Christoph Ransmayr

Der fliegende Berg

Roman
Cover: Der fliegende Berg
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783100629364
Gebunden, 340 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Der fliegende Berg ist die Geschichte zweier Brüder, die von der Südwestküste Irlands in den Transhimalaya, nach dem Land Kham und in die Gebirge Osttibets aufbrechen, um dort, wider besseres (durch Satelliten und Computernavigation gestütztes) Wissen, einen noch unbestiegenen namenlosen Berg zu suchen, vielleicht den letzten Weißen Fleck der Weltkarte. Auf ihrer Suche begegnen die Brüder nicht nur der archaischen, mit chinesischen Besatzern und den Zwängen der Gegenwart im Krieg liegenden Welt der Nomaden, sondern auf sehr unterschiedliche Weise auch dem Tod. Nur einer der beiden kehrt aus den Bergen ans Meer und in ein Leben zurück, in dem er das Rätsel der Liebe als sein und seines verlorenen Bruders tatsächliches, lange verborgenes, niemals ganz zu vermessendes und niemals zu eroberndes Ziel zu begreifen beginnt. Verwandelt von der Erfahrung, ja der Entdeckung der Wirklichkeit, macht sich der Überlebende am Ende ein zweites Mal auf den Weg.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2006

Tilman Spreckelsen hat schon lange kein Versepos mehr gelesen. Wieso auch. Nun ist er doch sehr überrascht, wie gut sich diese unzeitgemäße Form macht, wenn einer wie Christoph Ransmayr sich ihrer "klug" und "mutig" bedient. Schon Ransmayrs ebenfalls als Verszyklus verfasstes Debüt hatte Spreckelsen mächtig beeindruckt. Daran fühlt er sich erinnert, als er den unerwartet weiten Kosmos vom "Gang ins Eis", von Bruderliebe und erzählender Wiedererweckung betritt. Und er rekapituliert, was so ein Verepos ausmacht: Transzendenz, Leitmotivik, Metaphorik. Alles da, meint Spreckelsen, auch wenn der Autor das nicht wahrhaben will (siehe Vorwort). Einen weiteren Beweis sieht er im retardierenden Moment, das die "stupende Sprachgewalt" des Buches manchmal bändigt und Erleben und Schilderung trennt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.10.2006

Jürgen Busche verreißt Christoph Ransmayrs Roman "Der fliegende Berg" noch nicht einmal. Süffisant lobt er den Autor dafür, dass er in allem dem "deutschen Publikum" entgegengekommen sei: In seiner Vorliebe für Irland (die Hauptfiguren des Romans sind Iren), seiner Sehnsucht nach Tibet (wohin die Iren fahren), seiner Faszination fürs Bergsteigen (dem sich die Iren in Tibet widmen) und, da Ransmayer, wie der Rezensent ätzt, "nichts dem Zufall überlässt", auch in seinem Bedürfnis nach einer Liebesgeschichte. Dass der Roman im Flattersatz geschrieben sei, erinnert ihn allenfalls an Versepos-Schwarten der frühen Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. "Zu kritisieren" findet der Rezensent an dem Roman "nichts" - und meint das wohl kaum als Laudatio.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.09.2006

Großen Eindruckt hat Christoph Ransmayrs neuer Roman "Der fliegende Berg", ein im Flattersatz gehaltenes Versepos, auf Rezensent Christopher Schröder gemacht. Nicht immer scheint ihm die Lektüre ganz leicht gefallen zu sein, mehrfach zeigt er sich hin- und hergerissen. Denn das Werk über zwei Brüder, die den sagenumwobenen fliegenden Berg in Tibet besteigen, bewegt sich für Schröder auf dem schmalen Grat zischen Kitsch und hoher Kunst, zwischen einer "Messe der Erhabenheit" und "verschwiemelter Esoterik". Doch trotz einiger Passagen, die Schröder wegen ihrer "klebrigen Süße" kaum ertragen kann, würdigt er das Werk als große Literatur. Dabei attestiert er dem Autor, sehenden Auges auf Peinlichkeiten zuzusteuern, sie gerade darum aber meist zu umgehen. Dass dies gelingt, schreibt Schröder insbesondere der sprachlichen und literarischen Virtuosität Ransmayrs zu, die mit vorliegenden Roman ihren Höhepunkt erreicht habe.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.09.2006

Eine ganze Seite widmet Andreas Breitenstein dem neuen Buch von Christoph Ransmayr. Elf Jahre hat der Autor daran geschrieben. Herausgekommen ist ein Versepos über zwei in Hassliebe verbundene irische Brüder, die in Tibet als Erste einen namenlosen Berg ersteigen wollen, um einer "Erlösung teilhaftig" zu werden. Einer von ihnen kommt dabei zu Tode. Das erinnert an die Geschichte der Brüder Reinhold und Günther Messner, aber, warnt Breitenstein, es handelt sich hier "keinesfalls" um einen Schlüsselroman. Breitenstein ist berückt von der Intensität, mit der Ransmayr erzählt, von der "für den Autor typischen Ästhetik des Erhabenen". In den Naturschilderungen, Alltagsbeobachtungen und erdgeschichtlichen Exkursen beweise Ransmayr zudem seine "stupenden Qualitäten" als Reiseschriftsteller. Gelegentlich mag sich der hohe Ton falsch anhören, bei der Beschreibung alltäglicher Dinge wie Mousepads, so der Rezensent. Nicht ganz so gelungen findet er auch die psychologische Beziehung zwischen den beiden Brüdern. Die Strophenform ist für den Leser "gewöhnungsbedürftig", meint Breitenstein. Wer das ganze lieber hören möchte, statt es selbst zu lesen, dem empfiehlt er die von Ransmayr gelesene Hörbuchedition, die "von ganz eigener Qualität" sei.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.09.2006

Ist es Liebe oder Schmock? Ijoma Mangold ist sich nicht sicher. Christoph Ransmayrs Erleuchtungsgeschichte von zwei Brüdern im tibetischen Gebirge löst bei ihr zweierlei aus: die Achtung vor einem seltenen, kostbaren Buch, das man im Regal neben die Bibel stellen kann, und den Grusel vor der Spiritualität einer verschmockten "Lebenssinn-Offenbarung". Obgleich die Achtung bei Mangold im Hintergrund immer "mitläuft", klingt, was sie da schreibt, nicht so wahnsinnig nett: Das Funktionsprinzip des Textes (Mann trifft Berg als "Religions-Surrogat") hält sie für "simpel". Seine Strukturierung durch "Groß-Wörter" wie Tod, Liebe etc. findet sie "penetrant". Und an der ihr durchaus von Ransmayrs Sprachbegabung zeugenden rhythmischen Prosa vermisst sie die Objektivität des Epos, die durch Sakralität ersetzt werde. Mit Kant gelesen erscheint Mangold das Buch als eine einzige "Erhabenheits-Zelebration".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.09.2006

Ein wenig voreilig bespricht Ludger Lütkehaus Christoph Ransmayrs erst in zwei Wochen erscheinenden Roman "Der fliegende Berg". Dabei ist er "fasziniert von der Poesie" dieses "mythologischen" Romans, der seinen Informationen zufolge eine "tödlich endende Bergsteigergeschichte" erzählt. Schauplatz sei das östliche Tibet. Trotzdem spiele das Buch in mehreren Welten, unter anderem auch in Irland. Im Zentrum steht laut Lütkehaus ein Brüderpaar, deren Beziehung für ihn Züge einer "Kainsgeschichte" trägt. Beim Lesen muss der Rezensent manchmal daran denken, dass große Literatur oft dort entsteht, "wo die Kitschgrenze zu haarscharf vermieden wird". Auch gibt er zu bedenken, dass für manche Leser der eigenwillige Stil des Buches, der nämlich den Stoff als "strophisch gegliedertes Langzeilengedicht" präsentiert, ein Hindernis sein könnte, da er besonders den Anfang die Lektüre "nicht unbeträchtlich" erschwere. Er selbst allerdings hat Christoph Ransmayrs Formexperiment "ohne Spannungsabstriche" gelesen und selten die "tödliche Schönheit der schwarzen Himmel" und Berge so suggestiv wie im Flattersatz dieses Romans erblickt.