Daniel Leese, Shi Ming

Chinesisches Denken der Gegenwart

Schlüsseltexte zu Politik und Gesellschaft
Cover: Chinesisches Denken der Gegenwart
C.H. Beck Verlag, München 2023
ISBN 9783406800436
Kartoniert, 640 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Mit dem hier vorgelegten Band wird Neuland betreten. Die China-Experten Daniel Leese und Ming Shi haben prägnante Analysen aus der Feder führender chinesischer Intellektueller der Gegenwart herausgesucht, erstmals ins Deutsche übersetzt und für eine hiesige Leserschaft ausführlich kommentiert. Das Spektrum reicht von regimekritischen bis zu staats- und parteinahen Beiträgen, der Zeitraum ihrer Publikation erstreckt sich von der Weltfinanzkrise bis zur unmittelbaren Gegenwart. Maßgebliches Auswahlkriterium war, dass der jeweilige Text einen substanziellen Beitrag zum Verständnis zentraler Probleme der chinesischen Politik und Gesellschaft in allgemein zugänglicher Form liefert. Neben wissenschaftlichen Artikeln finden sich daher auch Reden, Blogbeiträge und verschriftlichte Diskussionsrunden. Die Auswahl versammelt Beiträge von Historikern und Politikwissenschaftlern, Soziologinnen und Journalistinnen sowie von bekannten Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern. Um in Zukunft sinnvoll über und auf Augenhöhe mit der Volksrepublik China debattieren zu können, muss auch eine allgemeine deutsche Öffentlichkeit sich darüber im Klaren sein, worüber in China selbst diskutiert wird, was die Kernargumente zentraler Diskurse sind und wie diese vor einem breiteren Panorama der chinesischen Geschichte und Politik eingeordnet werden können.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.11.2023

Rezensentin Sara Wagener liest den Sammelband von Daniel Leese und Shi Ming mit Interesse. Die darin versammelten Artikel und Reden chinesischer Intellektueller bieten laut Wagener ein großes Themen- und Positionenspektrum und geben Einblick in chinesische Debatten. Gut gefallen ihr die Einordnungen und Einführungen zu den einzelnen Beiträgen, die ihr Standpunkte und Thesen vor Augen führen. Zu erfahren ist laut Wagener u.a., wie sich Xis Herrschaft in die Geschichte der KP einfügt oder was der politische Konfuzianismus fordert. Sichtbar wird für die Rezensentin auch, dass die "politischen Bruchlinien" in China anders verlaufen als bei uns. Die Kommentierung der Beiträge hätte mitunter gern ausführlicher sein dürfen, merkt sie an.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.10.2023

Der hier rezensierende Sinologieprofessor Heiner Roetz kann diesen Band mit Texten, die das chinesische Denken der Gegenwart aufschlüsseln, nur empfehlen. Die Bandbreite und intellektuelle Tiefe der hier vertretenen Denker, ob sie aus dem Konfuzianismus, dem Liberalismus oder einem neuen Kommunismus kommen, hat ihn beeindruckt. Dass einige Autoren die Regierungspolitik verteidigen, Schwamm drüber. Bedauerlicher findet Roetz, dass der Band eigentlich schon wieder veraltet ist, weil die Grenzen dessen, was gesagt werden darf, inzwischen von der Regierung noch enger gezogen wurden. Eine Reihe der hier versammelten Autoren hat bereits ihren Job verloren, darf nicht mehr publizieren oder sitzt gar im Gefängnis. Das trübt die Aussicht auf einen Nachfolgeband, den sich Roetz wünschen würde, doch beträchtlich. Eins hat der Rezensent jedenfalls schon gelernt: Pluralismus hat eine chinesische Tradition, ebenso Kritik an der Macht. Von wegen westlicher Import.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.09.2023

Ein spannendes Projekt hat Rezensent Wolfgang Schwabe da vor sich: Die Herausgeber Daniel Leese und Ming Shi präsentieren ihm einen umfangreichen Einblick in aktuelle chinesische Debatten. 21 Aufsätze, die zwischen 2005 und 2020 entstanden sind, behandeln Chinas Selbstverständnis als multiethnischer Staat, die Staatslehre, ländliche Modernisierung und die Zukunft der Nation, das alles getragen von liberalen, kommunistischen oder konfuzianischen Grundpositionen. Vor allem im vierten Teil, der auf die Zukunft Chinas blikct, stehen sich sehr unterschiedliche Meinungen gegenüber, so Schwabe. Für ihn ist es ein großer Gewinn, dass er als Leser nicht gezwungen ist, sich mit einer der Positionen gemein zu machen, sondern sich, auch durch die gelungene Übersetzung und Anmerkungen, ein eigenes Bild machen kann. Hoffentlich setzen die Herausgeber dieses Projekt fort, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 08.08.2023

Rezensent Steffen Wurzel empfiehlt diesen Band des Sinologen Daniel Leese und des Journalisten Shi Ming mit kleinen Einschränkungen. Die beiden Herausgeber haben 21 Texte aus verschiedenen Themenbereichen aus dem Chinesischen übersetzt -  mit dem Ziel, zu zeigen, dass es in China durchaus auch noch kritische Intellektuelle gibt. Ambitioniert, meint der Kritiker,  gibt es in China doch weder Presse- noch Meinungsfreiheit. Dennoch wurden die Autoren fündig, etwa wenn sie einen Text des Juristen Xu Zhangrun drucken, der 2020 einen kritischen Aufsatz zur chinesischen Corona-Politik veröffentlichte. Einige Monate nach Erscheinen seines Textes in China wurde er allerdings verhaftet, liest der Rezensent fast beiläufig im Nachwort. In dem Sammelband stehen kritische Texte neben jenen von regimetreuen Ideologen, die mitunter "faschistoid" und "unmenschlich" wirken, fährt Wurzel fort. Nicht, dass sich diese, im übrigen exzellent übersetzten Texte im Band befinden, hält der Kritiker für eine Schwäche des Buches. Vielmehr stört ihn die selbstverständliche Mischung der Texte im Band, die den Eindruck erwecken, eine offene Debatte in China sei möglich. Eine lesefreundliche Struktur, zahlreiche Fußnoten und kenntnisreiche Vor- und Nachworte lassen ihn dennoch eine klare Leseempfehlung aussprechen.