Botho Strauß

Der Fortführer

Cover: Der Fortführer
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018
ISBN 9783498065539
Gebunden, 208 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Eine Seele, die von silbernen Mikrophonen in ihrer Kuhle aufgestöbert wird. eine Blutbuche, die vom Tanzen träumt, sich bereits einwiegt in ihre Tänze, die Tänze in sich vortanzt. Arlecchino, der mit dem ganzen Hinterhaus Streit anfängt, mit jedem einzelnen Bewohner in jedem einzelnen Fenster, stolz auf seine fabelhafte Streitsucht. Es ist die Tradition des romantischen Fragments, wie sie zwischen Hamann, Novalis und Friedrich Schlegel entstanden ist, an die Botho Strauß in seinem neuen Buch anknüpft. Vergleichbares hat er noch nicht geschrieben, noch nie sich so weit von Erzählung, Betrachtung und Kritik entfernt wie in diesen kurzen bildhaften Texten. Und aus der formalen Neuheit ergeben sich neue Einsichten. Sie alle kreisen um das Nichtmitteilbare, um den poetischen Moment, den keine Intention hervorbringen könnte, um den Sinnentzug, bei dem sich - überraschend, entlastend - doch wieder ein Sinn herstellt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.04.2018

Unfreiwillige Komik und verächtliches Raunen bekommt Mirko Bonné mit den neuen Aufzeichnungen von Botho Strauß. Wie der Autor in seinen Notaten das Poetische und die Dichtung gegen die digitale Welt stark macht, erscheint Bonné zwar formal, durch unterschiedliche Einzüge etwa, mitunter reizvoll. Was Strauß über Vergangenheit, Dauer, Tradition und Überlieferung zu sagen hat, und wie er es sagt - unausgewogen, schief, schulmeisterlich - aber überzeugt den Rezensenten nicht. Zu viel rhetorische Pose, zu wenig Lebenswärme, findet er.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.04.2018

Rezensent Christoph Bartmann kann sich mit der Sammlung verknappter und "rätselfreudiger" Notate, die Botho Strauß' neuestes Buch "Der Fortführer" bietet, nicht anfreunden. Mit jeder neuen Veröffentlichung des Autors ist der Rezensent mehr davon überzeugt, dass Strauß eine fragwürdige "reaktionäre Agenda" verfolgt. Die Strauß'schen Beobachtungen, immer noch ganz wunderbar, wenn er nichts anderes tut, so Bartmann, münden für den Kritiker am Ende ausnahmslos im Ressentiment. Aber der Autor kann die Gegenwart noch so hassen, die Kultur des Adels und der Spätromantik ist nun mal passé, denkt sich Bartmann, der auch die Idee eines "Fortführers" nicht ernst nehmen kann, der seine Lehrer nicht mehr persönlich kennengelernt hat.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.03.2018

Rezensent Ulrich Greiner lässt nichts kommen auf Botho Strauß, den Solitär, der sich selbst als den Fortführer sieht, den der Titel nennt: als Dichter, der die anderen Dichter fortführt und seine Leser mit seinen Gedanken. Wenn er in Aphorismen, Reflexionen und Prosa-Skizzen das Vergehen der Zeit, den Fluss des Lebens und die Erinnerung an die Kindheit in den Blick nimmt, dann weiß Greiner, dass dies nicht unbedingt Stoff für junge Leser ist. Aber Greiner kann gar nicht genug davon bekommen. Bahnbrechend findet er Strauß dabei nicht unbedingt, wenn er das "mitteilsame Tönen", die korrekte Gesinnung und die "abgewandten Rücken" verflucht, sondern wenn er "den Zeitpfeil umdreht", und Spuren von uns Heutigen in den Werken von alten Meistern sucht. Dann gerät Greiner in einen schwärmerischen Duktus und beschwört die kindliche Sehnsucht nach der Mutter, das Vermächtnis der Väter und mit Meister Eckart und mit Stefan George das "zeitlose Nu" des Schöpfergotts. Strauß, so Greiner, war einmal der Künder einer Generation, als noch alle Theater sich um ihn rissen, und ist heute nur mehr ein Außenseiter, der auch unter diesem Status leide. Aber das mache ihn als Autor nicht um ein Jota weniger bedeutsam.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.03.2018

Dirk Pilz ist überrrascht, wie sich Botho Strauß in diesem Band mit "Kürzestprosa" selbst neu erfindet. Zwar vernimmt Pilz weiterhin die Melodie des Ressentiments, doch überwiegt der Sound des skeptischen Nachfragens, skeptisch durchaus gegen sich selbst, wie Pilz versichert. Dass der Autor den Leser am Denken teilhaben lässt, gefällt Pilz. Vor allem aber freut ihn, dass Strauß hier nicht den Weg in die verbitterte Selbststilisierung nimmt, sondern neugierig nach tagespolitischen Antworten sucht. Wenn der Autor manchmal in den Kitsch abrutscht oder wenig reflektiert die Digitalisierung verdammt, möchte Pilz ihm das gerne nachsehen.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 24.03.2018

Rezensent Tilman Krause ist enttäuscht: Hatte sich der Kritiker doch schon die Hände gerieben, mit Botho Strauß einen Fackelträger des Konservatismus vor sich zu haben, muss er nach der Lektüre von dessen neuem Buch "Der Fortführer" feststellen: Strauß schreibt mal wieder zu "differenziert" oder, wie der Rezensent es außerdem nennt, zu "mimosenhaft", um sich deutlich zu den neuen Rechten zu bekennen. Ein paar gelungene, humorvolle Reflexionen, etwa über das Älterwerden, will er dem Autor zwar nicht absprechen. Von der "Überlieferungspflicht" des Dichters hat Krause allerdings schon unzählige Male an anderer Stelle gelesen und bei dieser Mischung aus Manierismen, "Bildungsfrüchten" und "Kitsch" dreht sich dem Rezensenten sowieso der Magen um.