Egon Flaig

Historische Semantik, Band 1: Ritualisierte Politik

Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom
Cover: Historische Semantik, Band 1: Ritualisierte Politik
Vandenhoeck und Ruprecht Verlag, Göttingen 2003
ISBN 9783525367001
Gebunden, 289 Seiten, 36,90 EUR

Klappentext

Weshalb knieten und weinten Senatoren vor politischen Gegnern? Warum entblößten sie ihre Narben? An welche Wertvorstellungen appellierten diese Gesten? In welchen Situationen wirkten sie, in welchen nicht? In welchen zeremoniellen Rahmen fand derlei statt, entlang welcher Regeln? Egon Flaig untersucht die kulturelle Semantik der römischen Politik, wie das bisher in der althistorischen Forschung noch nicht geschehen ist. Seine Studie versteht individuelle Handlungen wie kollektive Rituale als Elemente einer politischen Grammatik, die selbst der Veränderungsdynamik gesellschaftlicher und politischer Prozesse unterliegt. Indem er römische Politik nicht nach Institutionen und Kompetenzen befragt, sondern nach dem signifikanten Verhalten ihrer Akteure, gelingt es dem Autor, zentrale Elemente der römischen Politik neu zu bestimmen. Zugleich präsentiert Flaig in "dichten Beschreibungen" anschaulicher Fälle einen Querschnitt durch die politische Kultur insbesondere der späten römischen Republik.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.09.2003

Was Machiavelli die Staatsklugheit und Mommsen die Amtsgewalt war, ist Egon Flaig der herrschaftliche Habitus: die Erklärung für die Stabilität der römischen Republik. Mit Hilfe von Bourdieus Werkzeugkasten, so der Rezensent Uwe Walter, zeige der Althistoriker in "stringenter, disziplinierter Analyse", mit welchen habituellen Gesten und Codes die römische Aristokratie gegenüber dem Volk seine Autorität bestätigte, so dass die eigentliche Amtsgewalt nur in Grenzfällen zum Einsatz gebracht werden musste - die römischen Herrscher spielten auf der Klaviatur des erwartbaren Verhaltens der Massen. Flaigs "Sondagen in den komplexen Schichten der kulturellen Semantik und Pragmatik der römischen Republik" seien auch makrogeschichtlich sehr bedeutsam, schreibt Walter und fühlt sich vom Autor "reich beschenkt".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.08.2003

In einer Besprechung mehrerer neuer Bücher über die Antike zeigt sich Rezensent Manfred Fuhrmann mit diesem Buch von Egon Flaig nicht ganz zufrieden. Die Untersuchung zielt auf die mittlere und späte Römische Republik, die durch Zeichen und Gesten um Konsens bemühen musste. Es geht also um standardisierte Zeremonien wie den Triumphzug oder bestimmte Gebärden wie das Vorzeigen von Wundnarben. Zum Bedauern des Rezensenten scheint Flaig jedoch der Beweiskraft seiner Zeugnisse nicht zu trauen scheint, so dass er in seine Schilderungen immer wieder "inhaltsarme und daher weithin überflüssige Betrachtungen über Begriffe und Methoden" einfüge.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.06.2003

Im 19. Jahrhundert, erläutert Wilfried Nippel, presste Theodor Mommsen das komplexe "Geflecht aus Rechtstraditionen, gesetzlichen Regelungen punktueller Natur und Konventionen auf der Basis unbestrittener Praxis", das der Nobilität des Alten Rom die Macht sicherte, in die Kategorie eines Staatsrechtes; diese sei aber seit langem nicht mehr ausreichend. Höchste Zeit also für eine alternative Darstellung, meint Nippel und spricht Egon Flaig großes Lob aus. Der Autor referiere auf Erkenntnisse Bourdieus, um die "Römische Verfassung" als ein System zu fassen, dass "auf den Praktiken der Interaktion, den Regeln der Kommunikation und dem Habitus der beteiligten Gruppen gründe". Mit anderen Worten: Die Herrschenden sicherten ihre Macht mit Hilfe des symbolischen Kapitals, das sie in öffentlichen Inszenierungen erneuerten, sowie durch den geschickten Ausgleich verschiedener Interessen; die Volksversammlung war, so der Autor, "ein Konsens-, kein Entscheidungsorgan". Der Rezensent stimmt ihm zu und begrüßt die "kulturtheoretischen Konzeptionen" Flaigs als Ergänzung - nicht jedoch als Ersatz - der staatsrechtlichen Analyse. Man solle sich, fügt er noch hinzu, von der "manchmal übertrieben artifiziellen Sprache nicht stören lassen".
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