Anna Maria Ortese

Der Hafen von Toledo

Roman
Cover: Der Hafen von Toledo
Friedenauer Presse, Berlin 2023
ISBN 9783751806367
Gebunden, 729 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Marianne Schneider. Die dreizehnjährige Damasa und ihre Geschwister leben in einem heruntergekommenen Haus im düsteren Hafenviertel von Toledo. Ihre vermeintliche Teilnahmslosigkeit verschleiert die glühende und rebellische Natur des Mädchens, das mit zehn Jahren den Schulunterricht ablehnt, sich von der Kirche abwendet und nach dem tragischen Tod seines Bruders auf See Rettung in der Literatur findet. Die dunklen Schriften Damasas, in denen sie versucht, die flüchtigen Visionen ihres Geistes festzuhalten, ziehen uns in eine fesselnde Welt des Unsichtbaren und der Träume, eine "zweite, unwirkliche Realität". Aus dem Geheimnis dieser wundersam lyrischen Seiten entspringt ein Alltag voller Armut und Entbehrungen, während sich am Himmel das Schreckensgespenst des Krieges abzeichnet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.07.2023

Rezensentin Christiane Pöhlmann hält sich bedeckt. Sie weiß zwar die durch und durch individuelle Anna Maria Ortese als in jeder Hinsicht "schwierige Schriftstellerin" zu schätzen, aber immer wieder stellt sie ihr Lob unter Vorbehalt. Deutlich macht Pöhlmann, dass diesen Roman nur wird genießen können, wer keine stringente Erzählung erwartet, wer sich an einzelnen Formulierungen erfreuen kann und wer damit klar kommt, dass Ortese aus der Rückschau "keine Umbewertung" ihrer Mussolini-artigen Figur Don Pedro vornimmt, wie Pöhlmann etwas kryptisch andeutet. Ob die Kritikerin die Mischung aus Manierismus und Entgrenzung, die Passionen der Autorin "Anti-Schule, Anti-Kirche, Anti-König" überzeugend oder nervend findet, bleibt ebenfalls offen. Eindeutig positiv wertet sie nur die glänzende Übersetzung Marianne Schneiders.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.07.2023

Rezensent Franz Haas ist dankbar, dass Anna Maria Orteses Roman von 1975 mit einer deutschen Übersetzung nun endlich die Wertschätzung erfährt, die ihm seiner Meinung nach gebührt. Denn mehr als alle anderen Werke der italienischen, lange Zeit vernachlässigten Schriftstellerin ist dieser Roman für ihn ein Meisterwerk - warum genau, darüber erfährt man letztlich weniger als über die Biografie der Autorin, die der Kritiker persönlich kannte und mehrfach besuchte. Viel von diesem Leben, geprägt vor allem von Armut und der Liebe zur Stadt Neapel, stecke auch im Roman, erklärt Haas: Er handelt im Rückblick von der jungen Damasa, die sich nach dem Schulabbruch (wie Ortese) als Hilfssekretärin und Jungautorin in Toledo (augenscheinlich Neapel) durchschlägt und sich unsterblich in den intellektuellen Lemano verliebt, der wiederum ihre Freundin begehrt - und ein faschistischer Spitzel ist, wie sich erst später herausstellt. Dabei gelinge Ortese ein literarisch anspielungsreiches "Liebeskarussell" mit zahlreichen Nebenfiguren, dessen Kern aber im Grunde eine "einfache Fabel" sei, so Haas - trotzdem spricht er von einem "grandios filigranen" und "kunstvoll versponnenem Schlüsselroman".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.05.2023

Fasziniert liest Rezensentin Maike Albath dieses Buch von Anna Maria Ortese, das einem "verwinkelten Palazzo mit mehreren Treppenaufgängen" gleichkomme. Es ist für die Rezensentin gar nicht so einfach, die Handlung zusammenzufassen, die nicht dem klassischen Storytelling folgt: Es geht um die "verführerische Kindsfrau" Damasa, die im Italien der vierziger Jahre zu sich selbst findet. Der politische Hintergrund wird dabei nur angedeutet, so die Rezensentin. Das Werk entfaltet eine "Poetologie des Wundersamen", wenn die Autorin Damasas Aufwachsen, ihre Freund-und Liebschaften in einer immer gefährlicher werdenden Umgebung schildert, und ist gerade in seiner Eigenartigkeit großartig, schwärmt Albath. Hervorragend findet sie auch die Übersetzung von Marianne Schneider, die das italienische Original in "schimmerndes Deutsch" übertragen hat.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 15.05.2023

Rezensent Rainer Moritz weiß um den Rang der Schriftstellerin Anna Maria Ortese und ihres monumentalen Romans "Der Hafen von Toledo" in der italienischen Literatur. Deswegen begrüßt er sehr, dass dieses Opus magnum nun endlich in einer deutschen Übersetzung vorliegt, die Marianne Schneider viel abverlangt haben dürfte. Auch Moritz selbst tut sich nicht leicht mit dem Werk: Ortese schreibt gelegentlich etwas kryptisch, sie springt in den Ebenen hin und her oder wechselt die Erzählperson, wie Moritz erklärt. Ortese erzählt vom Aufwachsen einer jungen Frau in einer fiktiven Hafenstadt, in der sich unschwer Neapel erkennen lässt. Der "graue Schleier existenzieller Einsamkeit", der die Ich-Erzählerin Dasa umgibt, berührt den Rezensenten dabei ebenso wie die Schilderung sozialer Ungleichheit.
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