Andrzej Stasiuk

Neun

Roman
Cover: Neun
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783518413265
Gebunden, 320 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Pawel, ein junger Geschäftsmann, der es zu einem bescheidenen Textilhandel gebracht hat, erwacht in einer Trümmerlandschaft. Der Spiegel im Bad ist zerschlagen, Tuben, Bürsten und Fläschchen liegen auf dem Boden, Kleider sind aus dem Schrank gerissen. Er verlässt seine Wohnung und fährt durch Warschau, getrieben von Unruhe und Angst. Er hat Schulden, man ist ihm auf den Fersen, er braucht Geld. Ein Freund, Jacek, an den er sich um Hilfe wendet, entgeht knapp einem Überfall und ist ebenfalls auf der Flucht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.06.2002

Obwohl er einiges an diesem neuen Roman des polnischen Schriftstellers Andrzejs Stasiuks auszusetzen hat, ist das Gesamtfazit von Bernhard Fetz über dieses Buch und über seinen Autoren positiv. Immerhin nennt er ihn "einen der interessantesten Schriftsteller seiner Generation", und mit "Neun" sei ihm ein interessanter Blick auf die gegenwärtigen Warschauer Verhältnisse gelungen, gespiegelt an der jüngeren Vergangenheit. Lobenswert findet Fetz vor allem, dass Stasiuk sich "jede sozialkritische und psychologische Diagnose" verkneift. Gerade dadurch macht er den gesellschaftlichen status quo, "das Fehlen moralischer Kategorien und kollektiver Verbindlichkeiten" verständlich. Manchmal aber stört den Rezensenten der anti-moderne Affekt des Autoren, und latent schwebt auch der Vorwurf des Sozialkitsches durch seine Besprechung: "zweifellos lässt sich aus den verrottenden Milieus poetisches Kapital eher schlagen als aus einer (?) westlichen Gesellschaft". Das führt dazu dass diese "Literatur nicht frei von Sentimentalitäten und männlicher Kraftmeierei ist", so Fetz gegen dieses im großen und ganzen wohlwollend besprochene Buch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.04.2002

Der Schauplatz dieses Romans ist der "Warschauer-Stadtrand-Mikrokosmos", und Stasiuk lässt bei seiner Beschreibung, wie Christoph Bartmann konstatiert, nicht das kleinste Detail aus. Nichts Bedeutendes geschieht, kleine Drogenhändel, esoterische Massagen und zu wenig Sex. Was aber passiert, so das Leitmotiv des Romans, passiert alles "zur gleichen Zeit". Für die Figuren gilt, meint der Rezensent, dasselbe wie für die Welt, in der sie leben: der eminent genauen literarischen "Nahbeobachtung", mit der sich der Autor ihrer annimmt, scheinen sie erst mal nicht wert. Stasiuk lässt mit seinem - so Bartmann - "Kameraauge" nichts aus, fügt, etwas unvermittelt, gelegentliche "Reflexionssplitter" hinzu, die auf eine vage Sehnsucht nach einer Alternative hindeuten könnten. Ob das alles dem Rezensenten gefallen hat, lässt sich nicht genau sagen. Eher scheint es, als wäre das, in diesem Fall, gar nicht so sehr die Frage, einfach, weil Stasiuk es eben so beschreibt, wie es ist.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.04.2002

Da ist er wieder, der Autor mit seinem "himmelblauen Madonnenblick", und schaut auf die "Simultanbühne des kapitalen Elends" im neureichen, neonbleichen Warschau. Und obgleich Rezensentin Gabriele Killert die "kleinen Kienholzschen Tableaus", die Stasiuk in seinem actionreichen Roman entwirft, ganz gern zu haben scheint, rasselt ihr das Gespenst des Antikapitalismus doch wieder viel zu laut mit den Ketten. Ein "rußschwarzer ostalgischer Existenzialismus", meint Killert, sei das, "der das Herz eines Betonkommunisten erwärmen müsste, wäre da nicht dieser paranoische Katholizismus". Aber wahrscheinlich handele es sich um "so etwas wie postmoderne Ironie".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.03.2002

Schon sein Roman "Die Welt hinter Dukla", im Deutschen im Herbst 2000 erschienen, wurde hierzulande "als Offenbarung" gefeiert, erinnert Katrin Hillgruber an Andrzej Stasiuks literarischen Erfolg. Nun hat der 42-jährige gebürtige Warschauer, den die Rezensentin "ungewöhnlich vielseitig" findet, sein neuntes Buch vorgelegt, das er ganz seiner Heimatstadt widmet. Der Roman sei im Sinne eines "polnischen Film Noir" gehalten, schwärmt Hillgruber. Es geht um den 34-jährigen Textilkaufmann Pawel, der in eine Reihe von Überfällen verwickelt wird und in einen "düsteren Kreislauf der Gewalt" gerät. "Schönheit und Schrecken, üppiger Flieder und zerschlagene Laternen" stünden hier nebeneinander. Gearbeitet habe der Autor mit vielen Brüchen in der Erzählperspektive, in der in häufigem Wechsel die Protagonisten beschrieben würden, was die Rezensentin ein weiteres Mal an filmische Techniken erinnert. Dem Leser dieses "einzigartigen Romans" empfiehlt die Rezensentin noch, während der Lektüre einen Warschau-Führer zur Hand zu nehmen, damit er "die topografischen Finessen" dieser "Symphonie der Großstadt" denn auch richtig "genießen" könne.
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