Don DeLillo

Die Stille

Roman
Cover: Die Stille
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2020
ISBN 9783462001280
Gebunden, 112 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Frank Heibert. New York im Jahr 2022: Es ist der Super Bowl Sunday. In einer Wohnung auf der East Side von Manhattan wollen fünf Menschen gemeinsam das Finale der American Football-League im Fernsehen anschauen. Die emeritierte Physikprofessorin, ihr Mann und ihr früherer Student warten auf die Ankunft eines befreundeten Paares, das gerade auf dem Rückflug von Paris ist. Die Gespräche drehen sich um Einsteins Relativitätstheorie, ein Überwachungsteleskop im nördlichen Chile und eine besondere Bourbon Marke. Und dann passiert etwas Seltsames - auf einmal brechen alle digitalen Verbindungen ab. Sämtliche Bildschirme werden schwarz. Tiefschwarz. Die Freunde treffen ein, ihr Flug war dramatisch. Verwunderung, Erschütterung, Mutmaßungen. Die fünf versuchen sich einen Reim auf das rätselhafte, beängstigende Geschehen zu machen. Sie tauchen tief ein in das Wesen der Zeit, in die Essenz der menschlichen Existenz. Es ist geradezu unheimlich, wie hellsichtig Don DeLillo in seinem neuen Roman die gegenwärtige Situation in der Welt reflektiert oder gar vorwegnimmt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.11.2020

Rezensent René Hamann räumt ein, dass man von diesem Buch über einen folgenschweren New Yorker Stromausfall durchaus ein wenig enttäuscht sein könne: Für einen Roman sei es mit 105 Seiten eigentlich zu kurz,  die Figuren seien kaum mehr als Schablonen und Diskurse werden nur angetippt, nicht vertieft. Das DeLillo-Werk schließt es in den Augen des Kritikers dennoch würdig ab, denn die großen Thesen des Autors der Postmoderne treten noch einmal deutlich zutage, wie er findet: Auch nach der scheinbar allumfassenden Zerstörung wird es Worte geben, die in ihren neuen Kontexten wieder sinnhaft zusammengesetzt werden, sinniert er: Das Ende sei immer auch ein Anfang.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.11.2020

Rezensent Andreas Platthaus ist nicht überrascht von Don DeLillos Kammerspiel-Roman. Derartig knappe Texte kennt er vom Autor schon, er sieht in dem Buch einen "Komplementär" zu "Weißes Rauschen" von 1985. Als Kommentar zum Thema Lockdown, wie der Verlag suggeriert, liest er den Text nicht. Es geht nicht um Abgeschlossenheit, meint er, sondern um eine Art Befreiung aus der Wohlstandsblase. Wie zwei Ehepaare mit einer Ausnahmesituation (Stromausfall) umgehen und sich daraufhin in einem New Yorker Apartment "theatralisch" die wohlstandsbürgerliche Seele erleichtern, stellt sich für Platthaus als "kühle Bestandsaufnahme" dar.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.11.2020

Rezensentin Judith von Sternburg ist betört von Don DeLillo einfacher stilistischer Schönheit. Dass der neuen Text des Autors eher eine Erzählung ist denn ein Roman, stört sie nicht. Als meisterliche "Momentaufnahme" einer Katastrophe, in der vor allem rückhaltlos verbalisiert wird, über Fremdsteuerung, Einstein und Irritationen, kann Sternburg das Buch durchaus spielend überzeugen in seiner Kompaktheit und Dezenz.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 03.11.2020

Dorothea Westphal staunt über die Erzählökonomie von Don DeLillos kleinem Roman. Das apokalyptische Szenario eines folgenreichen Stromausfalls im Jahr 2022 (vielleicht Teil eines Cyberkriegs) entwirft der Autor laut Westphal ohne ein Wort zuviel und in "makelloser" Prosa. Dass die Katastrophe nur angedeutet wird, und DeLillos seine Figuren in einem New Yorker Apartment wie in einem Kammerspiel agieren lässt, nimmt dem Ganzen nichts von seiner Spannung, meint die Rezensentin. Von Lockdowns wusste die Welt zum Zeitpunkt der Entstehung des Romans auch nocht nichts, stellt Westphal überrascht fest.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.10.2020

Rezensentin Susan Vahabzadeh ist etwas enttäuscht von Don DeLillos neuem Roman. Dabei findet sie Idee, eine Handvoll Menschen in Abhängigkeit von den (digitalen) Verhältnissen zu zeigen, ihre Steuerung von außen (laut Vahabzadeh ein Steckenpferd des Autors), eigentlich vielversprechend. Ein Stromausfall führt hier zum Kollaps der Außenwelt, und fünf Menschen sind in einem New Yorker Apartment eingesperrt, so die Lage. Was der Autor daraus macht, findet die Rezensent aber zu dünn. Die Figuren bleiben ihr zu leer, reduziert auf ihr Tun in der Situation. Das, was vom Menschen übrig bleibt, wenn die virtuelle Realität wegfällt, scheint Vahabzadeh aber mehr und spannender zu sein.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18.10.2020

Rezensent Peter Körte hält den Atem an mit Don DeLillos kurzem Roman über ein paar Menschen in New York während des Ausnahmezustands. Worum genau es sich handelt, ist laut Körte nicht der Punkt. Unsere digitale Welt ist betroffen, nur soviel. Wie der Autor das Szenario entfaltet, im wesentlichen konzentriert auf fünf Menschen in einem New Yorker Apartment, scheint Körte von subtiler Dramatik, unheimlich, weil immer etwas Verborgenes mitschwingt, doch nicht apokalyptisch. Das ist keine Science-Fiction, sondern ein Erzählen von der Fragilität der Welt "im Potentialis", meint Körte.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.10.2020

Don DeLillos neuer Roman ist nur 112 Seiten schmal, die Sätze darin laut Rezensent Ijoma Mangold so "rein und klar", als seien sie auf ihre "buchstäbliche Bedeutung" reduziert - da greift der Kritiker doch gleich zum Telefon, um Don DeLillo in New York ein paar Worte über Corona, Trump und den neuen Roman zu entlocken. DeLillo ist allerdings wenig auskunftsfreudig - und so bleibt es in Mangolds Kritik nur bei wenigen Worten über das Buch: Erzählt wird die Geschichte von sechs Freunden, die sich in naher Zukunft während eines Stromausfalls in einem Apartment in Manhattan aufhalten und den Lockdown nutzen, um über Einstein, Abgründigkeiten und die ausgefallene Übertragung des Super Bowl zu philosophieren, erfahren wir. Handlung und Deutung findet Mangold hier nicht, dafür immerhin die "entspannteste" Sexszene der "Weltliteratur".  Sehr zeitgeistig findet Mangold das.