Annette Ramelsberger (Hg.), Tanjev Schultz (Hg.), Rainer Stadler (Hg.)

Der NSU Prozess

Das Protokoll
Cover: Der NSU Prozess
Antje Kunstmann Verlag, München 2018
ISBN 9783956140952
Gebunden, 2000 Seiten, 80,00 EUR

Klappentext

Fünf Bände im Schuber. Am 6. Mai 2013 beginnt in München der größte Strafprozess in Deutschland seit der Wiedervereinigung. Am 11. Juli 2018 wird das Urteil gesprochen. Eine Frau und vier Männer werden beschuldigt, die Terrororganisation NSU gegründet oder unterstützt zu haben - eine rechtsradikale Gruppe, die zehn Menschen ermordet, drei Sprengstoffanschläge verübt einen Brandstiftung und 15 Raubüberfälle begangen haben soll. Das Verfahren wird mehr als fünf Jahre dauern, mehr als 600 Zeugen und Sachverständige kommen zu Wort, über 60 Anwälte vertreten die fünf Angeklagten und 93 Nebenkläger an 437 Prozesstagen. Annette Ramelsberger, Tanjev Schultz und Rainer Stadler gehören zu den wenigen Journalisten, die Zutritt zum Gerichtssaal hatten und die Verhandlung vom ersten Tag an lückenlos verfolgt haben. Aus ihren täglichen Mitschriften ist ein umfangreiches Protokoll entstanden, das in diesen fünf Büchern dokumentiert wird: Ein Stück deutscher Geschichte. Es handelt sich um Originaltöne aus der Verhandlung, die gekürzt, aber sonst unverändert wiedergegeben werden. Durch die Stimmen des Richters, der Zeugen, der Sachverständigen, der Anwälte und der Angeklagten entsteht ein Gesamtbild von zehn Jahren Terror, dem nicht endenden Schmerz der Opfer, dem eiskalten Vorgehen der Täter, dem Dilettantismus der Ermittler und der schwierigen Suche nach der Wahrheit, die doch so offensichtlich zu sein scheint. Band 1-3: Beweisaufnahme Band 4: Plädoyers und Urteil Band 5: Materialien (Register, Chronologie und kurze Portraits der Beteiligten)

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 08.12.2018

Stefan Aust und Dirk Laabs sehen die Veröffentlichung der Protokolle zum NSU-Prozess kritisch. Ein Effekt wie etwa bei den Stammheim-Protokollen stellt sich für die Rezensenten nicht ein, schon da die aus den Verhandlungstagen ausgewählten Abschnitte weitgehend bereits veröffentlicht beziehungsweise bekannt sind, wie sie feststellen. Etwas ratlos lassen die fünf Bände die Rezensenten auch deshalb zurück, weil die Auswahl der Aussagen der Hinterbliebenen künstlich ist, wie Aust und Laabs erkennen, und den wichtigen Vergleich mit anderen Zeugenaussagen gar nicht zulässt. Das Dilemma, mit den Lügen des Verfassungsschutzes umzugehen, können die Herausgeber zudem nicht lösen, finden Aust/Laabs. Ihre bloße Protokollierung führt ihrer Meinung nach in eine Sackgasse. Eine gut vernetzte Recherche ersetzt das Buch nicht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.10.2018

Arno Widmann geht deprimiert aus der Lektüre des von Annette Ramelsberger, Wiebke Ramm, Tanjev Schultz und Rainer Stadler herausgegebenen Bandes hervor. Dass es beim NSU-Prozess letztlich vor allem darum ging, Beate Zschäpe zu verurteilen und den Prozess zu Ende zu bringen, und nicht darum, den Komplex aufzuklären und Spekulationen über die Rolle des Verfassungsschutzes nachzugehen, diese Erkenntnis der Lektüre empfindet der Rezensent als schmerzlich. Zugleich machen sie für ihn den Reiz der Lektüre aus, weisen auf künftige weitere Verfahren hin. Dass der Band nicht Analyse sein will, sondern reine Prozessabbildung, findet Widmann manchmal bedauerlich, auch wenn die Vorstellung der Tat- sowie der Prozessbeteiligten, der Tatorte und der einzelnen Prozesstage samt hilfreichem Register ihn reichlich beschäftigt.