band noch einmal zur Sprache, berichtet Löhndorf und gratuliert der Autorin zu ihrer "zähen Fähigkeit zur Selbstbehauptung", die sie auch die rüpelhaftesten Angriffe auf ihre Person und ihr Erscheinungsbild überstehen ließ. Mehr ein Resümee der Frauenbewegung mit zaghafter Vorausschau als ein Kriegsruf sei "Der große Unterschied". Allerdings übt die Rezensentin auch daran Kritik. Mit einer ihr gelegentlich eigenen Lust am donnernden Pathos ziehe Schwarzer gerade in Sachen Sexualität eine Reihe von vereinfachenden Schlüssen. Meistens seien Männer die Täter, Frauen die Opfer. Letztlich konnte Löhndorf die kämpferische Unterzeile des Buchs - "Gegen die Spaltung von Menschen in Männer und Frauen" - nicht allzu ernst nehmen. Mehr Trennendes denn Verbindendes hat sie Schwarzers Ausführungen entnommen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.02.2001

Susanne Meyer ist der Ansicht, dass "Alice-Schwarzer-Bashing" eine Kleinigkeit ist, zumal die Journalistin von weiten Kreisen der Bevölkerung nach wie vor gehasst werde. Dennoch läuft die ausführliche Rezension Meyers letztlich auf einen Verriss hinaus, auch wenn sie selbst deutlich aufzeigt, wie sehr auch heute noch Frauen in der Gesellschaft, bei der Rente und im Berufsleben benachteiligt werden. Doch Meyer bedauert sehr, dass die "kluge Journalistin und scharfsinnige Frauenrechtlerin" hier die Chance vertan hat, die Frauenbewegung selbstkritisch zu analysieren und ihre Strategie dementsprechend zu korrigieren. Es gibt vieles, das Meyer in diesem Buch vermisst: etwa die Erkenntnis, dass viele Frauen keineswegs in `Zwangsheterosexualität` leben, sondern auch Spaß an Beziehungen mit Männern haben. Oder auch die nichtsexuellen Beziehungen von Frauen, etwa zu Freundinnen, Kolleginnen, Kindern. Überhaupt Kinder: Dass viele Frauen das Kinderkriegen als wichtige Zäsur in ihrem Leben empfinden, sich Kinder wünschen und gerne aufziehen, werde von Schwarzer mit Verdächtigungen wie "`Mystifizierung` der Mütterlichkeit" oder gar "Mutterkreuz" verhöhnt, anstatt darauf einzugehen, wie man die Bedingungen für ein Zusammenleben von Frauen, (und Männern) und Kindern verbessern könne. Die Rezensentin sieht Schwarzer bisweilen in gefährlicher Nähe zu "Männergesellschaften", in denen diese Aspekte ebenfalls mit Verachtung kommentiert werden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.12.2000

Kaum ein gutes Haar lässt Cathrin Kahlweit an diesem Buch, auch wenn sie die Verdienste der Autorin in der Vergangenheit teilweise durchaus zu würdigen weiß. Doch erstens findet die das Buch äußerst redundant (so habe Schwarzer hauptsächlich von sich selbst abgeschrieben). Zum anderen stört sie sich an der Eitelkeit der Autorin, die nach Ansicht Kahlweits nicht müde wird, ihre Bedeutung selbst zu unterstreichen. Grundsätzlich findet die Rezensentin, dass man das Thema von einem die Frauen unterdrückenden Patriarchat "nicht endlos ausdehnen" kann, allerdings räumt sie ein, dass einige Redundanzen notwendig sind, weil tatsächlich noch keine gesellschaftliche Gleichheit bei den Geschlechtern erreicht wurde. Allerdings kann Kahlweit wiederum Schwarzers These nicht zustimmen, dass alle gesellschaftlichen Konflikte auf den männlichen Trieb zurückzuführen sind. Schwarzer versteigt sich gerade beim wichtigen Thema des sexuellen Missbrauchs in "Allgemeinplätze", - findet die Rezensentin - und vergibt damit eine Chance auf einen plausiblen Standpunkt. Schwarzers Vorwürfe an junge Frauen, die tatsächlich glauben "Sex mit Männern könne Spaß machen" und die auch die Kindererziehung nicht nur grässlich finden, erscheinen der Rezensentin sogar regelrecht höhnisch. Es gehe für Frauen nicht darum, zwischen "Puppe oder Präsidentin" zu entscheiden, protestiert Kahlweit.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.10.2000

Platt, polemisch, gleichmacherisch, einebnend, selbstgerecht, altmodisch, die Liste der Alice Schwarzer nachgesagten Attribute in Bezug auf ihr neues Buch ließe sich bequem fortsetzen. Sie hat jede Menge Einwände und doch findet Heide Oestreich `Den großen Unterschied`: notwendig. Wer sonst würde bestimmte Fragen noch stellen? 25 Jahre nach `Der kleine Unterschied` zieht Schwarzer also Bilanz, und es sieht trotz aller Erfolge der Frauenbewegung düster aus, referiert Oestreich. Frauen dürfen zwar `mitspielen`, rekapituliert sie Schwarzers Thesen - die neue Variante heißt natürlich `Barbie im Business-Kostüm` -, aber wehe sie spielten nicht mit wie vorgeschrieben. Es sei Schwarzers alte These der Sexualgewalt, mit der die Autorin das Steckenbleiben der Frauenoffensive erkläre. Das stört die Rezensentin weniger als die Tatsache, dass Schwarzer alle Geschlechterdifferenz leugne, Gebärfähigkeit und Mutterschaft schlicht ignoriere und damit aber alle, die sich dazu bekennen, ausschließe. Schwarzers Aufklärungsbegriff stammt noch aus Zeiten, `bevor die Postmoderne das Differente, das Inkommensurable einklagte`, schreibt Oestreich - dennoch Aufklärung sei erforderlich.

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