E.L. Doctorow

In Andrews Kopf

Roman
Cover: In Andrews Kopf
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2015
ISBN 9783462048124
Gebunden, 208 Seiten, 18,99 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Gertraude Krueger. In seinem neuen Roman nimmt uns E.L. Doctorow mit auf eine Reise in das Bewusstsein eines Mannes, dessen Leben nicht immer geradlinig verlief und dem die Trennschärfe zwischen Fakten und Fiktion abhandengekommen zu sein scheint. Andrew erzählt die Geschichte seines Lebens, eines Lebens voller dramatischer Umstände und Tragödien. Er erzählt von seinen Töchtern; die erste starb durch seine Schuld, die zweite musste er weggeben. Er erzählt von seinen Ehefrauen; von der ersten ist er getrennt, die zweite starb, weil sie am 11. September 2001 joggen ging. Und er erzählt von seinem Traum als Kognitionswissenschaftler: einem Computer, in dem das Bewusstsein sämtlicher Menschen, die je gelebt haben, reproduziert und gespeichert wäre. Und während Andrew erzählt, müssen wir Leser uns fragen, was genau wir denn eigentlich wissen über Wahrheit und Erinnerung, Gehirn und Verstand, über uns und die anderen. Gibt es so etwas wie Schicksal, oder ist am Ende doch alles selbst verschuldet? Andrew jedenfalls ist sich sicher: "Heutzutage kann ich niemandem trauen, am wenigsten mir selbst."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.01.2016

Die Suche nach dem großen amerikanischen Roman scheint Rezensent Jan Wilm mit E. L. Doctorows letztem Buch einen Schritt vorangekommen zu sein. Wie der Autor in seiner Geschichte Einzel- und Gesamtschicksal verquickt, findet er komisch und tieftraurig zugleich, in jedem Fall aber subtil weise und unterhaltsam. Gleich, welche Lesart die Leserin favorisiert, die realistische, in der es um 9/11, Therapie und Sorgerecht geht, oder die symbolische, in der Ort und Zeit der Handlung im Kopf des Protagonisten Platz haben, meint Wilm, es geht um die Literatur, ums Erzählen als Politikum.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.08.2015

Fasziniert scheint Thomas Hermann vom letzten Roman des jüngst verstorbenen amerikanischen Schriftstellers E. L. Doctorow, der im Lesen die interaktivste Form der Mediennutzung gesehen habe. Folgerichtig seien daher die zahlreichen leeren Seiten im neuesten Roman, so Hermann, die zum Mitmachen geradezu herausfordern würden. Den Zoom des Autors in die Gedankenwelten seiner Figuren kennt der Kritiker bereits aus früheren Werken, doch nie sei er so konsequent betrieben worden wie hier. Besonders angetan ist Thomas Hermann von den in seinen Augen originellen Figurenkonstellationen und von den ständigen Reflexionen des Protagonisten, des Kognitionswissenschaftlers Andrew. Mit dieser "narrativen Überraschungstaktik" gelinge es Doctorow auch, "auf ausgefuchste Art" die Gefahr des Kitsch zu umgehen, lobt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.08.2015

Tragödie oder neuronale Störung? So sicher ist sich Christoph Schröder da nicht, der Autor lässt ihn schön zappeln. Auch wenn E.L. Doctorows letzter Roman eher zum schwächeren Teil seines Werks zählt, wie Schröder findet, scheint ihm der Autor doch eine ganz passable Clownerei mit durchaus ernstem Background zu veranstalten, indem er einen höchst unzuverlässigen und laut Schröder auch unsympatischen Helden von seinen Erlebnissen als Kognitionswissenschaftler und Partyschreck berichten lässt. Kurzweilig ist das, meint Schröder, und auch ein bisschen flach.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.08.2015

Mit viel Lob bespricht Rezensent Fritz Göttler "In Andrews Kopf", den letzten Roman des kürzlich verstorbenen amerikanischen Erzählers E. L. Doctorow. Als "satirische Spiegelfechterei" erscheint dem Kritiker das Buch, das er vor allem als Installation versteht: Er folgt hier dem Kognitionswissenschaftler Andrew, der als "auf den Kopf gestellter Hiob" das Unglück magnetisch anzieht, sich zunächst in einem mysteriösen Verhör und schließlich als neurologischer Berater im Büro des amerikanischen Präsidenten George Bush wiederfindet. Vor allem aber liest der Rezensent hier einen an Werke von Max Frisch erinnernden Roman über Identität - allerdings in einer Zeit, in der der Begriff "Gehirn" die "Seele" abgelöst hat und künstliche Intelligenzen, GPS-Systeme und Maschinen an die Stelle der menschlichen Identität gerückt sind. Ein komplex erzähltes, politisches und heiteres Buch, mit dem sich Doctorow in die Tradition der (selbst-)ironischen Moral eines Montaigne oder Mark Twain stellt, schließt der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 08.08.2015

Wenn es nach Klaus Nüchtern ginge, hätte E. L. Doctorow seinen letzten Roman wohl nicht extra schreiben müssen. Die äußere Schmalheit des Buches findet sich laut Rezensent im Innern gleich noch einmal als minder lustige Mischform zwischen Horror und Satire mit einem unzuverlässigen Erzähler, einer unglaublichen, nein, meint Nüchtern, tatsächlich in allzu vielen Momenten unwahrscheinlichen, in viel zu viele Einzelheiten zerfasernden Geschichte. Und über die Kognitionswissenschaften hat Nüchtern selten jemanden so blumig reden hören wie in diesem Buch.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.07.2015

E. L. Doctorows allerletzter Roman "In Andrews Kopf" tröstet Susanne Mayer nur wenig über den Tod seines genialen Autors hinweg. Obwohl das Buch natürlich großartig ist, so die Rezensentin. Doctorow erzählt die Geschichte eines Irrenhaus-Insassen aus dessen eigener Perspektive, erklärt Mayer: Andrew ist also der Inbegriff des unzuverlässigen Erzählers. Der darf dann über das Wesen des Menschen monologisieren, über das Denken, das Denken des Denkens, und so weiter - allerdings in derart brillanter Komposition, dass Andrews Antworten niemals genügen und auf eine eigene Auseinandersetzung mit seinen Fragen drängen, findet Mayer.
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