Charlotte Van den Broeck

Wagnisse

13 tragische Bauwerke und ihre Schöpfer
Cover: Wagnisse
Rowohlt Verlag, Hamburg 2021
ISBN 9783498002152
Gebunden, 352 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Mit 13 S/W-Fotos. Eine sündhaft teure Schwimmhalle versinkt im morastigen Grund. Ein Kirchturm beugt sich nach Fertigstellung "wie ein geknickter Phallus". Vier Toiletten werden geplant - für 2400 Soldaten. 13 Architekten misslingt ihr Bauwerk. Alle 13 gehen daran zugrunde und einige begehen sogar Suizid, weil sie das Scheitern nicht ertragen. Die Lyrikerin Charlotte Van den Broeck besucht diese 13 teils zeitgenössischen, teils jahrhundertealten Gebäude. Einer investigativen Journalistin gleich recherchiert sie Leben und Wirken der Architekten, die finanziellen und gesellschaftshistorischen Umstände, unter denen die Projekte entstanden sind. Während ihrer Reisen begegnet sie leidenschaftlichen, alltäglichen und skurrilen Menschen und verbindet das Gesehene und Erlebte mit eigenen Erfahrungen, Gefühlen, Erinnerungen. Und mit den Fragen: Welcher Wagemut, welche Leidenschaft und welche Opfer sind nötig, um etwas Großes zu schaffen? Und sollten wir nicht alle mehr scheitern dürfen? Unterhaltsam, elegant, berührend, neugierig, sinnlich - so vielfältig ist der Grenzgänger aus Autobiografie, Geschichtsschreibung, Journalismus, Tagebuch, Essaysammlung. Und so demonstriert auch die Autorin die Lust am Wagnis, die echte Kunst erst möglich macht. Zu den bekannten Bauwerken in "Wagnisse" gehören die Staatsoper in Wien, San Carlo alle Quattro Fontane in Rom ("San Carlino") von Franceso Borromini und die Kelvingrove Art Gallery in Glasgow.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.05.2021

Anders als es der Untertitel vermuten lässt, handelt es sich bei diesem Buch nicht um ein Sachbuch, klärt Eva Behrendt auf: Die belgische, vor allem für ihre Lyrik bekannte Schriftstellerin Charlotte Van den Broeck legt hier einen Prosaband vor, in dem sie anhand von dreizehn Architekten, die Selbstmord begingen, über "Kunst und Scheitern" nachdenkt. Die Kritikerin liest hier etwa von Harry Crandall, der Selbstmord beging, nachdem das Dach des von ihm errichteten Knickerbocker Theaters in Washington im Jahr 1922 einstürzte und 98 Menschen das Leben kostete, oder von Jean Porc, der sich 1611 vom Dachstuhl der von ihm erbauten Kirche Saint-Omer stürzte. Für ihre Essays reiste die Autorin zu den einzelnen Bauwerken und klärt über Leben und Werk der jeweiligen Architekten auf, wobei ihr das Kunststück gelingt, ihre Reflexionen mit Erfahrungen aus der eigenen (Künstler-)Biografie zu verknüpfen, lobt die Rezensentin. Mitunter kommt es dabei zu "skurril-komischen Kontrasten", etwa wenn Van den Broeck von einem Unfall in einem belgischen Schwimmbad erzählt und zugleich ans erste Knutschen am Beckenrand denkt, fährt die Rezensentin fort. Dass die Autorin ihre Essays mit ExpertInnen-Wissen anreichert, verbucht die Kritikerin als zusätzlichen Gewinn.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.05.2021

Rezensent Matthias Alexander kommt gut zurecht mit dem Buch von Charlotte Van den Broeck, auch wenn es etwas prätenziös und akademisch Architektenschicksale, Todessehnsucht bei Schriftstellern und Autobiografisches mischt, Essay mit Erzählung und Sachbuch. Wie große Baumeister an ihrem Werk verzweifelten, welchen Qualitätsmaßstab die Kunst verträgt, wieso Silvia Plath dem Tod zuneigte erfährt Alexander in "bestechender" Formulierung und "subtiler" Komposition.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.05.2021

Es geht hier um Wagnis und Scheitern in einem sehr umfassenden und gleichzeitig sehr persönlichen Sinn, findet Rezensentin Maja Beckers. Autorin Charlotte Van den Broeck zeichnet eine Landkarte misslungener Bauwerke - von der Kaserne mit fehlenden Toiletten, dem verdrehten Kirchturm und einem nicht wachsenden Rasen des Golfplatzes. Aber viel spannender ist für die Kritikerin die  Faszination der Autorin für das Scheitern, die sich durch das Narrativ ihrer Reise und der eigenen Angst vor dem Scheitern zieht. Offen zeigt Broeck ihre Motivation, über das Scheitern bis zum Suizid zu forschen - und findet laut Kritikerin "immer den richtigen Ton". Wirklich begeistert ist sie aber davon, dass hier das Scheitern nicht vorgeführt wird als jenes Managergerede vom Scheitern als umso sichererem Weg zum Erfolg. Nein, es geht um echte Wagnisse - und das Scheitern kann "endgültig" sein, lernt die beeindruckte Kritikerin.